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Ganz, David
Medien der Offenbarung: Visionsdarstellungen im Mittelalter — Berlin, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.13328#0164
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6

Doppelbilder

Die innere Schau als Bildmontage

Ein Dispositiv, das wie prädestiniert dafür erscheint, die Dichotomie von äußerem und
innerem Blick zu visualisieren, ist das Diptychon, welches zwei Bildträger durch ein
Gelenk zu einer Einheit verbindet. Wolfgang Kemp, der die Aneignung der Diptychon-
form durch die frühchristliche Kunst nachgezeichnet hat, spricht von einem „Medium,
das [...] schon in seiner Objektform als ein elementar-differentielles System angelegt
ist."1 Neben dem Diptychon als selbständigem Trägermedium, wie es vor allem in
Elfenbeinschnitzerei und Tafelmalerei realisiert wurde, sind dazu auch die bebilderten
Einbände und Doppelseiten mittelalterlicher Manuskripte zu zählen. Im Verlauf des
Kapitels wird sich zeigen, dass es aus mehreren Gründen sinnvoll ist, diese von der
Forschung getrennt behandelten Phänomene gemeinsam zu betrachten.2 Außer dem
Mechanismus des Auf- und Zuklappens ist Doppelseiten, Einbänden und Diptychen
auch eine enge Allianz mit dem Medium Buch gemeinsam, die der Schlüssel für
spezifische Darstellungsstrategien des Visionären auf diesem Bildort ist.

Wer nach visionären Bildpaaren innerhalb des Korpus mittelalterlicher Diptychen
sucht, wird weit seltener fündig, als man dies zunächst vermuten könnte. Im ersten
Teil der Arbeit hat ein bestimmter Typus der Visionsdarstellung auf zwei Bildseiten
wiederholt eine wichtige Rolle gespielt: Der in der Initiale des Textanfangs stehen-
de Visionär blickt hinüber zu dem von ihm geschauten Visionsbild. Jenseits dieser
Bildlösung jedoch wird die Diptychonform so gut wie nie für die Darstellung offiziell
anerkannter und etablierter Visionserfahrungen fruchtbar gemacht.3 Womit wir uns im
Folgenden beschäftigen werden, sind „komposite" oder „konstruierte" Visionsbilder:
Bildgegenstände, die erst infolge ihrer Anordnung auf den beiden Flügeln des Dipty-
chons zur Darstellung einer visionsähnlichen Erfahrung werden.

6.1 Re-Visionen

Die Maiestas im Blick

Wenn es für unsere Frage so etwas wie einen Kristallisationskern gibt, der immer
wieder zu visionären Bildpaarungen anregen konnte, dann war dies im Frühmit-
telalter das neue Bildformular der Maiestas Domini. Bekanntermaßen handelt es
sich um einen synthetischen Bildtypus, der Elemente mehrerer biblischer Visions-
 
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