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Gecdhe un Herr Engemann.
Momang tritt cnne hochc, wohlproborzionirliche Gestalt icwcr de
Schwelle in ä langten feinen Winderiewerrock, gclwen Glaco-
hanschuhen un ü funkelnagelneien Cylinderhude under'n Arme.
„Ich hawe wohl de Ehre mit Herrn Engemann?" —
„Jawohl", sag' ich, „un womit gann ich ufwarden?" —
„Herrnse, Herr Engemann," sagt er, „da hat ü Fremd von
mir in Erfahrungk gebracht, daß Sie sich in Ihren Mußestunden
mit der Anferdigungk von Stiefelhelzern abgewen." — „Jawohl,"
sag' ich, „die Sache is an dem." — „Hm, Herr Engemann,"
fehrt er zeegernd fort, „un cwen dieser Freind, von den ich Sic
wohl schonst sagde. der braucht un nothwendigerweise noch in
dieser Woche ä Baar neie Stiefelhelzer. Wirken Sie denn wohl
die Giede halven nn alles Nähere mit ihn berseenlich besprechen?"
Na, >var mcr bei seinen Eintridde schon cnne Ahnungt
ufgestiegen, da heert' ich doch nn vielmehr noch ans den gansen
Redcstile 'raus. Wen ich vor mer hadde. Un was das mit den
Fremde ser cnne Bewandniß hadde, das mußt' ich nie ooch.
„Warde awer", dacht' ich, „jetzt sollstc gerade noch a Weilichen
zabbeln." Gehe also an meinen Disch, ziehe den Schubgasten
ns un nehme ä langten Streefen Babier 'raus.
„Sehnse", sag' ich, „das is de Liste von allen den Leiten,
die alleweile Stiefelhelzer bei mcr bestellt Hamm. — Hier",
sag' ich, „der Geheime Bergrath von Humboldt — den seine
gehn icwermorgen nach Quido in Sied-Amerega ab. — Hier
Seine Gnaden unser dorchlauchdigster Ghnrfärscht in Drüsen —
muß mindestens noch acht Wochen uf seine warben! — Hier
der sranseesche General Ney (denn Marschall luorb'' er crscht drei
Jahre spcder) — lvenigstens noch fims Monade! — Un hier
gans unden der Forscht Mcddernich — vor ft halwen Jahre
gar gee Gedanke!"
„Hm", macht mci' Unbegannder nn schiddelt mit'n Gobbc,
„Sic scheinen mcr cnne rechde vornehme Gnndschaft zc hawcn,
Herr Engemann." — „Ja", sag' ich, „denn wie spricht der
Dichder? — Nur >ver den Besten seines Jahrhunderts genug
gedhan, der hat gelebt ser cw'ge Zciden." — Da verzog er
's Gesichde, sagde awer: „Gans Recht, das is ooch mci' Prinzip,
denn nur so gann mersch in der Welt wftrklich ze was Großen
bring'n." — „Jawohl", sag' ich, „denn wie spricht der Dichder?
— Es wächst der Mensch mit seinen grceßcrn Absichden", sag'
ich. Da verzog er 's Gesichde noch ärger, un cnne leise Recdhe
flog iewcr seine Backen. Awer er nickde trotzdem mit'n Gobbe
un sagde: „Nur gemeine Seelen werden so etwas nie begreifen
gennen." — „Jawohl", sag' ich, „denn ans Gemeinheet is
der Mensch gemacht und die . . ." — Da awer wurd' er krebs-
roth in Gesichde un rief: „Schiller! un immer wieder Schiller!
Schiller is ja gewiß gee schlechder Dichder, awer Sie dhnn doch
wftrklich mit Ihren Cidiren, Herr Engemann, als ob's gar
gcenen Geedhe uf der Welt gewcn dhede!" — „Ei", sag'ich,
„lebt denn der alde Herr ooch noch? Herrnse, der muß nn
awer schon sehre in de Jahre sin; denn ich dftchde, der hädde
sich schone enne ganse Zeit langt ausgeschriewen." — „Was?
ausgeschriewen?" brillt der Unbeganndc. „Herrnse, der wftrd
Sie in nächster Zeit den zweedcn Dheel von Faust in Angriff
nehmen — un das nennen Sie ausgeschriewen?!"
„Ach, geh'n Se mcr doch weg mit diesen Fauste!" sag' ich.
„Solche cefält'ge Liewesgeschichden bassircn ja alle Dagc, da
braucht mcr nich erscht ser acht Groschen in's Dheader ze loofcn.
