Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 1965
Jacques de Cessoles, Le jeu des échecs moralisés
Pergament · 2, 53, 2 Bll. · 24,2 × 16,2 cm · Flämisch-burgundischer Raum · 3. Viertel 15. Jh. (?)
- Entstehungsort
- Flämisch-burgundischer Raum.
- Entstehungszeit
- 3. Viertel 15. Jh. (?).
- Typus (Überlieferungsform)
- Codex.
- Beschreibstoff
- Pergament.
- Umfang
- 2, 53, 2 Bll.
- Format (Blattgröße)
- 24,2 × 16,2 cm.
- Zusammensetzung (Lagenstruktur)
- I2a + 13a + 6 IV47 + II51 + I53*. – Ohne Spiegelbll. Zählfehler: 40 doppelt gez.
- Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
- Fehlerhafte römische Foliierung (1–51), Bl. 40 ist doppelt gez. Bei ungez. Blättern folgt die Zählung dem Digitalisat (1a–3a, 52*–53*). ‒ Reste einer Lagenzählung gelegentlich erkennbar (u. a. 32r, 40ar), meist jedoch durch den Beschnitt verderbt.
- Zustand
- Pergament gebräunt und verschmutzt mit Flecken, teilweise durchscheinend. Ränder vereinzelt eingerissen und unregelmäßig, Risse zeitgenössisch genäht. Bl. 53* nur noch fragmentarisch erhalten, großer Teil der unteren Ecke herausgerissen. Gelegentlich Tinte leicht berieben und verblasst.
- Schriftraum
- 17,2 × 12,5 cm.
- Spaltenanzahl
- 1 Spalte.
- Zeilenanzahl
- 25–30 Zeilen.
- Angaben zu Schrift / Schreibern
- Bastarda von der Hand des Jehan du Boys; doch scheinen 25v–26r von einer anderen Hand geschrieben worden zu sein. Die Ober- bzw. Unterlängen der Buchstaben in der ersten bzw. letzten Zeile der Seite sind zum Teil stark verlängert und fast cadellenhaft ausgeschmückt und erinnern sehr an eine Urkundenschrift. Dies könnte darauf hinweisen, dass der Hauptschreiber Jehan du Boys tatsächlich auch für die Kanzlei Karls des Kühnen von Burgund arbeitete (s. Geschichte der Handschrift).
- Buchgestaltung
- Blockhafte Anordnung des Textes. Die Initialen am Anfang des Prologs (1r) und des Textes (1v) fehlen. Rubriken und rote, meist dreizeilige Lombarden (ganz vereinzelt mit weiteren Verzierungen, z. B. 30v) mit Zeilenfüllern zur Gliederung der Kapitel; weitere Textgliederung durch Paragrafenzeichen und Satzmajuskeln mit üblichen Rubrizierungen, gelegentlich auch kleinere rote Lombarden. Anweisungen für den Rubrikator noch teilweise sichtbar.
- Buchschmuck
- s. Buchgestaltung.
- Nachträge und Benutzungsspuren
- Vereinzelt Korrekturen, Ergänzungen und Anmerkungen von verschiedenen Händen. Wenige Nota-Zeichen bzw. -Vermerke in Rot.
- Einband
- Römischer Einband um 1780: helles Pergament über Pappe. Rücken mit hs. Signatur, ältere Nummer nahezu erloschen (vgl. beispielhaft Pal. lat. 1967) und blauem Signaturschildchen. Vgl. Schunke, Einbände 2.2, S. 901.
- Provenienz
- Heidelberg.
- Geschichte der Handschrift
- Vorderspiegel mit Signaturschildchen. 1ar mit der römischen Signatur: Pal. 3ar mit Capsa-Nummer: C. 78 und Allacci-Signatur: 1241, sowie einer älteren Signatur: 2139. Die weitere von Christ, Handschriften, S. 60, genannte ältere Signatur (1823) ist in Resten 52*v und auf dem Buchrücken erkennbar. 3av mit römischer Signatur und einem deutschprachigen Vermerk bzw. Titel: Diss buch sagt wie dz schachspiel fanden vnd erdacht sy (Heidelberg, 16. Jh.?). 1r zeitgenössischer Titel in Rot: Leschiquier. Im Prolog nennt der Übersetzer Jean Ferron den 4. Mai 1347 als Beginn seiner Arbeit (1v). Das Explicit gibt den Schreiber der vorliegenden Hs. an: […] le jeu des eschas escrip[t] par Jehan du Boys. (51v), der mit Magister Jean du Bois identisch sein könnte, der in diversen Ämtern am burgundischen Hof zwischen 1457 und 1474 nachweisbar ist, s. beispielsweise Holger Kruse, Hof, Amt und Gagen. Die täglichen Gagenlisten des burgundischen Hofes (1430–1467) und der erste Hofstaat Karls des Kühnen (1456), Bonn 1996 (Pariser historische Studien 44), S. 216 A. 220, 247, 249, 263, 286; Werner Paravicini, Guy de Brimeu. Der burgundische Staat und seine adlige Führungsschicht unter Karl dem Kühnen, Bonn 1975 (Pariser historische Studien 12), S. 167, 211 A. 470, 212 A. 471a, 215 A. 475, 248 A. 17, 250 A. 24, 282 A. 115, 286, 288, 310–312, 314 A. 274, 395 A. 605, 407 A. 43a, 717. Dieser Umstand würde auf eine Entstehung der Hs. im dritten Viertel des 15. Jhs. hindeuten, wahrscheinlich in den Burgundischen Niederlanden. Wie der Palatinus nach Heidelberg gelangte, bleibt unklar. Im nach 1581 angefertigten Katalog der Bibliotheca Palatina findet sich der Titel Ein frantzösisch buch vom schachspiel, geschrieben, perment, jn 4, bretter, alt leder (Pal. lat. 1938, 89r, vgl. auch Christ, Handschriften, S. 18).
