Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 1957
Bible historiale
Pergament · 2, 181, 2 Bll. · 35,7 × 24,6 cm · Nordostfrankreich · Anfang 14. Jh.
- Schlagwörter (GND)
- Bibel / Historienbibel / Altes Testament / Neues Testament.
- Entstehungsort
- Nordostfrankreich.
- Entstehungszeit
- Anfang 14. Jh.
- Typus (Überlieferungsform)
- Codex.
- Beschreibstoff
- Pergament.
- Umfang
- 2, 181, 2 Bll.
- Format (Blattgröße)
- 35,7 × 24,6 cm.
- Zusammensetzung (Lagenstruktur)
- (II-2)2a + 12 IV96 + (III-1)101 + 10 IV181* + (II-2)183*. Vorderspiegel Gegenbl. von 1a, Hinterspiegel Gegenbl. von 183*.
- Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
- Fehlerhafte zeitgenössische Foliierung (I-C:LXXX): überspringt Bl. 125, zählt aber Bl. 126 doppelt, bei Bl. 147 fehlt die Folioangabe (im Digitalisat als 146a bezeichnet). Bei ungez. Blättern folgt die Zählung dem Digitalisat (1a, 2a, 181*–183*). ‒ Regelmäßig Lagenreklamanten.
- Zustand
- Im Wesentlichen gut erhalten. Gelegentlich Tinte leicht berieben und verblasst; Miniaturen der Eingangsseite blättern zum Teil ab. Stellenweise leichte Bräunungen und Flecken; wenige Löcher und Risse, meist zeitgenössisch repariert und genäht. Deutliche Unterscheidung von Haar- und Fleischseite. Am Ende der Hs. wenige Bll. mit Löchern und Rostflecken, verursacht durch die Beschläge des vorrömischen Einbands.
- Schriftraum
- 23,5 × 13,5 cm.
- Spaltenanzahl
- 2 Spalten.
- Zeilenanzahl
- 58–60 Zeilen.
- Angaben zu Schrift / Schreibern
- Sorgfältige Textura von zwei Händen. Die erste Hand zeigt die Tendenz, die Buchstaben zu runden und zu binden, sodass der Eindruck einer zur Kursiven neigenden Schrift entsteht. Die zweite Hand, ab Bl. 102, zeigt wieder eine der gotischen Minuskel näherstehende Form.
- Buchgestaltung
- Zweispaltige Anordnung des Textes. Der Beginn der biblischen Bücher ist durch szenische Darstellungen gekennzeichnet. Die Anfänge der Kapitel werden durch meist drei- bis fünfzeilige goldene Lombarden auf rot-blauen, weiß damaszierten Feldern hervorgehoben. Einzige Ausnahme ist die A-Initiale zum Buch Genesis, die sich in der Farbgebung unterscheidet und zwei kurze ablaufende Bl.-Ranken hat (1ra). Die Trennung der Sätze erfolgt durch Satzmajuskeln mit üblichen Rubrizierungen und Punkten. Nach Christ, Handschriften, S. 31, könnte die regelmäßige Verwendung dieser Trennungszeichen darauf hindeuten, dass die Hs. auch zum Vorlesen dienen sollte. Seitentitel, die bei den Blättern 29v-37r (Kompilation der letzten drei Bücher Mose) und 134v-141r (Weltalter) fehlen, und Foliierung in Majuskeln, rot und blau alternierend. Anweisungen für den Rubrikator nahezu durchgängig sichtbar.
- Buchschmuck
- Am Anfang des AT umrahmt eine knapp 5 cm breite Bildbordüre den Text. Zahlreiche üppig mit Gold ausgestattete farbige Miniaturen, die thematisch im Bezug zu den biblischen Büchern stehen; vgl. Christ, Handschriften, S. 32f. S. auch die Bildbeschreibung in heidICON und auch Buchgestaltung.
- Nachträge und Benutzungsspuren
- Vereinzelt Korrekturen und Ergänzungen.
- Einband
- Römischer Einband zwischen 1779 und 1799: braunes Leder mit Perlbandverzierungen auf den Deckeln (über Pappe?). Rücken mit goldgeprägten Wappen von Papst Pius VI. und des Kardinalbibliothekars Franciscus X. de Zelada (1717–1801), sowie goldgeprägter Signatur in rotem Signaturschild. Vgl. Schunke, Einbände 2.2, S. 901.
- Provenienz
- Heidelberg.
