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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 30.1936

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Schönbaumsfeld, Elfriede: Die ästhetische Kontemplation in der Weltanschauung Eduard Stuckens
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https://doi.org/10.11588/diglit.14193#0276
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Bemerkungen

Die ästhetische Kontemplation in der Weltanschauung

Eduard Stuckens

Von

Elfriede S c h ö n b a u m s f e 1 d

Nimmt — abgesehen von seiner Auswirkung im Schöpferischen — das Ästhetisch-
Künstlerische in dem Künstler eine solche Richtung, daß es schon sein Erleben der
Welt durchtränkt, so wird seine Weltanschauung, die uns als Fundament seines
Werkes in dessen Gehalt gegeben ist, alle jene Züge tragen, die auf ein vorwiegend
ästhetisches Weltbild schließen lassen. Künstlertum formt das Weltbild — es ist viel-
leicht in um so höherem Maße so, wenn einerseits die schöpferische Kraft nicht ganz
so groß ist, und wenn andrerseits die Umwelt einem solchen ästhetischen Weltbild
fernsteht. Als Rückschlag gegen eine naturalistisch-wissenschaftlich denkende Welt,
als Flucht aus dem Alltag in ein erträumtes Reich bleibender Schönheit erscheint es
dann als eine jener Lebensformen, wie sie z. B. um 1900 im Gegensatz zur herrschen-
den Weltansicht mitunter fast reines Ästhetentum verkörperten.

Ein solches vorwiegend ästhetisches Weltbild — frei von allen religiösen, doch
durchsetzt mit ethischen Zügen — ist auch das des am 8. März 1936 verstorbenen
Dichters Eduard Stucken, das in jener Zeit grundlegend geformt wurde. Wesenswich-
tige Züge ästhetischer Weltanschauung, wie sie immer wieder zu dem charakteristi-
schen Profil einer solchen gestaltend beitragen, lassen sich auch im Werk des Dich-
ters nachweisen:

So erscheint, während in einem religiös metaphysischen Weltbild der Begriff eines
persönlichen Gottes im Mittelpunkt steht, in einem ethischen das Wesen der Welt als
Gerechtigkeit und Liebe erkannt wird, in einem ästhetischen als oberstes Prinzip das
der Schönheit, der Harmonie. Betrachtet unter ästhetischem Gesichtswinkel und in
seinem Aufbau begründet durch ästhetische Motive wird in einem solchen System das
All selbst zum Kunstwerk. Der Urgrund der Welt, in dem ihr Dualismus — die
Antithese von Geist und Materie oder ethisch gefaßt von Gut und Böse — zur Ver-
söhnung kommt, wird auch bei Stucken als höchste Schönheit, als Harmonie erkannt,
in der alle Gegensätze des Alls in Eins klingen, ja die erst durch das Zusammen-
klingen der Gegensätze ermöglicht wird.

Mit der Ästhetisierung des Weltalls geht die der Natur Hand in Hand. Einer-
seits Gegenstand der ästhetischen Betrachtung, ist sie andrerseits, aufgefaßt als nach
künstlerischem Planen wirkende Kraft, selbst künstlerisches Prinzip.

Eines der wichtigsten Kriterien ästhetischer Weltanschauung ist die Auffassung
der Kunst. Notwendig muß sie in einem solchen Weltbild den höchsten unter allen
Lebenswerten bilden. Denn, wenn deren Einschätzung nach den Kategorien
„schön" und „häßlich" erfolgt, wird das Gebiet, dem eine solche Wertung von vorn-
 
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