Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 1970

Willame de Wadington (?), Manuel des péchés

Pergament · 2, 96, 2 Bll. · 20,2–20,7 × 15,4–15,6 cm · England · Ende 13. Jh.


Schlagwörter (GND)
Theologie / Sünde / Beichte / Verse / Lehrgedicht.
Entstehungsort
England.
Entstehungszeit
Ende 13. Jh.
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Pergament.
Umfang
2, 96, 2 Bll.
Format (Blattgröße)
20,2–20,7 × 15,4–15,6 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
(I-1)1a + 12a + 3 VI35 + VII49 + VI61 + V71 + VI83 + (VII-2)95 + 196* + (I-1)97*. ‒ Vorderspiegel Gegenbl. von 1a, Hinterspiegel Gegenbl. von 97*. Erste Lage mit Bl. A.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
Römische Foliierung (A, 1–95). Bei ungez. Blättern folgt die Zählung dem Digitalisat (1a, 2a, 96*, 97*). ‒ Lagenreklamanten, meist durch Beschnitt beschädigt. Reste einer Lagenzählung in Kombination mit einer Lagenfoliierung, beginnend auf Bl. 2 jeder Lage.
Zustand
Pergament teilweise gebräunt, mit Rissen, meist ausgebessert und genäht, und wenigen Löchern; Haar- und Fleischseite zum Teil deutlich unterscheidbar. Tinte teilweise berieben und verblasst. Bll. teilweise unregelmäßig beschnitten, v. a. ab Bl. 62. Am Ende der Hs. leichterer Wasserschaden.

Schriftraum
15,5–16,3 × 10,0–12,0 cm.
Spaltenanzahl
2 Spalten.
Zeilenanzahl
30 Zeilen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Gotische Minuskel von zwei Händen; Handwechsel ab Bl. 62. Die zweite Schrift erscheint ein wenig flüchtiger als Hand 1 und weist noch verstärkt Formen des 13. Jhs. auf. – Für den Schluss der Augustinus-Predigt (1ra) lässt sich noch eine weitere Hand feststellen. – Bl. 6–12 vorübergehender Wechsel des Rubrikators, zeigt sich an der Ausstattung der Initialen und der Änderung in der Intensität der roten Tintenfarbe.
Buchgestaltung
Zweispaltige Anordnung des Textes. Der erste Teil hat Rubriken und rote Lombarden, Majuskeln, meist versalartig vor die Spalte gerückt, mit den üblichen Rubrizierungen an den Versanfängen und Punkten als Trennungszeichen am Ende der Verse. Der zweite Teil, ab Bl. 62, verwendet schwarze Überschriften, alternierend rote und blaue Lombarden mit Fleuronné in Gegenfarbe sowie alternierend rote und blaue Paragrafenzeichen, um die Überschriften bzw. Strophen abzugrenzen. Die Versanfänge mit schwarzen Majuskeln, meist versalartig vor die Spalte gerückt. Anweisungen für den Rubrikator nahezu durchgängig sichtbar.
Buchschmuck
Vereinzelt kleinere zweifarbige Federzeichnungen, die sich zum Teil aus den Buchstaben- und Manicula-Verzierungen ergeben (möglicherweise auch vom Schreiber stammen?); vgl. exemplarisch 21r: Bischofsfigur (?) und König David.

Nachträge und Benutzungsspuren
Korrekturen und Ergänzungen von verschiedenen Händen, meist mit Verweiszeichen; Bleistiftmarkierungen und Marginalien. Nota-Zeichen und -Vermerke; zahlreiche Maniculae bzw. Paragrafenzeichen, zum Teil mit Verzierungen (vgl. u.a. 9v: Manicula, die in ein Gesicht übergeht, in dessen Mund der Zeigefinger einer weiteren Manicula steckt!).

