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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0110

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Die Duldsamkrit der Väter.

Ä)it Wehmut gedenk' ich der schönen Tage, wo noch die milde
Luft kirchlicher Duldsamkeit in der badischen Heimat wehte und die
Gebote der Bergpredigt höher standen, als die Dogmen der Konfessionen.
Jn meiner Erinnerung hebt sich der Glaubensfriede der Väter wohl-
thuend ab von dem wilden Gezänk und Fanatismus der Gegenwart.
Eine Union der evangelischen Bekenntnisse, wie sie damals in Baden
nnd in Preußen durchgeführt wurde, wäre heute nicht ausführbar.
Centrnm und Antisemiten waren noch unbekannte politische Parteien,
an den beiden Hochschnlen wurde noch kein Jude grundsützlich von
den Studentenverbindungen ausgeschlossen, schon der Gedanke kon-
sessioneller, evangelischer oder katholischer Verbindungen wäre demHohne
der Gesamtheit verfallen gewesen. Noch immer wirkten Priester aus der
Schnle der Sailer, Wessenberg und Hirscher in der katholischen Kirche
und das flammende Zeichen des Syllabus hing noch nicht am Himmel.

Aus dieser guten alten Zeit wird in Karlsruhe erzählt, daß
man nichts Arges darin fand, wenn in den Räumen der dortigen
Mnsenmsgesellschaft Hebel, der Prälat der evangelischen Landeskirche,
der katholische Dekan und der Stadtrabbiner eine Whistpartie zu-
sammen spielten. Nur damals konnte man die wundersame Geschichte
von den zwei Pfarrern im badischen Oberland für glaublich halten,
die sich innig befreundeten, obwohl der eine den evangelischen Glauben
bekannte und der andere den katholischen. Jn Liebe und Sanftmut
belehrten sie einander mit so gutem Erfolge, daß der evangelische
katholisch und der katholische evangelisch wurde.
 
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