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Der Triumph des Genies.

Schlaf war durch keine Leidenschaft, durch keine Kämpfe gestört
— er war ein ruhig schlafender Mann, wie immer. Da auf
einmal ertönte ein Schrei, ein Hahnenschrei, ein achtes Kikeriki!
j Jählings fuhr der Professor aus dem Schlafe, Angstschweiß
! trat auf seine Stirne, rascher schlug sein Herz, er verlor den
Gleichmuts, stieß sein Weib an, das schreiend erwachte, sprang
aus dem Bette heraus und eilte auf sein Studirzimmer. Mit
Entsetzen sah er hier auf seinem Chronometer, daß es erst
31/2 Uhr war! Er hatte eine halbe Stunde seines Opium-
schlafes verloren! Gebrochen sank er in den Uebungssessel und
verlor die Besinnung. So saß er lange; wie lange, wußte er
nicht — bis endlich seine Frau ihn aus der Betäubung belferte
und ihn, den Schlafrock um ihn hängend, zum Kaffeetisch führte.
Er aß und trank mechanisch, kleidete sich darauf an und eilte
in's Freie, aus die Promenade, die er dreimal, Ruhe suchend,
durchlief. Doch vergebens! Er ging nach Hause und fand hier
sein Weib weinend in der Sophacckc. Sie hatte sich nämlich
nach dem Weggange des Professors zu Herrn Henker verfügt,
ihn der Störung ivcgcn zur Rede gestellt, war dabei aber zu
sehr in's Feuer gekommen, was den Criminalrichtcr veranlaßte,
sie einfach vor die Thüre zu setzen. Daher die salzigen Thränen!
j Unterdessen war die Stunde der Vorlesung gekommen. Seit
! 20 Jahren kam er zum ersten Male zehn Minuten zu spät.
Sie währte bis zehn Minuten vor 10 Uhr und ging leidlich
von Statten, da der Professor zu derselben nicht viel Besinn-
ung brauchte; nur bisweilen entfuhr ihm krampfhaft ein Seufzer,
der lvie ein dumpfes Kikeriki klang. Um 12 Uhr speiste er
mit seiner Einzigen, darnach ging er, wie er sich zwischen 10
und 12 Uhr ausgesonnen, zu dem schrecklichen Henker seiner
Ruhe. Vorher aber hatte er, was bei dem brutalen' Charakter'
des Criminalrichters nöthig schien, eine Präparirnadel aus
seinem mikroskopischen Bestecke zu sich genommen, um auf alle
Fälle gerüstet zu sein: diente ihm doch bei der Kleinheit der
Waffe die genaue Kcnutniß der gefährlichsten Körperstellen. Er
wollte jedoch gütlich unterhandeln. Nach dem sonoren „Herein!"
des Herrn Henker betrat er mit Bücklingen dessen Stube. —
„Ah! guten Tag, Herr Professor! Wie haben Sie geschlafen?"
sagte Herr Henker. — Der Hohn vernichtete ihn beinahe, doch
kam er nicht ganz aus der Fassung. „Ich wollte nur höflichst
um Entschuldigung bitten wegen der Heftigkeit meiner Frau.
Die nächtliche Störung war auch zu groß!" — „Hat Nichts
zu bedeuten gehabt!" sagte mit fürchterlicher Zweideutigkeit der
Henker. — „Ich wollte mir ferner erlauben, Sie zu bitten,
mir zu erlauben, von 5/a9 Uhr Abends bis 4 Uhr Morgens
Ihren Hühnerkäfig mit schwarzem Tuch zu behängen." —
„Kann sein!" entgegnete kurz der Wütherich. Nach einigen
weiteren glcichgiltigcn Worten entfernte sich unter Bücklingen
der Herr Professor. Vergnügt rieb sich der fürchterliche Cri-
minalrichter die Hände. Alsoglcich verfügte sich der Herr Pro-
fessor zu dem Kaufmann und brachte denn auch bald das rettende
schwarze Tuch. Des Abends um ^9 Uhr behing er den
Käfig damit, nahm daun seinen l1/^ Tropfen Opium und
eilte an die Seite seiner Gattin, allwo er entschlummerte. Doch
was war das? Wieder schrie der Hahn und diesmal gar schon

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um 3 Uhr, >vic der Chronometer nachwies. Also eine Stunde
Opiumschlafes verloren! Das war fürchterlich! Heute trank
der Professor weder Kaffee, noch hielt er Vorlesungen, die er
auf unbestimmte Zeit aussetzte, lvie am schwarzen Brett zu lesen
stand. Darüber waren die Studenten sehr erschrocken und
traurig. Des Nachmittags überredete die Frau Professorin
ihren Mann, einen Spaziergang »ach dem benachbarten Torfe
zu machen. Sie aßen Pfannenkuchen und Salat nnd tranken
Aepfelwein dazu, weil dieser die in der Aufregung vergessene
Gymnastik zu ersetzen im Stande war. Es ivar spät, als die
Beiden nach Hause kamen. Doch war der Professor vergnügt,
da ihm der Wirth, ein in diesem Fache erfahrener Mann, ge-
sagt, er solle Abends den Hahn so umwenden, daß er mit dem
Kopfe nach der Wand sehe, dann schreie er gewiß nicht. Um
t/o9 Uhr verfügte sich denn auch der Professor an den Käfig,

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der Triumph des Genies"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Oberländer, Adolf
Entstehungsdatum
um 1870
Entstehungsdatum (normiert)
1860 - 1880
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Gewohnheit
Wissenschaftler <Motiv>
Hahn <Motiv>
Käfig
Ehemann
Störgeräusch
Karikatur
Schlaf
Ehefrau
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 53.1870, Nr. 1311, S. 67

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