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Wiegand, Theodor [Hrsg.]
Palmyra - Ergebnisse der Expeditionen von 1902 und 1917 (Text) — Berlin, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.1808#0114
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Abb. 140. Steinkonsolc und Pilastakapitell aus der Sturzlage der Frontwand des Fahnenheiligtums

XII. ZUR BAUINSCHRIFT DES LAGERS

Bestimmend für die Deutung der oben beschriebenen Ruinen als Militärlager ist offenbar die Inschrift CIL III. 133 ( = 6661,
Wood 2626) gewesen, welche „auf dem Türsturz der Zella" steht und die Gründung von „castra" durch die Kaiser Diocletian
und Maximian und die Caesaren Constantius und Maximianus bezeugt. Ohne diese Inschrift wäre man wohl nicht ohne weiteres
auf den Gedanken gekommen, in den Bauresten ein Lager zu erkennen. Gewiß ist zuzugeben, daß das „sacellum" C mit den
begleitenden „scholae" E E E E und der davor gelagerten langen Halle B und dem großen Hof A, den ich lieber „forum" als
„atrium" nennen möchte, eine gewisse Ähnlichkeit mit den analogen Teilen der Praetorien von Lambaesis und anderer Lager
hat, besonders, wenn man, wie Krencker will, den inneren Hof B vom Lambaesis auch vielmehr als überdeckte Halle ansieht,
was hier nicht weiter untersucht werden kann.

Aber die Lage dieses Praetoriums von Palmyra im „Lager" ist von der aller anderen analogen Bauten völlig verschieden.
Überall, bei allen bisher bekannten Truppenlagern, großen und kleinen, Zweilegionslagern, Legionslagern und Hilfstruppen-
kastellen liegt das „Praetorium" also das Hauptgebäude, welches unter anderem das sacellum enthält, verständlicherweise
beherrschend in der Lagermitte unmittelbar an der via principalis, mitten zwischen den übrigen principia, die sich seitlich
sowie vor und hinter dem Praetorium an dieses anschließen1). Es hat diesen Platz ganz offenbar nicht nur infolge seiner Be-
deutung als beherrschender Lagermittelpunkt, von dem die ganze Kommandogewalt ausgeht, sondern auch deshalb, weil
es an dieser Stelle den sichersten Schutz durch die umliegenden Offizierwohnungen und Mannschattskasernen für seinen ideell
und materiell wertvollen Inhalt: die Fahnen und Götterbilder, die Archive, die Soldatenkasse, die in den armamentaria aufbe-
wahrten blanken Waffen der ganzen Besatzung usw. genießt.

Hier in Palmyra finden wir dagegen das „Praetorium" von der via principalis durch zwei 50 m lange insulae Q getrennt, deren
Inhalt wir leider nicht kennen, die aber mit dem „Praetorium" nichts mehr zu tun haben dürften, und die durch eine breite
westöstliche Säulenstraße voneinander getrennt sind, welche mit der sog. via principalis ein mit einem Tetrapylon geschmücktes
Straßenkreuz bilden. Und es hat fast den Anschein, als ob das „Prätorium" ganz an das westliche Ende des „Lagers" gerückt
wäre, denn „auf dem steilen Abhang hinter dem Fahnenheiligtum fanden sich keine Lagerspuren" (s. oben Baubeschreibung
von Krencker S. 2) und „auf eine porta decumana scheint nichts hinzuweisen" (ebenda S. 5). Demnach wäre also das Fahnen-
heiligtum anscheinend schutzlos von einem Abhang überhöht, eine militärisch eigentlich ganz unmögliche Annahme. Es kommt
dazu, daß von den sonst den Hof A einfassenden Waffenkammern bisher nichts festgestellt, auf seiner Ostseite auch wohl
sicher niemals etwas vorhanden gewesen ist.
Wenn man also zunächst von der Bauinschrift absieht, so ist es sehr begreiflich, daß gelegentlich an eine andere Deutung,

l) Ich möchte doch dem großen Mittelbau der Standlager entgegen v. Domaszewski (Die Principia des röm. Lagers, Neue Heidelberger Jahrb. IX. S. 141 ff.) den
Namen Praetorium zurückgeben. Das Praetorium ist offenbar der vornehmste Teil der principia, bezeichnete ursprunglich das in der Lagermitte gelegene Feld-
herrnzelt des Marschlagers, und ist dann beim Standlager auf das an dessen Stelle getretene offizielle Zentralgebaude des Lagers, in welchem der Feldherr, gleich-
gültig ob er Legionslegat oder selbständiger Fuhrer einer kleineren Abteilung war, seine offiziellen Amtshandlungen, namentlich die Opfer, verrichtete, übertragen
worden. Die Wohnungen der Kommandeure lagen, wie jetzt Vetera deutlich zeigte, bei den immer höheren Ansprüchen an Wohnluxus, den die Standlager mit sich
gebracht haben, nicht in der Mitte des Lagers, sondern in nächster Nachbarschaft des Mittelbaues. Die von Domaszewski a. a. O. S. 145 t. angeführten Stellen lassen
sich mit dieser Auffassung durchaus vereinigen. S. auch Flavius Josephus de bello Iudaico III, 5, 2: ()Vfj.ozo/xovGi d'tvdia&izoji; tto~w zo ozyazöntduv, xal
/ttou«; piv zuq xwv ^yt/iovojv tixijvug zltitvzai, fitoaizazor ä't xovzwv zo GXQazijyiov vaw napanh'jOtoi1, ujontQ <5t tv a/jdlw nöXig xal äyogü zig
anootixvvzat xal ytiQoztyvaiq ywgiov üwxm zf loyayotQ xal za^taQXOtq, bmg dtxä^mev, fl'zivec dtcuphQOivzo. Auch die Lagerbeschreibung des sog.
Hygin setzt das Praetorium in der Mitte an der via principalis an (ed. v. Domaszewski S. 8. 129 v.) und die via praetoria, die zur porta praetoria führt, hat nach
dem Praetorium ihren Namen (ebenda S. 9). Es wäre schwer begreiflich, wie sich das erhalten hatte, wenn das Mitteigebaude seinen Namen praetorium in prin-
cipia verändert hatte.
 
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