- Literatur
- ARCA, Biblioteca Apostolica Vaticana – Pal. lat. 1965; ARLIMA, BAV / Pal. lat.
1965; Berschin, Palatina, S. 134; Christ, Handschriften, S. 61f.; Colophons 3, Nr. 9519, S. 260; DEAF,
EchecsFerronC; Jean de Vignay, Le Jeu des échecs moralisé, hrsg. von Antoine
Ghislain, Louvain-la-Neuve 2023 (Anecdota Lovaniensia
Nova 5 Romanica), S. 40; Kaeppeli, Scriptores OP 2, S. 421f.; Anne-Françoise
Leurquin, Notice, in: Jonas-IRHT / CNRS,
http://jonas.irht.cnrs.fr/manuscrit/73533; Montuschi, Dai duchi, S. 255f.; OVL,
Pal.lat.1965; Schunke, Einbände 2.2, S. 901.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur
1) 1r–51v
- Verfasser
- Jacques de Cessoles (GND-Nr.: 118556398).
- Weitere beteiligte Personen
- Jean Ferron (GND-Nr.: 104088826).
- Titel
- Le jeu des échecs moralisés.
- Angaben zum Text
- Der Palatinus bietet eine altfranzösische Übersetzung des ‚Liber de moribus hominum et officiis nobilium sive de ludo scaccorum‘ des Jacques de Cessoles; vgl. dazu allgemein Oliver Plessow, Mittelalterliche Schachzabelbücher zwischen Spielsymbolik und Wertevermittlung. Der Schachtraktat des Jacobus de Cessolis im Kontext seiner spätmittelalterlichen Rezeption, Münster 2007 (Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme 12), S. 46–51. Es handelt sich um die Version des Dominikaners Jean Ferron (14. Jh.; vgl. Kaeppeli, Scriptores OP 2, S. 421f.), des Kaplans von Bertrand Aubert de Tarascon, dem diese 1347 verfasste Übertragung gewidmet ist, über den aber außer dieser Erwähnung nichts bekannt ist, wobei im Palatinus auch Passagen aus der in etwa zeitgleich entstandenen Übersetzung des Jean de Vignay (um 1283–um 1350; vgl. LMA 8, Sp. 1659; ARLIMA, https://arlima.net/no/15) enthalten sind (Jean de Vignay, hrsg. von Ghislain, S. 40). 1r [Prolog:] ›[A] Noble homme‹ et discret Bertran Auberi, escuier de Tarascon, frere Jehan Ferron de l’ordre des freres prescheurs de Paris son petit et humble chappelain … (1v) … Or prenés donques ce petit present, comme[n]cie le iiije jour de May l’an mil iijC xlvij [4. Mai 1347] … [Jacques de Cessoles:] ›eschiquier‹. [M]oult ay este prie et requis de religieuz et de seculiers que je leur deise une chose … (51v) … affin que nous puissions vivre avecques lui et venir au regne de paradis. Qui vivit et regnat deus per omnia secula seculorum. Amen. ›Explicit le jeu des eschas escrip par Jehan du Boys et cetera‹. Die lateinische Fassung des ‚Ludus sacchorum‘ bietet Pal. lat. 855, 53r–120v. – 1ar–2av leer. – 3ar bis auf Capsa-Nummer und Signaturen leer. – 3av bis auf Titel und Signatur leer. – 52*r–53*v leer.
- Rubrik
- 1r ›Leschiquier‹.
- Incipit
- 1r ›[A] Noble homme‹ et discret Bertran Auberi, escuier de Tarascon, frere Jehan Ferron de l’ordre des freres prescheurs de Paris son petit et humble chappelain …
- Explicit
- 51v … affin que nous puissions vivre avecques lui et venir au regne de paradis. Qui vivit et regnat deus per omnia secula seculorum. Amen. ›Explicit le Jeu des eschas escrip par Jehan du Boys et cetera‹.
- Edition
- Le jeu des eschaz moralisé. Traduction de Jean Ferron (1347), hrsg. von Alain Collet, Paris 1999 (Les classiques du Moyen Âge 134).
- Bearbeitet von
- Dr. Uli Steiger, Dr. Thorsten Huthwelker, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2024.
Zitierempfehlung:
Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 1965. Beschreibung von: Dr. Uli Steiger, Dr. Thorsten Huthwelker (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2024.
- Katalogisierungsrichtlinien
- Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.
Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.