Blos eens — nee, daß ich Gcedhcn nich Unrecht dhue! —
eens hat mer immer an seinen Fauste gefallen." — „Nu, un
das were?" fragt er ft bischen freindlicher. — „Das is die
prachtvoll-scheene Stelle (Sie erinnern sich vielleicht): MeiLeibzig
low' ich mir! Es is ft klcen Baris un bildet seine Leide." —
„Was? diese Wvrde lasse ich ja ft angczechdcn Sinkenden in
Auerbachs Geller sagen! Un gerade die ... ! Nee, das is
wftrklich zu gut! Hfthfthfthft!"
„Da giebt's gar nischt ze hfthähühcn!" ruf'ich; „hccrnsc,
aprobob Leibzig, da sin Se doch nf'n Holzwege. Wo giebt's
denn in Deitschland enne Stadt, die so cnne historesche Bcr-
gangcnhcet hat, als wie Leibzig? Wo giebt's denn in Eiroba
cnne Uneferschcdftt, als wie die in Leibzig? Wo wer'n denn uf
der gansen Welt so viele scheene Bicchcr gedruckt, als wie in
Leibzig? Un nn, hcernse, die Messen! Hat sich doch selbst Geedhe
als Student hier unden nf'n Dhomasser Gftrchhofe die scheen-
gebackenen fcddigden Krabbelchen gut schmecken lassen! Un dann
diese Bevelkerungk!" sag' ich. „Die Jndellegens der männlichen!
nn nn, was soll ich von der weiblichen nehmen? Hccrnsc, wenn
alleweile Geedhe hier were, der würde Sic sagen, daß nf'n
Brichl Nummer sonnsovicl dazemal . . . „Ja ja, sagt' ich, denn
ich merkde, daß mci' Gegner schone weech warde, „ja", sagt' ich,
„Geedhe hat gerade diese Morde ans seiner dicfstcn Jwer-
zeigungk 'raus geschriewen! Un wenn er sc gerade ft dorschdigen
Bruder in Mund legt . wie sagt da der gebildede Ladeiner?
In rvino kerickas!"
Gecdhe un Herr Engemann.
Momang tritt cnne hochc, wohlproborzionirliche Gestalt icwcr de
Schwelle in ä langten feinen Winderiewerrock, gclwen Glaco-
hanschuhen un ü funkelnagelneien Cylinderhude under'n Arme.
„Ich hawe wohl de Ehre mit Herrn Engemann?" —
„Jawohl", sag' ich, „un womit gann ich ufwarden?" —
„Herrnse, Herr Engemann," sagt er, „da hat ü Fremd von
mir in Erfahrungk gebracht, daß Sie sich in Ihren Mußestunden
mit der Anferdigungk von Stiefelhelzern abgewen." — „Jawohl,"
sag' ich, „die Sache is an dem." — „Hm, Herr Engemann,"
fehrt er zeegernd fort, „un cwen dieser Freind, von den ich Sic
wohl schonst sagde. der braucht un nothwendigerweise noch in
dieser Woche ä Baar neie Stiefelhelzer. Wirken Sie denn wohl
die Giede halven nn alles Nähere mit ihn berseenlich besprechen?"
Na, >var mcr bei seinen Eintridde schon cnne Ahnungt
ufgestiegen, da heert' ich doch nn vielmehr noch ans den gansen
Redcstile 'raus. Wen ich vor mer hadde. Un was das mit den
Fremde ser cnne Bewandniß hadde, das mußt' ich nie ooch.
„Warde awer", dacht' ich, „jetzt sollstc gerade noch a Weilichen
zabbeln." Gehe also an meinen Disch, ziehe den Schubgasten
ns un nehme ä langten Streefen Babier 'raus.
„Sehnse", sag' ich, „das is de Liste von allen den Leiten,
die alleweile Stiefelhelzer bei mcr bestellt Hamm. — Hier",
sag' ich, „der Geheime Bergrath von Humboldt — den seine
gehn icwermorgen nach Quido in Sied-Amerega ab. — Hier
Seine Gnaden unser dorchlauchdigster Ghnrfärscht in Drüsen —
muß mindestens noch acht Wochen uf seine warben! — Hier
der sranseesche General Ney (denn Marschall luorb'' er crscht drei
Jahre spcder) — lvenigstens noch fims Monade! — Un hier
gans unden der Forscht Mcddernich — vor ft halwen Jahre
gar gee Gedanke!"
