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Schmarsow, August
Grundbegriffe der Kunstwissenschaft: am Übergang vom Altertum zum Mittelalter kritisch erörtert und in systematischem Zusammenhange dargestellt — Leipzig [u.a.], 1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.15210#0132
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IX.

DIE FARBEN ALS KUNSTMITTEL
POLYCHROME UND KOLORISMUS. FARBENRHYTHMUS

Außer den tastbaren Eigenschaften haben die Naturdinge, die
wir zum Schmuck und Zierat verwenden, noch solche, die nur das
Auge wahrzunehmen vermag. Nicht allein durch die Form unter-
scheiden sie sich voneinander, sondern auch durch die Farbe des
Stoffes, aus dem sie bestehen, oder des Kleides wenigstens, das sie
mitbringen. Da mag die Wissenschaft uns heute darüber aufklären,
daß die Farben eigentlich nur Empfindungen sind, die vom Lichte
in uns hervorgerufen werden: der natürliche Mensch schreibt sie
immer den Körpern zu, von denen sie zu uns dringen; und wo sie
in enger Verbindung mit den tastbaren Eigenschaften der Körper
auftreten, da sprechen wir auch in der Kunstlehre von der Natur-
farbe des Dinges oder (mit Helmholtz) von Körperfarbe.

Die Wissenschaft bringt uns allmählich zu der Erkenntnis, daß
alle Farben, die wir unterscheiden, nur einzelne Stufen in einer
Reihe von Empfindungen sind, die sich mit der Schwingungsdauer
des Lichtes fortwährend verschieben. Sie sagt uns, daß die läng-
sten der für uns sichtbaren Schwingungen die Empfindung Rot
erzeugen; dann folge Orange, dann Gelb, dann Grün, dann Blau
und endlich Violett. Dem natürlichen Menschen gilt nur das Er-
lebnis solcher Verschiedenheit, mag er auch gar nicht imstande
sein, alsbald die ganze Reihe dieser Qualitäten auseinanderzuhalten,
sondern lange noch an einer kleinen Zahl leicht unterscheidbarer
Tinten genug Abwechslung haben. Später, wenn die genannte
Reihe vollständig ausgebildet ist, fügen wir zwischen Violett und
Rot wohl gar noch Purpurfarben ein und schließen damit den Kreis
unserer Farben in sich ab, ohne uns durch den Einwand des Phy-
sikers stören zu lassen, es gebe gar kein einfarbiges Licht, das
uns die Empfindung Purpur zu erzeugen vermöchte. Kommt die
Wirkung auch nur durch Lichtgemenge zuwege, sie selbst ist eine
 
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