Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 110
Nicolaus de Lyra, Postilla super quatuor Evangelia
Pergament, Papier · 1, 215, 1 Bll. · 35,8–36,0 × 26,7–26,9 cm · Oberitalien (Verona?) · 14. Jh. letztes Viertel (um 1379)
- Schlagwörter (GND)
- Bibel / Neues Testament / Liturgie / Exegese.
- Entstehungsort
- Oberitalien (Verona?).
- Entstehungszeit
- 14. Jh. letztes Viertel (um 1379) . vgl. zur Datierung Pal. lat. 112.
- Typus (Überlieferungsform)
- Codex.
- Beschreibstoff
- Pergament (Vor- und Nachsatzbl. aus Papier).
- Umfang
- 1, 215, 1 Bll.
- Format (Blattgröße)
- 35,8–36,0 × 26,7–26,9 cm.
- Zusammensetzung (Lagenstruktur)
- (I-1)1a + 26 IV208 + (IV-1)215 + (I-1)216*. Regelmäßige Abfolge von Quaternionen, bis auf die letzte Lage, die nur sieben Bll. umfasst. 1a bildet mit dem Vorderspiegel ein Doppelbl., 216* bildet mit dem Hinterspiegel ein Doppelbl.
- Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
- Römische Foliierung des 17. Jhs. (1–215); das moderne Vor- und Nachsatzbl. sind nicht gezählt, daher wird hier bei der Beschreibung die Zählung der Digitalisate übernommen. Lagenreklamanten, mit Zierstrichen und Fleuronné.
- Zustand
- Im Wesentlichen sehr gut erhalten. Stellenweise leichte Bräunungen; zum Teil lassen Haar- und Fleischseiten gut unterscheiden. Vereinzelt ist das Pergament minimal durchscheinend. An wenigen Stellen ist die Tinte leicht berieben und verblasst.
- Schriftraum
- 25,6–26,2 × 17,0–17,7 cm.
- Spaltenanzahl
- 2 Spalten.
- Zeilenanzahl
- 48 Zeilen.
- Angaben zu Schrift / Schreibern
- Qualitätvolle Schrift; ob mehrere Hände beteiligt waren, lässt sich auf Grund der schulmäßig geschriebenen Schrift nicht entscheiden. Nach Drös, Vat. Pal. lat. 110, S. 53, befindet sich jedoch auf 36v–37r (1. Zeile) „eine deutlich eckiger und sehr eng geschriebene gotische Minuskel, die eher nach Deutschland als nach Italien weist“.
- Buchgestaltung
- Zweispaltige Anordnung des Textes. Die Anfänge der biblischen Bücher – sowohl Prologe als auch Text – werden durch historisierte Initialen und Bordürenrahmungen kenntlich gemacht; die Kapitelanfänge sind hervorgehoben durch alternierend rote und blaue Lombarden mit zum Teil üppigem Fleuronné in Rot sowie der Kapitelzählung in Rubriken. Die kommentierten Bibelstellen sind im Text zitiert, durch Unterstreichungen und rote und blaue Paragraphzeichen kenntlich gemacht. - Abschnitte innerhalb des Kommentars durch Satzmajuskeln mit üblichen Rubrizierungen hervorgehoben. Seitentitel in alternierend rot-blauer Unzialis. Die Anweisungen für den Rubrikator sind nahezu durchgängig erhalten.
- Buchschmuck
- Historisierte Initialen auf schwarz konturiertem, poliertem Goldgrund; den ganzen Schriftspiegel einrahmend, ein Bordürenstab mit mehrfarbigen Profilblättern und Blütenkelchen. Vom Blattwerk eingeschlossen sind menschliche Gesichter, Putti und Tiere sowie auf 1r das Wappen der Familie della Scala: Auf dem Fußsteg ein rechteckig gerahmtes Vierpassfeld, darin ein Vollwappen: in Rot eine fünfsprossige silberne Leiter; Helmzier: ein geflügelter und gekrönter Brackenrumpf mit Stachelhalsband, flankiert von den Initialen A und N; links und rechts daneben jeweils der einfache Wappenschild.
- Nachträge und Benutzungsspuren
- Wenige Korrekturen, Ergänzungen und Anmerkungen im Wesentlichen von einer Hand; Unterstreichungen. Merkzeichen und Maniculae. Verschiedentlich Korrektur der Kapitelanfänge durch die Glossator-Hand.
