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Schmarsow, August
Grundbegriffe der Kunstwissenschaft: am Übergang vom Altertum zum Mittelalter kritisch erörtert und in systematischem Zusammenhange dargestellt — Leipzig [u.a.], 1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.15210#0100
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VII.

DIE DREI GESTALTUNGSPRINZIPIEN
RHYTHMUS

Der letzte Gegensatz in der zentralen Symmetrie um ein Mal
als eingerahmten Wert, und damit die Wirksamkeit einer solchen
Erscheinung, beruht nicht sowohl auf der begrifflichen Antithese
von Einheit und Vielheit, sondern auf dem lebendigen Kontrast
von Beharrung und Bewegung. Das Mal beharrt, während die
kreisende Schar sich bewegt. Durch sein festes aufrechtes Da-
stehen im bunten Wechsel der Umgebung wird es zur Dominante,
selbst im mannigfaltigsten Widerspiel zentrifugaler und zentripetaler
Bestrebungen, ja mitten im unaufhörlichen Umlauf der wogenden
Menge. Das bevorzugte, als überragender Wert anerkannte Indi-
viduum beansprucht bleibende Bedeutung und erhält sie eben
durch die vorübergehende Wandelbarkeit des Reigentanzes. Die
transitorische Gültigkeit als ein Ereignis löst auch hier natürlich
die konstitutive Gültigkeit als System ab, sowie sich unsere Auf-
merksamkeit durch den Fluß der Bilder mit fortreißen läßt. Und
dies geschieht vorzugsweise durch die Kreisform, die überall gleich-
mäßig weitergleitet und umschwingt, während die Einstellung we-
niger fester Punkte die Bewegung hemmt, die Verw;indlung der
Kreissegmente in gerade Linien vollends das Ganze zum Stillstand
bringt, wie der Übergang vom Kreise zum Polygon und zum Qua-
drat uns sogleich fühlbar macht. Da steht das System fest.

Folgen wir dem Zuge der Peripherie, so sind wir bald im
vollen Gange des Geschehens, mitten im Verlauf der Zeit. Was
alle verschiedenen Erscheinungen der Symmetrie und Proportio-
nalität in dieser alternierenden Reihe verkettet, eben die Reihung,
die durchgehende Succession, bedingt nun abermals ein Gestaltungs-
prinzip, das der Bewegungseinheit gerecht zu werden vermag.
Schon an zwei Stellen vorher hätten wir es mit seinem vollen
Namen einführen können. Einmal, wo Semper sich mit dem Prin-
 
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