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19

Ein modernes

„Struwwelpeter" las vr. Solms. Er sank von der Mauer
herab. Johanna, seine Gattin, nahm wieder seinen Arm. Der
alte Mann konnte fast nicht mehr gehen. Die Frau dachte
weiter nicht darüber nach, was ihrem Gatten geschehen sein
konnte. Sie kamen nach Hause, vr. Solms sank auf sein
Bett. Er sagte immer vor sich hin: „Commentar zu den
Systemen der Philosophie — Struwwelpeter!" Wohl hundert
Male wiederholte er diese Worte. Dazwischen rief er oftmals:

„Ich habe Nichts mehr zu thun!"

Am folgenden Tage lag er im hitzigen Fieber. Johanna
saß an seinem Bette. Ihr Mann schrieb nicht mehr, deßhalb
konnte sie nicht mehr nähen. Er redete zum ersten Male seit
langer Zeit, wenn auch nur in Phantasieen, von etwas Anderem
als seinem Philosophensystem; das zwang auch sein Weib,
seit langer Zeit zum ersten Male überhaupt etwas zu denken.

Der Kranke sah sich im Traume als Vater jener Kinder,
die der Struwwelpeter so fröhlich gemacht. Er nannte sie bei
den süßesten Schmeichelnamen und las ihnen aus seinem Com-
mentare vor. Die Kinder, denen er immer die liebreichsten
Worte zurief, waren so unendlich glücklich darüber! Und seine
gute Johanna saß ja auch dabei und strahlte vor innerer
Freude! Und er rief auch ihren Namen in schmeichelnden,
zärtlichen Tönen. Die arme Frau aber saß vor dem Bette
des Kranken und hörte die Liebesworte, deren Klang sie für
immer vergessen zu haben geglaubt. Der Zauberbann war
gelöst. Sie traten heraus aus dem Walde des bösen Geistes
zu Menschen. Aber was ihr ein Augenblick geschienen, war
ein ganzes Leben gewesen. Sie war alt und schwach geworden >
und kannte nichts mehr von den alten, veränderten Gestalten. >
Nur die Liebesworte des einst geliebten Mannes machten

Märchen.

wieder, wie damals, ihr Herz beglückt schlagen, und sie erfaßte
die fieberheiße Hand und küßte sie. Der Kranke rief: „Geliebte
Johanna!"

Ein gütiger Geist geleitete die irrende Seele zur ewigen
Ruhe, ohne daß sie noch einmal irdisches Wehe gelitten. Die
gute Johanna aber zehrte noch kurze Zeit von dem Schimmer
ihres neuerstandenen Glückes, dann kam auch sie zur Ruhe.

Alb. Moderich.

Die falsche Blume.

Es gingen zwei Gesellen
Auf grüner Flur einher;

Ein Mädchen ging mit ihnen.

Sie liebten's Beide sehr.

Der Eine, eifersüchtig.

Sucht bei den Blumen Rath,

Ob ihn sein Liebchen wirklich
Von Herzen lieb wohl hat?

Er geht voraus, indem er
Ein Gänseblümchen bricht.

Und zupfend spricht: „Sic liebt mich
Von Herzen — liebt mich nicht —"

Das Blümchen sagt „von Herzen",

Er schaut sich uni entzückt

Und sicht — wie sie den Andern

Durch einen Kuß beglückt. ,n. jinvtl).

3
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Ein modernes Märchen" "Die falsche Blume"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Wagner, Erdmann
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 70.1879, Nr. 1747, S. 19

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