- Einband
- Römischer Einband zwischen 1623 und 1626: grünes Pergament über Pappe; Wappen Papst Urbans VIII. auf dem Vorderdeckel, auf dem Hinterdeckel Wappen des Kardinalbibliothekars Scipione Cobelluzzi. Rücken zwischen 1846 und 1853 erneuert, mit goldgeprägtem Wappen Papst Pius’ IX. und des Kardinalbibliothekars Luigi Lambruschini sowie schwarz-grünem Rückenschild. Vgl. Schunke, Einbände 2.2, S. 817.
- Provenienz
- Oberitalien (Verona?) / Heidelberg.
- Geschichte der Handschrift
- Vorderspiegel mit Signaturschildchen. 1r mit Capsa-Nummer und Allacci-Signatur: C. 138 / 416. und der aktuellen römischen Signatur. Die Handschrift ist im letzten Viertel des 14. Jh.s im Umfeld der Herren della Scala in Oberitalien entstanden, worauf die Wappen hinweisen (1r). Womöglich ist Verona als Entstehungsort der Handschrift anzunehmen, wenn man sie in Schrift und Ausstattung mit Pal. lat. 99 vergleicht, die nach einem Vermerk im Explicit wohl in Verona entstanden ist. Auftraggeber war vermutlich Antonio I. della Scala († 1388), wie die Initialen A und N beim Wappen deutlich machen. Es ist wohl nicht Antonio II. († nach 1412), den Harald Drös, Vat. Pal. lat. 110, S. 58–60, als Auftraggeber bzw. Adressat der Hs. ins Spiel bringt, da der gleichartig ausgestattete, mit demselben Wappen versehene Codex Pal. lat. 112 am 30. April 1379 fertiggestellt wurde (292r). Drös, der eher einer Zuweisung an Antonio II. zuneigt, plädiert daher auch für die Entstehung der Handschrift in Venedig, wo Antonio mit seinem Vater Guglielmo und seinen Brüdern lebte. Stellt man dagegen die Ähnlichkeit der vorliegenden Handschrift mit Pal. lat. 99, einer weiteren Scaligerhandschrift, in Rechnung, die einen Verweis auf Verona als Entstehungsort enthält, so erscheint es wahrscheinlicher, dass auch Pal. lat. 110 in Verona entstanden sein dürfte. Über genealogische Zusammenhänge gelingt es Drös, S. 60, auch, das spätere Schicksal des Codex und dessen Übertragung nach Heidelberg nachzuzeichnen – vorausgesetzt allerdings, Antonio II. war Adressat der Handschrift. Nimmt man dagegen Antonio I. als Auftraggeber an, was wohl nach den gemachten Aussagen als wahrscheinlicher gelten muss, bleibt der Weg der Handschrift nach Heidelberg weiterhin unbekannt.
- Literatur
- Harald Drös, Vat. Pal. lat. 110 – eine
Scaligerhandschrift, in: Miscellanea Bibliothecae Apostolicae Vaticanae V:
Palatina Studien, hrsg. von Walter Berschin (Studi e testi
365), Città del Vaticano 1997, S. 53–60; Ausst.-Kat. Palatina, S. 42; OVL, Pal.lat.110; Schunke, Einbände 2.2, S. 817; Stevenson, Latini, S. 16.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur
1) 1ra–215rb
- Verfasser
- Nikolaus von Lyra (GND-Nr.: 119238683).
- Titel
- Postilla super quatuor Evangelia.
- Angaben zum Text
- (1. 1ra–81va) Mt mit Prologen.
Stegmüller, RB 5896. (2. 82ra– 99rb) Mc mit Prolog.
Stegmüller, RB 5897. (3. 99va–138vb) Lc mit Prolog.
Stegmüller, RB 5898. (4. 139va–215rb) Io mit Prolog. Stegmüller, RB 5900.
Edition: Nicolaus de Lyra, Postilla super totam Bibliam IV: Evangelium Mathei – Evangelium Johannis, Straßburg 1492, ND Frankfurt 1971 (GW 4292). Vgl. zu weiteren Editionen: 2VL 6, Sp. 1118.
1ar–v leer.
139r, 215v–216*v leer.
- Rubrik
- 1ra ›Jncipit prologus magistri Nycolai delira [!]. Super euangelijs sancti Mathei etc.‹
- Incipit
- 1ra Quatuor facies uni Eze. 1 [Ez 1,6] Secundum quod scribit beatus Gregorius …
- Explicit
- 215rb … Finis ad est operis mercedem posco laboris / Dum per aquas ui no requiei et me do.
- Edition
- s. Angaben zum Inhalt.
- Bearbeitet von
- Dr. Uli Steiger, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2024.
Zitierempfehlung:
Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 110. Beschreibung von: Dr. Uli Steiger (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2024.
- Katalogisierungsrichtlinien
- Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.
Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.