„Hm", macht mci' Unbegannder nn schiddelt mit'n Gobbc,
„Sic scheinen mcr cnne rechde vornehme Gnndschaft zc hawcn,
Herr Engemann." — „Ja", sag' ich, „denn wie spricht der
Dichder? — Nur >ver den Besten seines Jahrhunderts genug
gedhan, der hat gelebt ser cw'ge Zciden." — Da verzog er
's Gesichde, sagde awer: „Gans Recht, das is ooch mci' Prinzip,
denn nur so gann mersch in der Welt wftrklich ze was Großen
bring'n." — „Jawohl", sag' ich, „denn wie spricht der Dichder?
— Es wächst der Mensch mit seinen grceßcrn Absichden", sag'
ich. Da verzog er 's Gesichde noch ärger, un cnne leise Recdhe
flog iewcr seine Backen. Awer er nickde trotzdem mit'n Gobbe
un sagde: „Nur gemeine Seelen werden so etwas nie begreifen
gennen." — „Jawohl", sag' ich, „denn ans Gemeinheet is
der Mensch gemacht und die . . ." — Da awer wurd' er krebs-
roth in Gesichde un rief: „Schiller! un immer wieder Schiller!
Schiller is ja gewiß gee schlechder Dichder, awer Sie dhnn doch
wftrklich mit Ihren Cidiren, Herr Engemann, als ob's gar
gcenen Geedhe uf der Welt gewcn dhede!" — „Ei", sag'ich,
„lebt denn der alde Herr ooch noch? Herrnse, der muß nn
awer schon sehre in de Jahre sin; denn ich dftchde, der hädde
sich schone enne ganse Zeit langt ausgeschriewen." — „Was?
ausgeschriewen?" brillt der Unbeganndc. „Herrnse, der wftrd
Sie in nächster Zeit den zweedcn Dheel von Faust in Angriff
nehmen — un das nennen Sie ausgeschriewen?!"
„Ach, geh'n Se mcr doch weg mit diesen Fauste!" sag' ich.
„Solche cefält'ge Liewesgeschichden bassircn ja alle Dagc, da
braucht mcr nich erscht ser acht Groschen in's Dheader ze loofcn.
Blos eens — nee, daß ich Gcedhcn nich Unrecht dhue! —
eens hat mer immer an seinen Fauste gefallen." — „Nu, un
das were?" fragt er ft bischen freindlicher. — „Das is die
prachtvoll-scheene Stelle (Sie erinnern sich vielleicht): MeiLeibzig
low' ich mir! Es is ft klcen Baris un bildet seine Leide." —
„Was? diese Wvrde lasse ich ja ft angczechdcn Sinkenden in
Auerbachs Geller sagen! Un gerade die ... ! Nee, das is
wftrklich zu gut! Hfthfthfthft!"
„Da giebt's gar nischt ze hfthähühcn!" ruf'ich; „hccrnsc,
aprobob Leibzig, da sin Se doch nf'n Holzwege. Wo giebt's
denn in Deitschland enne Stadt, die so cnne historesche Bcr-
gangcnhcet hat, als wie Leibzig? Wo giebt's denn in Eiroba
cnne Uneferschcdftt, als wie die in Leibzig? Wo wer'n denn uf
der gansen Welt so viele scheene Bicchcr gedruckt, als wie in
Leibzig? Un nn, hcernse, die Messen! Hat sich doch selbst Geedhe
als Student hier unden nf'n Dhomasser Gftrchhofe die scheen-
gebackenen fcddigden Krabbelchen gut schmecken lassen! Un dann
diese Bevelkerungk!" sag' ich. „Die Jndellegens der männlichen!
nn nn, was soll ich von der weiblichen nehmen? Hccrnsc, wenn
alleweile Geedhe hier were, der würde Sic sagen, daß nf'n
Brichl Nummer sonnsovicl dazemal . . . „Ja ja, sagt' ich, denn
ich merkde, daß mci' Gegner schone weech warde, „ja", sagt' ich,
„Geedhe hat gerade diese Morde ans seiner dicfstcn Jwer-
zeigungk 'raus geschriewen! Un wenn er sc gerade ft dorschdigen
Bruder in Mund legt . wie sagt da der gebildede Ladeiner?
In rvino kerickas!"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Geedhe un Herr Engemann"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1881
Entstehungsdatum (normiert)
1876 - 1886
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 75.1881, Nr. 1891, S. 130
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg