Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 1962

Raoul Le Fèvre, Recueil des histoires de Troie

Papier, Pergament · 3, 309, 2 Bll. · 36,3–36,6 × 27,2–27,8 cm · Brügge (?) · 1470/1480


Schlagwörter (GND)
Versepos / Höfischer Roman / Trojanischer Sagenkreis.
Entstehungsort
Brügge (?).
Entstehungszeit
1470/1480.
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Papier (Pergamentbll. für die fünf ganzseitigen Illustrationen).
Umfang
3, 309, 2 Bll.
Format (Blattgröße)
36,3–36,6 × 27,2–27,8 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
(I-1)1a + 23a + IV8 + (V+1)19 + 8 V99 + (IV+1)108 + 2 V128 + III134 + (IV+1)143 + V153 + VI165 + 3 V195 + IV203 + (V+1)214 + (IV+2)224 + 5 V274 + (V-1)283 + V293 + (V+1)304 + (III-1)309 + 1310* + (I-1)311*. Vorderspiegel Gegenbl. von 1a, Hinterspiegel Gegenbl. von 311*. ‒ Möglicherweise fehlt von der ersten Lage das äußere Doppelbl. Das würde erklären, warum das Inhaltsverzeichnis ohne Rubrik unvermittelt mit dem ersten Kapitel des ersten Buchs beginnt, wogegen im weiteren Verlauf der Beginn der Bücher II und III jeweils durch Rubriken kenntlich gemacht ist, s. auch Angaben zum Inhalt.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
Zeitgenössische Foliierung in Rot für den Text, ohne das Register (.i.–.iij..C.j); römische Foliierung, die das Register einschließt (1–309). Bei ungez. Blättern folgt die Zählung dem Digitalisat (1a–3a, 310*–311*).
Zustand
Gelegentlich Tinte leicht berieben und verblasst; stellenweise Bräunungen und Flecken. Verschiedentlich Risse, meist ausgebessert; gelegentlich Fehlstellen (durch Wasserschaden?), teilweise mit Textverlust, in der Regel mit Papierhinterklebungen ausgebessert.
Wasserzeichen
Drei Lilien im Schild, Schildhaupt mit Perlen (zum Zeitpunkt der Erschließung keine Übereinstimmung mit WZIS).

Schriftraum
23,6–23,9 × 17,8–18,0 cm.
Spaltenanzahl
2 Spalten.
Zeilenanzahl
34 Zeilen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Recht sorgfältige Bastarda von einer Hand.
Buchgestaltung
Zweispaltige Anordnung des Textes. Rubriken zur Kennzeichnung der einzelnen Kapitel der drei Bücher. Die Kapitelanfänge am Beginn der Bücher werden durch Dornblatt-Initialen auf Goldgrund und meist dreizeilige goldene Initialen in farbigem Feld markiert; meist dreizeilige alternierend rote und blaue, vereinzelt auch rot-blaue Lombarden mit Fleuronné in Gegenfarbe zeigen die weiteren Kapitelanfänge und größere Abschnitte innerhalb der Kapitel an. Zur weiteren Gliederung dienen alternierend rote und blaue Paragrafenzeichen mit Fleuronné in Gegenfarbe und Satzmajuskeln, teilweise gelbpunktiert. Teilweise zeigen die Buchstaben meist in der ersten, vereinzelt auch letzten Zeile jeder Spalte oder in den Rubriken weitere Zierlemente (Kadellen und kadellenartige Ziermajuskeln, zum Teil sehr ausladend, vereinzelt mit Gesichtern). Rote und vereinzelt blau-rote Zeilenfüller.
Buchschmuck
Fünf halbseitige Deckfarbenminiaturen in einer die ganze Seite umgebenden Rahmung mit thematischem Bezug zum Text (9r, 102r, 135r, 220r, 224r), die dem Meister der Chronique d’Angleterre zugeschrieben werden (Hans-Collas / Schadel / Wijsman, Manuscrits enluminés, S. 183, S. 188). Für die Miniaturen wurden in die Papier-Hs. Pergamentbll. eingebunden. S. auch Buchgestaltung und die Bildbeschreibung in heidICON.

Nachträge und Benutzungsspuren
Vereinzelt Federproben.