Einband
Römischer Einband zwischen 1779 und 1799: rotes Leder mit goldenem Bandwerk (Rollenstempel) über Pappe. Rücken mit goldgeprägten Verzierungen sowie goldgeprägter Signatur [1]970 und blauem Signaturschildchen. Abweichend Schunke, Einbände 2.2, S. 901.
Provenienz
Augsburg / Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
Vorderspiegel mit Signaturschildchen. 1av mit der römischen Signatur PAL. 2ar mit dem aufgeklebten Exlibris des Herzogs Maximilian I. von Bayern. Ar mit der Capsa-Nummer: C. 76. und der Allacci-Signatur: no. 1238, und einer älteren Signatur: 890. Av mit einer älteren Bibliothekssignatur: [---] .17. [?]. Bereits Christ, Handschriften, S. 76, verortete die Entstehung des Palatinus in England, wie das verwendete anglonormannisch nahelegt. Diese muss in zwei Stufen erfolgt sein. Auf Bl. 62 beginnt nicht nur ein neuer Kopist mit einem etwas gewandelten Layout, sondern auch eine gänzlich andere Hs. aus einem anderen Überlieferungsstrang diente als Vorlage, sodass anzunehmen ist, dass der erste Schreiber glaubte sein Werk beendet zu haben und wenig später jener Teil angefügt wurde, der häufig als Buch VI bezeichnet wird und nicht zum ursprünglichen ‚Manuel des péchés‘ gehörte, vielmehr eine spätere Ergänzung darstellt (Laird, Palatinus Latinus 1970). Der Codex muss schließlich vom Augsburger Bibliophilen Ulrich Fugger erworben worden sein, wie die Signatur aus seiner Sammlung auf Ar nahe legt: p. 60 b. F No. 18. Ebendort befindet sich der Titel GALLICI rhÿthmi de religione, worunter der Codex auch in den Fugger-Katalogen verzeichnet worden war (Pal. lat. 1915, 189r, bzw. Pal. lat. 1921, 60v; Christ, Handschriften, S. 19; Lehmann, Fuggerbibliotheken 2, S. 225). Ursprünglich gehörte zur Handschrift noch ein ‚Brut d’Angleterre‘ von Wace, der Ende des 18. Jhs. herausgeschnitten wurde. Daraufhin wurden beide Teile auf dieselbe Art gebunden und einige Jahrzehnte später muss besagter zweiter Teil unter der Signatur BAV, Ott. lat. 1869 aus bisher unerfindlichen Gründen in die Ottoboniani latini aufgenommen worden sein (vgl. Careri, Per la storia, passim, sowie https://digi.vatlib.it/view/MSS_Ott.lat.1869).

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_lat_1970
Literatur
ARCA, Biblioteca Apostolica Vaticana – Pal. lat. 1970; Émile J. Arnould, Le manuel des péchés. Étude de littérature religieuse anglo-normande (XIIIe siècle), Paris 1940, passim, v. a. S. 383; Berschin, Palatina, S. 134; Klaus Bitterling, Of Shrifte and Penance. The ME Prose Translation of Le manuel des péchés, ed. From St John’s College, Cambridge, MS G. 30, Heidelberg 1998 (Middle English Texts 29), S. 17ff.; Maria Careri, Per la storia di un testimone poco utilizzato del Brut di Wace (Membra desiecta), in: Studi di filologia romanza offerti a Valeria Bertolucci Pizzorusso, Bd. 1, hrsg. von Pietro G. Beltrami, Ospedaletto 2006, S. 419–424; Christ, Handschriften, S. 75–77; DEAF, ManuelPéchF; Ruth J. Dean / Maureen B.M. Boulton, Anglo-Norman Literature. A Guide to Texts and Manuscripts, London 1999 (Occasional Publications Series, Anglo-Norman Text Society 3), Nr. 635, S. 350; Hartmut Hoffmann, Echte und nachgeahmte Fuldaer Schrift aus ottonischer und frühsalischer Zeit, in: Kloster Fulda in der Welt der Karolinger und Ottonen, hrsg. von Gangolf Schrimpf, Frankfurt am Main 1996 (Fuldaer Studien 7), S. 285–297, hier S. 297; Charlton Laird, Manuscripts of the Manuel des Pechiez, in: Stanford Studies in Language and Literature (1941), S. 99–123, hier S. 116–118; Charlton Laird, Palatinus Latinus 1970, A Composite Manuscript, in: The Modern Language Review 38 (1943), S. 117–121; Charlton Laird, Character and Growth of the Manuel des Pechiez, in: Traditio 4 (1946), S. 253–306, insbes. S. 257–263, 265, 271, 277–279, 283, 285, 292, 295–298, 301, 303–305; Montuschi, Dai duchi, S. 240, 255, 256; Montuschi, Le biblioteche, S. 307, 330; Krista A. Murchison, The Readers of the Manuel des péchés Revisited, in: Philological Quarterly 95 (2016), S. 161–199, hier S. 176; OVL, Pal.lat.1970; Section romane, Notice, in: Jonas-IRHT / CNRS, http://jonas.irht.cnrs.fr/manuscrit/75398; Schunke, Einbände 2.2, S. 901; Matthew Sullivan, Readers of the Manuel des Péchés, in: Romania 113 (1992), S. 233–242, hier S. 235f. A. 4; Matthew Sullivan, A Brief Textual History of the Manuel des Péchés, in: Neuphilologische Mitteilungen 93 (1992), S. 337–346, hier S. 343.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