- Geschichte der Handschrift
- Vorderspiegel mit Signaturschildchen. 1av mit der römischen Signatur. 1r mit älteren Signaturen: 1257, No. 1828 (?) und der Capsa-Nummer: C. 155. Nach den stilistischen und sprachlichen Merkmalen zu urteilen, entstand der Codex in der ersten Hälfte, vermutlich zu Anfang des 14. Jhs. im französischen Nordosten (Christ, Handschriften, S. 33), wie wallonische und lothringische Sprachformen nahelegen (Rietkötter, Altfranzösische Übertragung, S. XXXI). Jean-Baptiste Lebigue und Marie-Laure Savoye mutmaßen, dass Margarethe von Savoyen (1420-1479) während ihrer Zeit am württembergischen Hof in Stuttgart die Hs. erworben haben könnte (Lebigue / Savoye, Des origines). Ihre Bibliothek fiel nach ihrem Tod an ihren einzigen männlichen Erben, Kurfürst Philipp, wodurch die Hs. in die Schlossbibliothek und schließlich in die Bibliotheca Palatina gelangt sein dürfte (Zimmermann, Handschriften, S. 103-105). Allerdings kommt auch Mechthild von Savoyen-Achaia (um 1390-1438), die Gattin des Kurfürsten Ludwig III., als mögliche Besitzerin in Betracht. Schließlich erwarb ihr Ehemann nachweislich Bücher in Paris – wenn sich auch diese Bibel nicht unter den genannten befand (vgl. Colette Jeudy, Manuscrits achetés à Paris en 1420 par Louis III, Comte palatin du Rhin, in: BuW 16 [1982], S. 31–40) – und darüber hinaus existierten enge verwandtschaftliche Beziehungen nach Lothringen. Ludwigs Schwester Margarethe (1376-1434) war mit Karl II. von Lothringen (1364-1431) verheiratet, nach dessen Tod der Kurfürst im Kampf um das lothringische Erbe Partei für seine Nichte ergriff und diese auch militärisch unterstützte (vgl. Walther Möller, Die Schlacht bei Bulgnéville, in: Der Deutsche Herold 65 [1934], S. 42-45, S. 52f.). Wahrscheinlicher ist aber denn doch, dass Pfalzgräfin Elisabeth von Namur (†1382) die Hs. anlässlich ihrer Heirat mit Kurfürst Ruprecht I. 1345/1346 nach Heidelberg brachte. Sie stammte aus der Wallonie und hatte über ihre Mutter Marie d’Artois (†1366) zudem Kontakte nach Nordfrankreich (s. Einleitung). Nachweisbar ist der Palatinus schließlich in dem um 1610 erstellten Bücherverzeichnis der Schlossbibliothek als Das Alte Testament, frantzösisch, vf pergament geschrieben, in schwartz sammet mit vergulten bucklen (Heidelberg, UB, Cod. Pal. germ. 809, 74v); vgl. auch Christ, Handschriften, S. 20.
- Literatur
- ARCA, Biblioteca Apostolica Vaticana – Pal. lat. 1957; ARLIMA, BAV / Pal. lat.
1957; Louis-Patrick
Bergot, L’Apocalypse d’Isabelle de France (1313) et
son lien avec un groupe de Bibles historiales, in: Questes 38 (2018), mis en
ligne le 18 juin 2018, DOI:
https://doi.org/10.4000/questes.4860; Berschin, Palatina, S. 134; Pierre-Maurice Bogaert, La Bible française au moyen âge,
in: Les Bibles en français. Histoire illustrée du moyen âge à nos jours, hrsg.
von Pierre-Maurice Bogaert u. a., Turnhout 1991, S. 13-46,
hier S. 29; Pierre-Maurice Bogaert, Un emprunt au judaïsme dans la
tradition médiévale de l’histoire de Judith en langue d’oïl, in: Revue
théologique de Louvain 31 (2000), S. 344-361, hier S. 350; Edith Brayer, Notice du manuscrit. Paris Bibliothèque
Nationale, Français 1109, in: Mélanges dédiés à la mémoire de Félix Grat, Bd.
2, Paris 1949, S. 223-250, hier S. 243; Christ, Handschriften, S. 31-44; DEAF,
MancarellaBibl; DEAF,
ProvSalAuR; Lebigue / Savoye, Des
origines; Anne-Françoise
Leurquin / Jean-Baptiste Lebigue,
Notice, in: Jonas-IRHT / CNRS,
http://jonas.irht.cnrs.fr/manuscrit/65644; Giovan Battista Mancarella, Un’antica versione francese
dell’apocalisse (Cod. Vat. Palatino latino 1957), in: Note di civiltà medievale
2 (1980), S. 29-50; Giovan Battista Mancarella, Versioni bibliche in antico
francese, Lecce 1995 (Collana di scienze del libro 2), S. 17-21, 129-164; Montuschi, Dai duchi, S. 245, S. 255, S.
