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Moralische Experimente.
von meiner liben Leni noch extra rechd vil herzligste grüße
an Si, der Si uns so übraus glicklich gemacht habn.
Nemen Si mein schreibn nicht ungitig, wir bleibn
Ire bis zum tot ergebenste
Franz und Magdalena Miller."
Zum ersten Male seit langer Zeit lächelte Wallner wie-
der, und nachdem er die wenigen Zeilen nochmals durchlcsen
hatte, öffnete er ein Fach seines Schreibtisches, nahm eine Hundert-
thalerrolle und eine Hundertthalernote sammt einem Briefe her-
aus, der „Fencdig 20 November" begann, packte Alles sorg-
sam zusammen, versiegelte cs und schrieb „Meinem lieben Path-
chen!" darauf.
Hierauf legte er einige Zeilen bei, daß er bedaure, der
lieben Einladung nicht folgen zu können, indem er in drei
Tagen nach Italien abreise; doch verspreche er ihnen, auf dem
Heimwege von dort sie bestimmt zu besuchen.
Er kaufte einige hübsche Geschenke nnd sandte dieselben an
Franz ab. Noch waren diese nicht an ihrem Bestimmungsorte,
war Wallner bereits auf dem Wege nach Neapel. Carl Draun.
Die neue Anlage.
(Um 1/28 Uhr früh.)
„0, lieber Freund, Sie werden doch meine jungen An-
lagen ansehen wollen? Wird in ein paar Jahren einen prächtigen
Park geben! Treten wir aber unsere Wanderung gleich an, so
lange wir noch die Morgenfrische haben. Ich werde später
schon Gelegenheit haben, Sie auch auf die Schattenseiten auf-
merksam zu machen."
Das war der Ritter Guntram, im Kampf' ein kühner Leu,
Bor seinem Ehegemahcl hatt' er gar große Scheu;
Einst hatt' er seinen Herzog gerettet aus grimmem Streit',
Da wollt' ihm der beweisen die höchste Dankbarkeit;
Bor seinem ganzen Heerbann, zu Rosse wie zu Fuß,
Sollt' ans den Mund ihm drücken die Herzogin einen Kuß;
Und wie der Herr befohlen, geschah cs auch zur Stund',
Tic Holdeste der Frauen weihte des Helden Mund;
Der stund als wie von Sinnen, schier einem Verzückten gleich,
Da frug der Fürst ihn lächelnd: „Nun, Freund, wie that es Euch?"
Der aber flüstert selig: „Es war tausend Leben werth.
Doch wehe mir und der Herrin, wenn meine Alte'was erfährt."
Crassus.
Dcnksp ruch.
.In jedem Frühling blüht auch dir
Ein Blümchen, ist's auch noch so klein,
Von jeder Wonne glüht auch dir
Ein Schimmer in das Herz hinein.
Nur mußt du dich zufrieden gebe» . . .
Erzwingen läßt sich keine Lust . . .
Was dir von selbst nicht gibt das Leben,
Bleibt ewig ferne deiner Brust.
fj. Seidel.
(Um 12 Uhr Mittags.)
„ Puh — puh — diese Hitze — Carissimo, lassen Sie
uns jetzt ein wenig die Schattenseite aufsuchen. Aber da brennt
j ja die Sonne überall eselmäßig — !" — „Das ist eben noch
die Schattenseite meines Tusculums!"
Moralische Experimente.
von meiner liben Leni noch extra rechd vil herzligste grüße
an Si, der Si uns so übraus glicklich gemacht habn.
Nemen Si mein schreibn nicht ungitig, wir bleibn
Ire bis zum tot ergebenste
Franz und Magdalena Miller."
Zum ersten Male seit langer Zeit lächelte Wallner wie-
der, und nachdem er die wenigen Zeilen nochmals durchlcsen
hatte, öffnete er ein Fach seines Schreibtisches, nahm eine Hundert-
thalerrolle und eine Hundertthalernote sammt einem Briefe her-
aus, der „Fencdig 20 November" begann, packte Alles sorg-
sam zusammen, versiegelte cs und schrieb „Meinem lieben Path-
chen!" darauf.
Hierauf legte er einige Zeilen bei, daß er bedaure, der
lieben Einladung nicht folgen zu können, indem er in drei
Tagen nach Italien abreise; doch verspreche er ihnen, auf dem
Heimwege von dort sie bestimmt zu besuchen.
Er kaufte einige hübsche Geschenke nnd sandte dieselben an
Franz ab. Noch waren diese nicht an ihrem Bestimmungsorte,
war Wallner bereits auf dem Wege nach Neapel. Carl Draun.
Die neue Anlage.
(Um 1/28 Uhr früh.)
„0, lieber Freund, Sie werden doch meine jungen An-
lagen ansehen wollen? Wird in ein paar Jahren einen prächtigen
Park geben! Treten wir aber unsere Wanderung gleich an, so
lange wir noch die Morgenfrische haben. Ich werde später
schon Gelegenheit haben, Sie auch auf die Schattenseiten auf-
merksam zu machen."
Das war der Ritter Guntram, im Kampf' ein kühner Leu,
Bor seinem Ehegemahcl hatt' er gar große Scheu;
Einst hatt' er seinen Herzog gerettet aus grimmem Streit',
Da wollt' ihm der beweisen die höchste Dankbarkeit;
Bor seinem ganzen Heerbann, zu Rosse wie zu Fuß,
Sollt' ans den Mund ihm drücken die Herzogin einen Kuß;
Und wie der Herr befohlen, geschah cs auch zur Stund',
Tic Holdeste der Frauen weihte des Helden Mund;
Der stund als wie von Sinnen, schier einem Verzückten gleich,
Da frug der Fürst ihn lächelnd: „Nun, Freund, wie that es Euch?"
Der aber flüstert selig: „Es war tausend Leben werth.
Doch wehe mir und der Herrin, wenn meine Alte'was erfährt."
Crassus.
Dcnksp ruch.
.In jedem Frühling blüht auch dir
Ein Blümchen, ist's auch noch so klein,
Von jeder Wonne glüht auch dir
Ein Schimmer in das Herz hinein.
Nur mußt du dich zufrieden gebe» . . .
Erzwingen läßt sich keine Lust . . .
Was dir von selbst nicht gibt das Leben,
Bleibt ewig ferne deiner Brust.
fj. Seidel.
(Um 12 Uhr Mittags.)
„ Puh — puh — diese Hitze — Carissimo, lassen Sie
uns jetzt ein wenig die Schattenseite aufsuchen. Aber da brennt
j ja die Sonne überall eselmäßig — !" — „Das ist eben noch
die Schattenseite meines Tusculums!"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Des Helden Besorgnis" "Die neue Anlage"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1870
Entstehungsdatum (normiert)
1860 - 1880
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 53.1870, Nr. 1318, S. 123
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg