Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 140

Alanus ab Insulis, Distinctiones dictionum theologicarum

Pergament, Papier · 2, 190, 1 · 33,2 × 23,1–23,4 cm · Schönau im Odenwald · 1. Viertel 13. Jh.


Schlagwörter (GND)
Bibel / Bibelauslegung.
Entstehungsort
Schönau im Odenwald.
Entstehungszeit
1. Viertel 13. Jh.
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Pergament, Vorsatzbll. Papier (1a, 191*).
Umfang
2, 190, 1.
Format (Blattgröße)
33,2 × 23,1–23,4 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
(I-1)1a + (IV+1)8 + 22 IV184 + III190 + (I-1)191*. 1a bildet mit dem Vorderspiegel ein Doppelbl., 191* bildet mit dem Hinterspiegel ein Doppelbl. Bl. 2a ist ein altes Vorsatzbl. und wurde beim Neueinband vorne an der ersten Lage befestigt.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
Tintenfoliierung, Rom 17. Jh. (1–190). Bei ungezählten Bll. folgt die Zählung dem Digitalisat (1a–2a, 191*). 32v–152v Textreklamanten (zum Teil rot umrandet, 112v in roter Tinte), 40v–184v Lagenzählung hinten, unten mittig, IIus-XX (32v und weitere durch Beschnitt entfallen).
Zustand
Bl. 2a war ein altes Vorsatzbl. und weist dementsprechend Abdrücke der Metallteile des früheren Einbandes auf: Grünspan und z. T. Löcher von fünf Einbandbeschlägen sowie oben mittig der Umriss einer Messinglasche, ebenfalls wohl Grünspan, der von der Befestigung einer Kettenöse stammen dürfte. Diese Spuren lassen Rückschlüsse auf den Einband aus der Zeit vor dem Transport nach Rom zu (siehe unten zur Geschichte der Hs.). Die leichte Verschmutzung von 2ar mag darauf hinweisen, dass der Band zeitweise ohne Einband war. Die Teile des Deckelbezugs aus grünem Pergament, die vom ersten Einband aus der Vaticana stammen (s. Einband), weisen an den Rändern Beschädigungen auf. Bünde und Kapital sind im Bereich der Lagengrenze zwischen Bl. 96 und 97 gebrochen, der Falz klafft etwas auf.
Wasserzeichen
Das neuzeitliche Vorsatzbl. 1a weist ein Wasserzeichen auf, das trotz des großen Formates der Hs. nur fragmentarisch zu sehen ist. Am unteren Seitenrand mittig findet sich der Buchstabe F gestürzt sowie weitere Linien eines angeschnittenen, nicht identifizierbaren Zeichens.

Schriftraum
22,5–22,7 × 12,2–12,6 cm.
Spaltenanzahl
1 Spalte.
Zeilenanzahl
1r–187v 36 Zeilen; 188r–190r 42 Zeilen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Zwei Schreiber (1r–187v und 188r–190r).
Buchgestaltung
Schriftraumbegrenzungen, Spalten- und Zeilenlinien in verdünnter Tinte. Zeilenraster am äußeren Seitenrand durchgenadelt (Löcher oftmals durch Beschnitt entfallen), das Linienraster für die Randspalten oben und unten durch jeweils fünf Nadellöcher markiert. Den Textblock begleiten beidseitig Randspalten, in denen in Rot eingetragen sind: links aussen das Stichwort mit großem rotem Zierbuchstaben und eine Kapitelzählung (bis 186r Vah CL), aus dem Textblock links ausgerückt die Satzinitiale des zugehörigen Textes (Majuskel), rechts, abgekürzt, der Verweis auf den Teil der Bibel in dem das betreffende Thema zu finden ist (z. B. in Ysaia, in psalmo, in evangelio). Rubriziert.
Buchschmuck
1r vierzeilige Silhouetteninitiale in Rot zum Textbeginn. 2r Zwölfzeilige Randleisteninitiale mit Rankenfüllung, Textanfang in einfachen roten Majuskeln und Perlenstab als Zeilenfüller, alles in Rot, zum Beginn des Briefprologs. 2v sechszeilige Silhouetteninitiale. 1v–187v Auszeichnungsbuchstaben mit einfachem Fleuronnéschmuck. Palmetten, kurze Fadenausläufer (z. B. 9v), seltener Ornamentstäbe (z. B. 9r). Gelegentlich von Punktreihen begleitete Spiralfäden (z. B. 31r). Im Formrepertoire an französische Beispiele der Zeit erinnernd, z. B. aus dem burgundischen Raum. Dies mag im Fall von Schönau mit den Kontakten zu den französischen Zisterzienserklöstern zusammenhängen.

