Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 1984

Gedichtsammlung

Papier · 1, 85, 1 Bll. · 31,1 × 21,0 cm · Paris / Chambord / Blois (?) · um 1544/um 1560


Schlagwörter (GND)
Gedicht / Epitaphien / Epigramm / Eloge / Pasquill / Ode / Sonett / Brief.
Entstehungsort
Paris / Chambord / Blois (?).
Entstehungszeit
um 1544/um 1560.
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Papier.
Umfang
1, 85, 1 Bll.
Format (Blattgröße)
31,1 × 21,0 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
(I-1)1a + (XXIII+1)47 + XIX85 + (I-1)86*. – Vorderspiegel Gegenbl. von 1a, Hinterspiegel Gegenbl. von 86*. Die Lagenformel ist unsicher, erscheint jedoch so am wahrscheinlichsten: Die Sammlung besteht aus zwei, im selben Umfeld und nahezu gleichzeitig entstandenen umfangreichen Lagen. Die erste Lage endet mit Bl. 47, das offenbar dem Verbund aus 46 Blättern angehängt wurde. Ob bei der zweiten Lage das jetzige Bl. 48 ein früheres ersetzt, lässt sich nicht mehr genau feststellen. Die sichtbaren überlangen Falze zwischen Bl. 47 und 48 (Pergament?) dienen wohl eher der Montierung der beiden sehr dicken Lagen, als dass sie Hinweise auf Bl.-Verlust(e) wären.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
Römische Foliierung (1–85). Bei ungez. Blättern folgt die Zählung dem Digitalisat (1a, 86*).
Zustand
Papier mit Bräunungen und Flecken, verschmutzt; Ränder zum Teil bestoßen und eingerissen, wenige Löcher. Tinte schlägt stellenweise durch, beginnender Tintenfraß; gelegentlich Tinte leicht berieben und verblasst.
Wasserzeichen
Krug mit Buchstaben, verziertem Deckel mit Kleeblatt und einkonturigem Henkel, zum Zeitpunkt der Erschließung keine Übereinstimmung in WZIS, Bl. 51–52, 54–57, 65–66, 72, 74, vergleichbar mit Wzz. von Papieren, die laut WZIS 1551 in Blois verwendet wurden, DE4620-PO-31469.

Schriftraum
20,2 × 12,5 cm.
Spaltenanzahl
1 Spalte.
Zeilenanzahl
Variierende Zeilenzahl aufgrund der Textgestalt.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Teilweise sehr unregelmäßige und nachlässige Schrift, deren mögliche Zuweisung an verschiedene Hände äußerst schwierig ist, zumal auch die Schriftarten beständig zwischen gotischer und humanistischer Kursive sowie humanistischer Minuskel wechseln. Daniel Fliege zählt vier Hände: Demnach schrieb die erste Hand um 1544 den Löwenanteil der französischen Texte, die zweite zwischen 1544 und 1559 die lateinischen Texte, die dritte ebenfalls zwischen 1544 und 1559 den ‚Balladin‘ von Clément Marot (um 1496–1544), die vierte nach 1559 das Pierre de Ronsard (1524–1585) gewidmete Sonett über den Frieden (Fliege, Edition, S. 458).
Buchgestaltung
Blockhafte bzw. vers- und strophenmäßige Anordnung der Texte. Überschriften, Initialen, Versalien bzw. Majuskeln dienen der Textgliederung und zeigen die einzelnen Gedichte sowie deren Strophen- und Versanfänge an.

Nachträge und Benutzungsspuren
Wenige Streichungen und Korrekturen bzw. Ergänzungen von verschiedenen Händen.