1) 1r–92r Digitalisat

Verfasser
Willame de Wadington (?) (GND-Nr.: 119548615).
Titel
Manuel des péchés.
Angaben zum Text
Die vorliegende Hs. bietet den vollständigen Text des zwischen 1250 und 1270 entstandenen Lehrgedichts ‚Le manuel des péchés‘, dessen Autorschaft meist dem englischen Schriftsteller Willame de Wadington zugeschrieben wird, der vermutlich Priester in Rydal war; vgl. ARLIMA, https://arlima.net/no/1627. 1rb ›Le premer article de la fey‹. La vertu del seint espirit / Nous seit aydant en seint escrit … 92rb … En deu finist cest escrist / En deu en fiz en seint espirit / [die beiden letzten Verse nur im Palatinus:] E en le nun de sant Marie / Amen, amen checun en die. Bl. 1–61 bringt den Prolog und die Bücher I–V, ab Bl. 62 folgen die Bücher VI–IX und der Epilog. – 1ra Schluss einer Predigt Augustinus’ über Iac 5,12. Die ersten sieben Zeilen der Spalte sind radiert. Vgl. Augustinus, Sermones 10, Sermo CLXXX, 14. Edition: Aurelius Augustinus, Sancti Avrelii Avgvstini sermones in epistolas apostolicas. Id est sermones 157–183 secvndvm ordinem vvlgatvm insertis etiam aliqvot sermonibvs post Mavrinos repertis, hrsg. von Shari Boodts, Turnhout 2016 (Avrelii Avgvstini Opera 11,8, Corpvs Christianorvm, Series Latina 41Bb), S. 683f. – 1ar leer (mit Spiegel in Marmorpapier). – 1av bis auf Signatur leer. – 2ar Exlibris Herzog Maximilians I. von Bayern. – 2av leer. – Ar–v Altes vorrömisches Vorsatzbl.: Fragment eines Lektionars, Fulda, Ar zweites Drittel 10. Jh. (vgl. Hoffmann, Fuldaer Schrift, S. 297, dort weitere Literatur). Kopfstehend an den verlängerten Falz der ersten Lage eingebunden und mit einem Titelschild beklebt. Mit Capsa-Nummer und Allacci- bzw. Fugger- und weiteren Altsignaturen (s. Geschichte der Handschrift), darunter auch fuldische Signatur aus dem Ende des 15. Jhs. (vgl. Hoffmann, Fuldaer Schrift, S. 297). – 92v–97*r leer (97*v und Spiegel Marmorpapier).
Rubrik
1r ›Le premer article de la fey‹.
Incipit
1r La vertu del seint espirit / Nous seit aydant en seint escrit
Explicit
92r … En deu finist cest escrist / En deu en fiz en seint espirit / E en le nun de sant Marie / Amen, amen checun en die.
Edition
Arnould, Le manuel des péchés (bringt nur den Prolog); Frederick J. Furnivall, Roberd of Brunnè’s Handlyng Synne (Written A. D. 1303) with the French Treatise on Which it is Founded, Le Manuel des Pechiez by William of Waddington, London 1862 (Roxburghe Club 99) (unter Verwendung der Hss. British Museum, Harley 273 und Harley 4657 für den Schluss); Frederick J. Furnivall, Robert of Brunne’s Handlyng Synne, A. D. 1303, with Those Parts of the Anglo-French Treatise on Which it Was Founded, William of Waddington’s Manuel des Pechiez, 2 Bde., London 1901–1903 (Early English Text Society, Original Series 119, 121) (unter Verwendung eben genannter Hss., wobei nur die Teile zum Druck kamen, die für das ‚Handlyng Synne‘ die Grundlage boten, weshalb eine eigentliche Edition des ‚Manuel des péchés‘ noch aussteht).


Bearbeitet von
Dr. Uli Steiger, Dr. Thorsten Huthwelker, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2024.


Zitierempfehlung:


Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 1970. Beschreibung von: Dr. Uli Steiger, Dr. Thorsten Huthwelker (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2024.


Katalogisierungsrichtlinien
Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.