Nachträge und Benutzungsspuren
Selten zeitgenössische Nachträge, z. B. 78r (mutabilitas huius vite … ) und Korrekturen. 2v am Seitenrand zwei Nachträge mit Einfügungszeichen im Text (Cursiva, 14. Jh.?). 1r im 16. Jh., wahrscheinlich im Zuge einer Katalogisierung, eingetragener Titel: Alanus de aequivocis mysticis.

Einband
Grünes Pergament mit Goldpressung auf Pappen. Rom, 1626–1633. Vorderdeckel Wappen Papst Urbans VIII. (Pontifikat 1623–1644), Hinterdeckel Wappen des Kardinalbibliothekars Francesco Barberini (1626–1633). Rücken in den Jahren 1846–1853 mit weißem Pergament erneuert, darauf ein Signaturschild aus dunkelgrünem Leder mit Golddekor 140. Darüber das Wappen von Papst Pius IX. (Pontifikat 1846–1878), darunter das des Kardinalbibliothekars Luigi Lambruschini (1834–1853), jeweils in Gold. Unten das blaue Signaturschild der BAV. Schunke, Einbände 2,2, S. 819; vgl. Schunke, Einbände 1, S. 256f.
Provenienz
Schönau / Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
Aus dem Zisterzienserkloster Schönau (Rhein-Neckar-Kreis). Nach Ausweis von Schrift und Buchschmuck im 1. Viertel des 13. Jhs. im deutschen Südwesten, wahrscheinlich in Schönau, entstanden. 1r unten Liber beate Marie virginis monasterii in Schonawe cisterciensis ordinis Wormaciensis diocesis. Krämer, Handschriftenerbe, S. 715; Colette Jeudy, Fonds Palatin, in: Elisabeth Pellegrin (Hg.), Les manuscrits classiques latins de la Bibliothèque Vaticane 2.2: Fonds Palatin, Rossi, Ste-Marie Majeure et Urbinate, Paris 1982 (Documents, Études et Répertoires publiés par l'Institut de Recherche et d'Histoire des Textes 21), S. 9–416, dort S. 323 (zu Pal. lat. 1667). Zu Kloster Schönau: Franz Fuchs, in: LM 7, Sp. 1530; Meinrad Schaab, Die Zisterzienserabtei Schönau im Odenwald, 2Heidelberg 1990. Nach der Aufhebung des Klosters 1558 gelangte die Hs. zusammen mit weiteren 26 Hss. über die Heidelberger Schlossbibliothek in die Palatina. 1623 mit der Palatina in die Vatkanische Bibliothek verbracht. 2ar C. 78/ 1622 (letzte Zahl gestrichen). Im Allacci-Register nachweisbar (Pal. lat. 1949, 7r: 1622 Alanus de aequivocis misticis. fol. C. 78.). Darunter, ältere Signatur: 1546 (gestrichen). Am Fuß der Seite: 112. 1r oben, aktuelle Signatur: 140.
Besonderheiten
Der "Prologus in allegorias in universam sacram scripturam" (1rv) wurde dem Text des Alanus als weiterer Prolog vorangestellt.

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_lat_140
Literatur
Gugumus, Erforschung, S. 139; OVL, Pal.lat.140; Schunke, Einbände 2,2, S. 819; Stevenson, Latini, S. 21f.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

1) 1rv Digitalisat

Verfasser
Ps.-Hrabanus Maurus (GND-Nr.: 118553909).
Weitere beteiligte Personen
Garnerius de Rupeforti (GND-Nr.: 102470316) / Adamus Scotus (GND-Nr.: 100935338) / Garnerius de Sancto Victore (GND-Nr.: 102470332).
Titel
Prologus in allegorias in universam sacram scripturam.
Angaben zum Text
(1rv) Quisquis ad sacre scripture noticiam desiderat pervenire primo diligenter consideret quando historice, quando allegorice, quando tropologice, quando anagogice suam narrationem contexat … - … vocalibus conjunguntur, hoc modo proponimus. Stegmüller, RB 7078. Der Prolog mit Erläuterungen zum vierfachen Schriftsinn wurde hier dem Werk des Alanus ab Insulis (Text 2) vorangestellt. Hs. nicht bei Kottje, VHWHM erfasst (zum Text und seiner Überlieferung siehe dort S. 235). Der Text wird heute überwiegend nicht mehr Hrabanus zugeschrieben (vgl. Raymund Kottje, in: LexMA 5, Sp. 144–147). Auch die Zuschreibung an Garnerius de Rupeforti (vgl. Stegmüller, RB 2364) wird bezweifelt (Jean-Yves Tilliette, Garnerius de Rupeforti, in: CALMA 4, S. 56–58 - Zuschreibung mit Fragezeichen). Ludwig Hödl (Garnerius von Rochefort, in: LexMA 4, Sp. 1119) schreibt die "Allegoriae" nicht Garnerius de Rupeforti zu sondern Adamus Scotus oder Garnerius de Sancto Victore.
Incipit
1r Quisquis ad sacre scripture noticiam desiderat pervenire primo diligenter consideret
Explicit
1v … vocalibus conjunguntur, hoc modo proponimus.
Edition
Migne PL 112, Sp. 849–851 (nur der Prolog).