Einband
Römischer Einband um 1780: helles Pergament (über Pappe?). Rücken mit zwei Signaturschildchen; am Kopf unter dem blauen Signaturschildchen noch minimale Reste einer hs. Signatur erkennbar (vgl. beispielhaft Pal. lat. 1967). Vgl. Schunke, Einbände 2.2, S. 902.
Provenienz
Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
Vorderspiegel mit Signaturschildchen und römischer Signatur (in Blei). 1ar mit älterer Signatur: 1831; 1r mit (Allacci-)Signatur: 1244 und Federproben. Nach inhaltlichen Kriterien entstand der Sammlungskern um 1544 (Joubaud / Sicard, Vaticane Pal. Lat. 1984) am Hof König Franz’ I. von Frankreich. Nachträge wurden bis ca. 1560 angefügt; s. auch Angaben zum Inhalt. Da Franz I. als letzter der sog. „Loire-Könige“ seine Hauptresidenz anfangs auch in den Loire-Schlössern Chambord und v.a. Blois hatte, bevor der Hof wieder nach Paris zog, ist eine Entstehung der Hs. auch an diesen Orten neben Paris nicht auszuschließen. Unter den in Pfalzgraf Christophs Nachlass verzeichneten Büchern ist vorliegende Sammlung nicht aufgeführt (s. dazu Pal. lat. 1983).

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_lat_1984
Literatur
ARCA, Biblioteca Apostolica Vaticana – Pal. lat. 1984; Berschin, Palatina, S. 134; Marco Buonocore, Aetas Ovidiana. La fortuna di Ovidio nei codici della Biblioteca Vaticana, Sulmona 1994, S. 130, 246; Marco Buonocore, Nuove acquisizioni di manoscritti ovidiani: l’„Epistula XV“ delle „Heroides“, in: Giornale italiano di filologia 46 (1994), S. 237–253, hier S. 237 A. 1; Marco Buonocore, I codici di Ovidio presso la Biblioteca Apostolica Vaticana, in: Rivista di cultura classica e medioevale 37 (1995), S. 7–55, hier S. 17, 30f., 49, 55; Christ, Handschriften, S. 89–100; Daniel Fliege, Edition critique et commentée du Balladin de Clément Marot, in: Bibliothèque d’Humanisme et Renaissance 82 (2020), S. 453–486, hier S. 458, 472–474; Pascal Joubaud / Claire Sicard, Communication: „Laissez la verde couleur“ dans (presque) tous ses états. Demêler Mellin de Saint-Gelais, Carnet de recherche Hypothèses, 14. März 2018, https://demelermellin.hypotheses.org/4717; Pascal Joubaud / Claire Sicard, Vaticane Pal. Lat. 1984, Demêler Mellin de Saint-Gelais, Carnet de recherche Hypothèses, 21. Juli 2013, https://demelermellin.hypotheses.org/1763; Robert H. Lucas, Mediaeval French Translations of the Latin Classics to 1500, in: Speculum 45 (1970), S. 225–253, hier S. 244; Montuschi, Dai duchi, S. 237, S. 255; OVL, Pal.lat.1984; Marco Pecoraro, Per la storia dei carmi del Bembo. Una redazione non vulgata, Venedig 1959 (Civiltà veneziana. Saggi 6), S. 75f., S. 93; Schunke, Einbände 2.2, S. 901; Claire Sicard / Pascal Joubaud, Notice, in: Jonas-IRHT / CNRS, http://jonas.irht.cnrs.fr/manuscrit/81117.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

