Fliegende Blätter (75.1881 (Nr. 1875-1900))

108 Verrechnet.

(Adjutant v. Liliensteril begegnet in Civilkleidung seinem Oberst.)
— Adjutant (schnell gefaßt): „Entschuldigen, Herr Oberst, wo
wohnt denn der Adjutant b. Lilienstern, — ich bin sein Bruder."

Oberst: „Gleich hier an der Ecke." —

Oberst (des andern Tages beim Rapport): „Herr Adjutant,
wenn Ihr Herr Bruder Sie nächstes Jahr wieder besucht,
sperre ich Sic 30 Tage in Arrest."

Die Blumen.

Die Sonne scheint golden auf Wald und Au,

Sie badet ihr Äntlitz im Morgenthau.

Viel tausend Blümlein in Berg und Thal
Erblühen rings in der Sonne Strahl.

Und ein Kind, in den Blumen oersteckt bis zur Brust,
Erwacht und lächelt in seliger Lust;

Es pflückt sich die Blumen und jauchzt und lacht
Hinaus in des Frühlings goldene Pracht.

Die Blumen.

Wie spielt cs so selig im Sonnenschein,

Wie Blumen so lieblich, wie Blumen so rein!

*

* *

Die Jahre vergehen, das Kind wächst heran.

Wie lächelt ein Blümlein die Jungfrau an!

Und während das Blümlein sic pflücket, spricht
Sie leise das Wörtlein „Vergißmeinnicht."

Bald tritt als Braut sie vor den Altar,

Und duftige Blumen umwinden das Haar,

Und Blumen, gebunden im Kranz und im Strauß,
Sie schmücken den Einzug im eigenen Haus.

Und ob auch des Unglücks Nacht sic umzieht.

Noch manche Blume am Weg ihr blüht.

*

-t- *

Schwer tönet vom Thurmc der Glocken Schall.
Was wollen die duftenden Blumen all'

Im dunkeln Gemach? O, sieh' herein!

Wie selig schlummert Großmütterlein!

Wie liegt sie so friedlich, wie lächelt sie mild.
Von Blumen umrahmt — ein Engclsbild!

R. S.