2) 1v–187v Digitalisat

Verfasser
Alanus ab Insulis (GND-Nr.: 11864422X).
Weitere beteiligte Personen
Hermengaldus (II) Abt des Klosters Saint-André in Villeneuve-lès-Avignon. Vgl. Migne PL 210, Sp. 685f..
Titel
Distinctiones dictionum theologicarum.
Angaben zum Text
(1v–2r) De harum vero dictionum diversis signationibus prout eas ab ortodoxis doctoribusvetus testamentum libros continet legales, libros prophetarum, libros agyographorum … - … Johannis apostoli qui apocalipsis dicitur. Scripta quo patrum imo in canone non sunt, quia non tam novum aliquid adiciunt quam ea que prius dicta sunt latius exponunt. Zu den im folgenden erfassten biblischen Büchern. Der kurze Text dient auch dazu die Texte 1 und 2 zu verbinden. (2r–187v) Alanus ab Insulis, Prologus in distinctionibus dictionum theologicalium. ›Incipit epistola Magistri Alani ad Hermengaldum sancti Egidii abbatem. Cum mundus diversis olim prudentum floreret virtutibus … - … ut volo sic valeas in eternum.Incipit prefatio eiusdem de diversis (2v) vocabulorum significationibus secundum ordinem alphabeti. Quoniam iuxta Aristotilice auctoritatis preconium, qui virtutis nominum sunt ignari … … - … zelaveris facientes iniquitatem id est non imiteris.Explicit Alanus sacre scripture oculus‹. Die Formulierung "Alanus sacrae scripturae oculus" ist auch an anderer Stelle belegt (vgl. Paul Lehmann, Die Bibliothek des Klosters Amorbach, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens 48 [1930], S. 264–300, S. 274). Lit.: Marie-Thérèse d'Alverny, Alain de Lille, Paris 1965, S. 71f.; Alberto Bartòla, in: CALMA 1, S. 96–99, dort S. 97, Nr. 15; Bloomfield, ILWVV 4966; Glorieux, Maîtres, S. 70, g; Stegmüller, RB 950. Im Vergleich zu dem bei Migne PL 210 edierten Text wie auch dem des Inkunabeldruckes wurden zahlreiche Stichworte übersprungen. Es handelt sich somit um eine verkürzte Version der Distinctiones.
Zu Hermengaldus (II) Abt des Klosters Saint-André in Villeneuve-lès-Avignon vgl. Migne PL 210, Sp. 685f.
Rubrik
2r ›Incipit epistola Magistri Alani ad Hermengaldum sancti Egidii abbatem.
Incipit
2r Reverentissimo patri et domino Hermengaldo dei gracia sancti Egidii abbati
Weiteres Initium
2r Cum mundus diversis olim prudentum floreret virtutibus … ; 2v Quoniam iuxta Aristotelicae auctoritatis praeconium, qui virtutis nominum sunt ignari … ; 3r Anima propriae spiritus rationalis, qui cum corpore venit in constitutionem hominis …
Explicit
187v … zelaveris facientes iniquitatem id est non imiteris.
Edition
Migne PL 210, Sp. 685–1011 (zu den Abweichungen s. Angaben zum Inhalt); GW 488.

3) 188r–190v Digitalisat

Titel
Adhortationes ex biblia sacra.
Angaben zum Text
Ad episcopos, Paulus. Si quis episcopatum desiderat, bonum opus desiderat … [1 Tim 3,1–7] - … ›Item ad omnes ex evangelio. Venite ad me omnes qui laboratiset onus meum leve est [Mt 11,28–30]. Auszüge aus der Bibel mit mahnendem oder aufforderndem Charakter an Adressaten aller Bevölkerungsgruppen (Bischöfe, Kleriker, Mönche, Reiche und Arme, Herrscher, Junge und Alte etc.).
Rubrik
188r ›Ad episcopos, Paulus‹.
Incipit
188r Si quis episcopatum desiderat, bonum opus desiderat … [1 Tim 3,1].
Weiteres Initium
188r Oportet episcopum sine crimine esse … [Tit 1,7].
Explicit
190v … suave est et onus meum leve est [Mt 11,30].
Edition
Biblia sacra iuxta Vulgatam versionem, hrsg. von Robert Weber / Roger Gryson, Stuttgart 52007.


Bearbeitet von
Dr. Wolfgang Metzger, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2024.


Zitierempfehlung:


Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 140. Beschreibung von: Dr. Wolfgang Metzger (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2024.


Katalogisierungsrichtlinien
Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.