Einband
Römischer Einband um 1780: helles Pergament über Pappe. Rücken mit Resten einer nahezu erloschenen hs. Signatur (vgl. beispielhaft Pal. lat. 1967) und blauem Signaturschildchen. Vgl. Schunke, Einbände 2.2, S. 901.
Provenienz
Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
Vorderspiegel mit Signaturschildchen. 1ar mit (Teilen) der römischen Signatur. 1r und 8v mit dem Heidelberger Titel des 16. Jhs.: Historiæ Troianæ collectionum libri tres. 9r mit einem Namen im Spruchband in der rechten Randleiste: Iehan du Beau : gardin. Ob es sich hier um den Auftraggeber der Hs. handelt, wie Berschin, Palatina, S. 132, mutmaßt, muss offen bleiben. Womöglich handelt es sich auch um den Buchmaler, der sich hier nennt (vgl. Libri manoscritti, S. 29f., Nr. 53). Die Hs. ist ein typisches Produkt der burgundisch-niederländischen Hofkunst und entstand im letzten Drittel des 15. Jhs. im Umfeld des burgundischen Hofs wahrscheinlich in Brügge. Wie der Codex nach Heidelberg gelangte, ist nicht bekannt. Ob er tatsächlich mit der Pergament-Hs. der Historia Troyana identisch sein könnte, deren Titel um 1500 in beiden Exemplaren des Katalogs der Universitätsbibliothek von unterschiedlichen Händen (?) nachgetragen wurde (Heid. Hs. 47, 1r: Jtem prope tabulam juristarum jn proprio pulpeto jacet hystoria Troyana depicta jn pergameno; Heid. Hs. 47a, 1r: Jtem prope tabulam juristarum jn proprio pulpeto jacet hystoria Troyana depicta jn pergameno) und offenbar als Prunkstück der Heidelberger Bibliothek auf einem besonderen Pult – vermutlich als Liber catenatus – präsentiert wurde, wie Markus Weis, in: Ausst.-Kat. Palatina, S. 77f., B 12.5 vermutete, ist eher unwahrscheinlich. Zwar weist die Fehlstelle bei Bl. 1 in der Mitte des unteren Rands, die wohl durch die Kettenöse entstand, auf genannte Aufbewahrungsart hin, aufgrund des Materials lässt sich der Palatinus aber eher mit jenem Exemplar in Verbindung bringen, welches in den Katalogen jener Hss. nachweisbar ist, die unter Kurfürst Ottheinrich zwischen 1555 und 1558 von der Schlossbibliothek in die Heiliggeistkirche verbracht wurden: Historiæ Troianæ collectionum libri tres, frantzosisch, auf papir, geschrieben (vgl. Pal. lat. 1941, 33r, ebenso in der Abschrift Pal. lat. 1937, 39r mit dem Zusatz 2.3.2.6. [durchgestrichen] 1.7.8.; vgl. auch Christ, Handschriften, S. 16). Derselbe Titel findet sich im nach 1581 angefertigten Katalog der Bibliotheca Palatina, allerdings mit dem Zusatz median, bretter, geschrieben, papir, rot leder, bucklen, nachgetragen: gallice (Pal. lat. 1931, 276r, vgl. auch Christ, Handschriften, S. 17). Demnach ist die Vermutung von Christa Bertelsmeier-Kierst nicht von der Hand zu weisen, dass die Hs. über Margarethe von Savoyen nach Heidelberg gelangt sein könnte, ist ihr Interesse am Erwerb französischer Hss. bis 1465 in ihrer Korrespondenz nachweisbar und verfügte sie doch über familiäre Verbindungen zum burgundischen Hof.

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_lat_1962
Literatur
ARCA, Biblioteca Apostolica Vaticana – Pal. lat. 1962; Berschin, Palatina, S. 132, 134; Bertelsmeier-Kierst, Fürstinnen, S. 179; Christ, Handschriften, S. 55f.; Ilona Hans-Collas / Pascal Schandel / Hanno Wijsman, Manuscrits enluminés des anciens Pays-Bas méridionaux, Bd. 1, Manuscrits de Louis de Bruge, Paris 2009, S. 183, 188; Marc R. Jung, La légende de Troie en France au moyen âge. Analyse des versions françaises et bibliographie raisonnée des manuscrits, Basel / Tübingen 1996 (Romanica Helvetica 114), S. 590; Anne-Françoise Leurquin, Notice, in: Jonas-IRHT / CNRS, http://jonas.irht.cnrs.fr/manuscrit/73553; Lexicon van Boekverluchters, Meester van de Chronique d’Angleterre; Libri manoscritti e stampati del Belgio nella Biblioteca Vaticana (Secoli IX-XVII), hrsg. von der Biblioteca Apostolica Vaticana, Vatikanstadt 1979, S. 29f.; Montuschi, Dai duchi, S. 237, S. 254, S. 255; OVL, Pal.lat.1962; Pascal Schandel, Le Maître de la Chronique d’Angleterre, in: Miniatures flamandes. 1404–1482, Ausst-Kat. Brüssel, hrsg. von Bernard Bousmanne / Thierry Delcourt / Ilona Hans-Collas, Paris 2011, S. 323-332, hier S. 323; Schunke, Einbände 2.2, S. 901; Walz, Kat. UB Heidelberg 3, S. XIV; Markus Weis, in: Ausst.-Kat. Palatina, S. 77f., B 12.5 (mit weiterer Literatur).
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