257; Montuschi, Le biblioteche, S. 306; OVL,
Pal.lat.1957; Saverio Panunzio, Una redazione inedita antico-francese
del Liber Genesis (cod. Vat. Pal. Lat. 1957), in: La
Filologia Romanza e i Codici. Atti del Convegno, Messina, Università degli
studi, Facoltà di lettere e filosofia, 19-22 Dicembre 1991, hrsg. von Saverio
Guida / Fortunata Latella, Bd. 1,
Messina 1993, S. 163-179; Annette Rietkötter, Eine altfranzösische Übertragung der
Proverbia Salomonis. Edition des Ms. Bibl. Nat. fond frc. 1109, Diss. Gießen
1966, S. XXXf.; Schunke, Einbände 2.2, S. 901; Clive R. Sneddon, Pour l’édition critique de la Bible
française du XIIIe siècle, in: La Bibbia in italiano tra
Medioevo e Rinascimento. Atti del Convegno internazionale, Firenze, Certosa del
Galluzzo 8-9 nov. 1996, hrsg. von Lino Leonardi, Tavarnuzze
1998 (Millennio medievale 10, Agiografia e Bibbia in lingua italiana 1), S.
229-246, hier S. 230 A. 2; Fabio Zinelli, „Donde noi metremo lo primo in
francescho“. I Proverbi tradotti dal francese ed il loro inserimento nelle
sillogi bibliche, in: La Bibbia in italiano tra Medioevo e Rinascimento. Atti
del Convegno internazionale, Firenze, Certosa del Galluzzo 8-9 nov. 1996, hrsg.
von Lino Leonardi, Tavarnuzze 1998 (Millennio medievale 10,
Agiografia e Bibbia in lingua italiana 1), S. 145-199, hier S. 149, 151, 164 A.
2, 174-176, 178-180.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur
1) 1ra–181*ra
- Titel
- Bible historiale.
- Angaben zum Text
- Die vorliegende Bibel bietet in freier Wiedergabe den größten Teil der erzählenden Bücher des Alten Testaments nach Art der Historienbibel, im Explicit als bible en fransois corregiee et abrigiee bezeichnet (181*ra): (1ra–37vb) Genesis und Exodus mit Auszügen aus den anderen Büchern des Pentateuch, (37vb–43va) Josua, (43va–53va) Richter, (53va–56ra) Rut, (56ra–69va) Könige I, (69vb–83ra) Könige II, (83ra–101vb) Könige III, (102ra–107vb) Könige IV, (108ra–111ra) Tobias, (111ra–113va) Iob (stark gekürzt), (113va–118vb) Judit, (118vb–124ra) Esther, (124ra–128vb) Daniel, (128vb–129va) Jonas, (129va–133ra) Esra, (133ra–138rb) I und II Makkabäer und (138rb–141vb) Exkurs über die Weltalter, dem sich wenige Teile des Neuen Testaments anschließen: (141va–150rb) Apokalypse; zur Bibliographie: ARLIMA, https://arlima.net/no/745; ed. Mancarella, Versioni bibliche, S. 49–74 (nach vorliegender Hs.), (150va–152va) Jakobus-Brief (Jaques de deu …), (152va–154rb) I Petrus-Brief (Peires li apostres …). In der Hs. sind diese drei Teile unter dem Seitentitel Historia ecclesiastica gefasst. Ein Verfasser ist nicht namentlich zu greifen; es lässt sich nur sagen, dass es sich um eine selbstständige Bearbeitung des Stoffes handelt, die von Petrus Comestor und Guiart Desmoulin im Wesentlichen unabhängig ist. (154ra/b–181*ra) Kommentierte Übertragung der Sprüche Salomos. ›Hic incipit liber Salomonis‹ (Seitentitel: Liber Salomonis). Als Quelle für die Erläuterungen dient vor allem die ‚Expositio in Proverbia Salomonis‘ von Hrabanus Maurus (vgl. Migne PL 111, Sp. 679–792C). – 1ar–v leer. – 182*r–183*v leer.
- Rubrik
- 1ra ›Ci conmence la bible en romans‹. [nach den Prolog gestellt].
- Incipit
- 1ra Qil qui se vuet entremetre de traitier de vive [!, so für devine] escriture … Au conmencement creait dex le ciel et la terre … [Gn 1,1].
- Explicit
- 181*ra … et meneis en l’angoissouse dolour d’enfer. Dont il n’isteront jamais. ›Explicit la bible en fransois corregiee et abrigiee. Et li proverbes Salemon‹.
- Edition
- Rietkötter, Altfranzösische Übertragung, S. 1–120.
- Bearbeitet von
- Dr. Uli Steiger, Dr. Thorsten Huthwelker, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2024.
Zitierempfehlung:
Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 1957. Beschreibung von: Dr. Uli Steiger, Dr. Thorsten Huthwelker (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2024.
- Katalogisierungsrichtlinien
- Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.
Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.