1) 1v–85v Digitalisat

Beteiligte Personen
Mellin de Saint-Gelais (GND-Nr.: 118750801) / Bonaventure des Périers (GND-Nr.: 118524887) / Victor Brodeau (GND-Nr.: 172010551) / Clément Marot (GND-Nr.: 118731122) / Bion von Smyrna (GND-Nr.: 118835874) / Girolamo Muzio (GND-Nr.: 120138093) / Théodore de Bèze (GND-Nr.: 118662864) / Publius Ovidius Naso (GND-Nr.: 118590995) / Octavien de Saint-Gelais (GND-Nr.: 118829254) / Hugues Salel (GND-Nr.: 118794213) / Francesco Petrarca (GND-Nr.: 118593234) / Pietro Bembo (GND-Nr.: 118658115) / Celio Secondo Curione (GND-Nr.: 10407440X) / Claudian (GND-Nr.: 118521055).
Titel
Gedichtsammlung.
Angaben zum Text
Sammlung von 140 Gedichten, Epitaphien, Epigrammen, Elogen, Pasquillen, Oden und Sonetten aus der Zeit Franz’ I. von Frankreich, überwiegend Erzeugnisse der an seinem Hof blühenden Renaissancedichtung; Nachträge führen in die Zeit der ‚Pléiade‘. Christ, Handschriften, S. 90, vermutet, dass die Sammlung in hofnahen Kreisen entstand, wo sie um italienische und lateinische Gedichte ergänzt wurde. Aufgrund der historischen Ereignisse, die einige der Gedichte voraussetzen, wurde die Sammlung im Kern wohl um 1544 angelegt (Joubaud / Sicard, Vaticane Pal. Lat. 1984): Der Tod des Guillaume Du Bellay (1491–1543) wird ebenso thematisiert wie der Sturz des 1542 in Ungnade gefallenen Kanzlers Guillaume Poyet (um 1473–1548) oder der Tod des Clément Marot. Unter den Nachträgen finden sich Zeitgedichte von 1559 (85v: ein dem Dichter und Lyriker Pierre de Ronsard gewidmetes Friedensgedicht, das die Erwartungen der französischen Bevölkerung in den 1559 abgeschlossenen Frieden von Cateau-Cambrésis thematisieren dürfte). Einziges Prosa-Stück ist der 1v abschriftlich überlieferte Brief des Guillaume Poyet, in dem dieser einen Tag nach seiner Verhaftung um den Schutz des Kardinals von Tournon bittet (Argilly, 3. August 1542); Druck des Briefs: Jean-Baptiste H. R. Capefigue, François Ier et la Renaissance 1515–1547, Bd. 4, Paris 1845, S. 316f. A. 1. Da darüber hinaus auch zahlreiche Spottgedichte auf den Sturz des Kanzlers und den sich anschließenden Prozess in die Hs. Aufnahme fanden, scheint die Sammlung im Wesentlichen von Gegenspielern Poyets erstellt worden zu sein. Eine Übersicht der umfangreichen Sammlung unter Angabe der Initien bei Christ, Handschriften, S. 90–100 und Sicard / Joubaud, Notice. Mit den zugehörigen Editionen sind bisher folgende Dichter nachweisbar: Mellin de Saint-Gelais (um 1491–1558, 5r, 7r–8r, 8v–9r, 11r, 21v, 23v, 27v–28v, 30v–31v, 32v, 45v–46v, 47v, 64r, 79r–80v, 81v, 83v), Bonaventure Des Périers (um 1510–1543/44, 9v, 10r, 43v–45v), Victor Brodeau (1502–1540, 21v), Clément Marot (1496–1544, 21v, 32r, 41r, 66v, 74v–77r, ed. nach dem Palatinus von Fliege, Edition, S. 474–486, 82r), Bion von Smyrna (um 100 v. Chr., 33r–36v, das aus dem Griechischen übersetzte und zuvor Theokrit zugeschriebene ‚C’est Adonis, pour lequel je lamente‘, ed. nach dem Palatinus von Claire Sicard, La Rimerie. Farrago numérique consacrée à la production versifiée des années 1530–1560, http://www.telleme.fr/content/Divers/Opu_Anonyme_Cest-Adonis-pour-lequel.xml), Girolamo Muzio (1496–1576, 49r), Théodore de Bèze (1519–1605, 64v), Ovid in einer Übersetzung des Octovien de Saint-Gelais (1468–1502, 66v–74r), Hugues Salel (1504–1553, 77v–79r), Francesco Petrarca (1304–1374, 82r), Pietro Bembo (1470–1547, 83r–83v, vgl. Pecoraro, Per la storia, S. 75), Celio Secondo Curione (1503–1569, 84v), Claudian (um 370–nach 404, 85r). Zu den Editionen der Gedichte, wenn nicht bereits angegeben, s. Christ, Handschriften, S. 90–100 und Sicard / Joubaud, Notice. – 1ar bis auf Signatur leer. – 1av leer. – 1r bis auf Signatur und Federproben leer. – 86*r–v leer.
