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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

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Helferich, Herman: Adolf Hildebrand
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https://doi.org/10.11588/diglit.10736#0254

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i. April 1891

VI. Jahrgang. Heft iz

—r- tzerau^gegebrn von Friedrich Pecht

„Tie Kunst für Alle" erscheint in halbmonatlichen Heften von 2 Bogen reich illustrierten Textes und 4 Bilderbeilagen in Umschlag geh. Abonnementspreis im
Buchhandel oder durch die Post Meichspostverzeichnis Nr. SS17, bahr. Verzeichnis Nr. 406, k. u. k. östr. Zeitungsliste Nr. I5gz> 3 Mark 60 Ps. sür das Vierteljahr

l6 Hefte); das einzelne Hest 7S Ps.

Adolf Gildebraiid

von Hermall Helferich

vergessen wir Paris. Vergessen wir die Boulevards. Vergessen wir den Salon,
das Champs de Mars, wie den Jndustriepalast, welche alljährlich die An-
strengungen des nachwachsenden Geschlechts, das den früheren gefolgt war und von
ihnen gebildet worden ist, einem kunstsinnigen oder, sagen wir, an Kunst gewöhnten
Publikum vorführen. Stellen wir uns Deutschland vor, wie es vor Jahrzehnten
war: keine Malerei um der Malerei, keine Plastik um der Plastik willen. „Historien"-
Malerei dort und „Denkmäler"-Plastik hier. Ganz kurze Zeit erst besitzt Deutschland
eine künstlerische Kunst: sie hatte ihre Wurzeln, oder weniger sinnbildlich gesprochen:
sie hat ihre Studien gemacht in den Ateliers der Pariser Welt. Denken wir jedoch
etwas weiter zurück, da gab's in Deutschland keine Kunst, welche lebte oder welche
zn leben anfing; vielmehr existierte nichts als eine überjährige, nicht leben könnende
in alten deutschen Kunststücken, und damals sehnte sich, wer wünschte, Großes zu
sehen, in die Vergangenheit zurück nach Italien.

Eine Plejade von Künstlernaturen. Die Galerie des Grafen Schack in
München ist ihr Hanpttempel. Wer nach München kommt, besucht diese Galerie;
wer in München lebt, und er geht an der Galerie nur vorbei, empfindet, was sie der deutschen Kunst bedeutet
hat. Sie enthält ein Stück deutscher Kunstgeschichte, und ist einer Zeit großartigen Aufschwunges im Geiste,
Gefühles wieder dafür, worauf hinzuarbeiten sei, wirklicher Unterkunftsort.

Mit Bleistiftideen über die Kunst fing die Richtung an: Genelli! Wie weit sind wir von ihm
entfernt! Was sagt uns noch seine Europa! was sagen uns seine Linien! Dennoch ein Ringen, nach dem
Bilde der Alten groß und bedeutend zu sein; Lenbach ist skeptischer und raffinierter, er glaubt nicht an den
Bleististspuk, glaubt nicht, daß mit solchen Kompositionen etwas zu erreichen sei,'und der geschmeidige, glänzende
Techniker, der er ist, macht er sich daran, den Geist der alten Malerei wiederzugeben, indem er sie kopiert, als
ihr Nachbildner in Ol. Man hat mir gesagt, diese Kopien sind nicht ganz und gar treu gewesen. Auch sie
von einem gewissen Hauche berührt, dem Hauche dieser Zeit der Heyseschen Renaissancefrende... Lenbachs
Kopien — hat man mir gesagt — verhalten sich zu ihren Originalen etwa, wie deutsche Verse, die als Über-
setzung ausländischer Prosa gemacht sind und die, weil sie Verse sind, so natürlich fließen und so überaus
wohllautend anmuten, daß man den Eindruck gewinnt, als wären es Übersetzungen von sehr treuer Ähnlichkeit,
denn vom Übersetzungszwang nimmt man, wegen ihrer gehobenen Sprache, wegen ihres Rhythmus, nichts
wahr. .. Doch gleichviel! Lenbach, dem die Gabe des Komponierens versagt war, kopierte die Alten in Öl.
Das hatte Böcklin nicht nötig, welcher komponieren und zugleich — und wie! — malen konnte. Seine
wunderbaren Werke, in welchen das Alte gleichsam die Sprache ausmacht und neue Ideen ihr Inhalt sind —
neue alte Ideen, das Altertum neu gesehen, schöne Hirtinnen am Wiesenrain, nackte Knaben ein Hirtenlied
singend, Villen mit Blumen im Gras, und Putten, die im Gras sich wälzen oder das Dickicht eines geheimnis-
vollen Haines, in dem ferne ein Wasser blinkt und an dessen Eingang ein Einhorn die Wache hält, seine
wunderbaren Werke, Gegenstände, modernem Geiste aus den Vorstellungen der alten Kultur erwachsen, finden
sich in dieser Reihe von Bildern, welche man bei Schack betrachtet und die man dann an Nachmittagen der Muße
historisch begreift und ästhetisch genießen kann. Matt, an Böcklin gemessen, ist Feuerbach. Edel, jawohl; niemals

Die Kunst für Alle VI. 25

Adolf Hildebrand
 
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