1) 1ra–309rb Digitalisat

Verfasser
Raoul Le Fèvre (GND-Nr.: 118825941).
Weitere beteiligte Personen
Guido delle Colonne (GND-Nr.: 118543423).
Titel
Recueil des histoires de Troie.
Angaben zum Text
Die Hs. enthält die Kompilation der Troja-Sage in drei Büchern, von denen die beiden ersten von der Gründung und der Zerstörung der Stadt durch Herkules handeln und 1464 von Raoul Le Fèvre (15. Jh., † vor 1467 [?]; vgl. ARLIMA, https://arlima.net/no/56) im Auftrag Herzog Philipps des Guten von Burgund verfasst wurden; das dritte, eine Übersetzung der ‚Historia destructionis Troiae‘ des italienischen Chronisten und Schriftstellers Guido delle Colonne (vgl. zu ihm: Robert Laffont, Le nouveau dictionnaire des auteurs de tous les temps et de tous les pays, Bd. 2, Paris 1994, S. 1338), wurde nach 1467 hinzugefügt. Diese nachträgliche Vollendung spricht dafür, dass Le Fèvre sein Werk nicht mehr selbst fertigstellen konnte, vielleicht zwischenzeitlich verstorben war. 1ra Comment Saturne avoit commandé que l’en occist Jupiter qui estoit enffant nouveau nee … 8va ›… Fin des tables dez troys livres du recueil des histoires de Troyes‹. 9ra [Buch I:] Tous les filz de Noe espars par les climatz … 135ra [Buch II:] Apres ce que ou premier livre a esté declairee la genealogie et les fais de Saturne … 135va ›… Comment Hercules se combati contre trois grans lyons en la forest de Nemee …‹ Quant donques Hercules eut destruit la premiere fois Troyes … 224ra [Buch III:] Es deux livres precedens par l’aide de dieu le tout puissant … 309rb … Dyomedes occi[st le] roy Antiphus, le roy [Estorius, le roy] Proth[enor et le roy Obtomeus]. Schluss der Hs. ist durch eine Fehlstelle verstümmelt, ergänzt nach Alphonse Bayot, La légende de Troie à la cour de Bourgogne. Études d’histoire littéraire et de bibliographie, Brügge 1908 (Société d’Emulation de Bruges 1), S. 21. Offenbar ist auch die erste Lage der Hs. unvollständig, da das Inhaltsverzeichnis ohne Rubrik unvermittelt mit der Beschreibung des ersten Kapitels beginnt. Es fehlt wohl das gesamte äußere Bl. der Lage; dies würde auch erklären, warum Prolog und Widmung ebenfalls nicht vorhanden sind, die zwischen dem Ende der Inhaltsangabe und Buch I.1 stehen müssten. – 1ar bis auf Signatur leer. – 1av–3av leer. – 134r–v bis auf Zeilengerüst leer. – 309v bis auf Zeilengerüst und Federproben leer. – 310*r–311*v leer.
Incipit
1ra Comment Saturne avoit commandé que l’en occist Jupiter qui estoit enffant nouveau nee
Explicit
309rb … Dyomedes occi[st le] roy Antiphus, le roy [Estorius, le roy] Proth[enor et le roy Obtomeus.].
Edition
Raoul Le Fèvre, Le Recoeil des Histoires de Troyes. Edition critique, hrsg. von Marc Aeschbach, Bern u. a. 1987 (Publications universitaires européennes, série 13: Langue et littérature française 120) (ohne Buch III).


Bearbeitet von
Dr. Uli Steiger, Dr. Thorsten Huthwelker, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2024.


Zitierempfehlung:


Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 1962. Beschreibung von: Dr. Uli Steiger, Dr. Thorsten Huthwelker (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2024.


Katalogisierungsrichtlinien
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Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.