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Schmarsow, August
Grundbegriffe der Kunstwissenschaft: am Übergang vom Altertum zum Mittelalter kritisch erörtert und in systematischem Zusammenhange dargestellt — Leipzig [u.a.], 1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.15210#0071
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V.

DIE DREI GESTALTUNGSPRINZIPIEN
SYMMETRIE UND PROPORTIONALITÄT

Bei der begrifflichen Analyse der Gestaltungsprinzipien, die
sich in der Ornamentik ausbilden und von hier in das künstlerische
Schaffen weiterdringen, muß ganz besonders daran festgehalten
werden, daß es sich um Gestaltung vom Menschen aus und für
Menschen handelt. Mag die mimische Ausdrucksbewegung oder
die praktische Hervorbringung zuerst ins Auge gefaßt werden, d. h.
die Entstehungsursache dort, die Gelegenheitsursache hier das Inter-
esse auf sich ziehen, immer ist die Betätigung des Menschen mit
seinen Händen die Hauptsache und dabei die Mitwirkung seiner
Arme, seiner Beine und seiner Augen vor allem zu berücksichtigen.
Im unmittelbaren Umkreis seines Tastraumes oder in der Verschie-
bung dieser Sphäre von Ort zu Ort müssen wir die nächstliegende
Erklärung suchen, spät erst auf dem Sehfelde in weiterer Entfer-
nung. Den Bereich des Tastbaren und des Sichtbaren sollten wir
aber vorerst gar nicht verlassen.

Wir wissen ja freilich, daß der Mensch dem, was er Raum
nennt, überhaupt nur beizukommen vermag, indem er die zeitliche
Vorstellung auf die räumliche Anschauung überträgt. Aber wir
wissen auch ebenso, daß er dem, was er Zeit nennt, nur mit Hilfe
räumlicher Grüßen beikommen kann. Bewegung und Beharrung
sind die menschenmöglichen Annäherungen an die beiden Extreme.
Für die schöpferische Auseinandersetzung mit der Außenwelt sind
die Erlebnisse am eigenen Leibe das Maßgebende; sie sind es so
sehr, daß es gewagt, ja verkehrt erscheint, auch nur die verfeinerten
Fähigkeiten des Gehörs zur Erklärung herbeizurufen. Es kommt zu-
nächst auf so viel derbere handgreifliche Unterschiede an, daß selbst
der Augenschein uns schon zu leicht verleitet, die willkommene
Auskunft bei ihm allein zu suchen, weil wir modernen Menschen
sie dort geläufig haben und gewöhnt sind, sie dort zu finden.

Unter den Bewegungen des Menschen ist natürlich die des
 
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