Rubrik
1v ›Double d’unes lettres de monsieur le chancellier Poyet envoyees a monsieur le cardinal de Tournon, lors qu’on le menoit prisonnier a Bourges‹.
Incipit
1v Monseigneur, la grandeur de vostre cueur et bonté
Weiteres Initium
3r Ung ciel en terre, on veoyt la court de France ; 3r Ta vertu est couronnée / De gloire, et environnée ; 3r Pourquoy peint on Amour ne voyant goutte ; 3v Honneur cherchant où habitent les graces ; 3v Ne prenant garde ung jour que le soleil ; 3v Pour mectre accord entre Venus la belle ; 4r Nature a faict ung grand bien aux humains ; 4r Dequoy me sert d’estre loué d’ung maistre ; 4r Si j’estoys ciel, damoysellette ; 4r C’est l’oeuil par qui je suys aymant ; 4v Mon cueur estoiet en sa chambre secrette ; 4v Quant pour donner au portefaiz ; 4v On dict que tu es amoureux ; 4v Au monde n’a, o soeur de roy et royne ; 5r En mon chemain j’ay trouvé ung gras moyne ; 5r De moins que rien à peu l’on peult venir ; 5r En desespoir de folle amour surprise ; 5r Ci gist maistre Hervé de Pincé ; 5v L’an mil cinq cens trente troys moins ; 5v Quant elle estoyt d’unze ans encor pucelle ; 6r Benoist soit Dieu ung seul, vray tout puyssant ; 7r Cheveulx, seul remede et confort ; 8r Je prye à dieu que ce petit ; 8r Las, si je suys en ung jour envieilly ; 8v Puis que nouvelle affection ; 9v L’ame de moy en ceste chair enclose ; 10r Puys que de ta promesse / Vray accomplissement ; 10v Mort et Amour ont semblables effectz ; 11r Bien qu’en amour plaise plus l’esperance ; 11r Soubz ceste menue herbelette ; 12v Delectat, satiat, carpit, voce, haustibus, igne ; 13r Batte, animos quando tristes, curasque levare ; 15r Hic illa dormit quae saluti publicae ; 16v Pietas fidesque prisca, pertinax amor ; 16v Quiescit isto rapta per invidiam deum ; 16v Isto Loysa diva sub tumulo jacet ; 17r Isto quiescens Allobrox sub marmore ; 17r Inquiris, hospes, qui siem ; 17v Multorum obscurior fama est ; 17v Ecce alto terrae e cumulo, ingentisque ruinae ; 19r Vous qui oyez en mes rymes le son ; 19r O pas espars, o pensées soubdaines ; 19v Qui vouldra veoir tout ce que peult nature ; 19v Mort, sans soleil tu as laissé le monde ; 20r Le premier jour que trespassa la belle ; 20v Ung jour d’hiver Robin aupres du feu ; 20v Puis que voyons à la court revenue ; 20v Robin avoit ung lopin de pain bis ; 21r Une nonnain tresbelle et en bon poinct ; 21r Une mignonne en l’eage de quinze ans ; 21v Tant que voudras, jette feu et fumée ; 21 Si la beaulté se perist en peu d’heure ; 21v Si ma beaulté doibt perir en peu d’heure ; 22r Gloire et caquet fardés d’affecterie ; 22r Des Angevins l’affetté parroquet ; 22r Ung hypocrite ayant fard et sçavoir ; 22v Il avoit sens, scavoir et eloquence ; 22v Tu t’esbahis, passant, avecques nous ; 23r Miraris, viator, praeter morem ; 23r Nobilibus, clero, plebi, legumque peritis ; 23r Haec voluit tumulo, laqueo ne pendeat, addi ; 23r Et pergebat adhuc Caroli rex credere dictis ; 23v O luc, plus estimé present ; 23v Dieu tout puissant en repos te maintienne ; 25r Si le desir avoit esté autheur ; 27v Or combien est heureuse / La peine de celer ; 28v La Transmontane a bien sondé ; 30v Laissez la verte couleur ; 32r Ce n’est pas moy mais vous qui faict que je vous ayme ; 32r Des faictz d’amour je n’ay point congnoissance ; 32r Je suys ung rien quant point ne me voyez ; 32r T’esbahis tu dont point on ne souspire ; 32v T’esbahis tu dont si fort on souspire ; 32v Ung jour que ma dame dormoit ; 32v Je n’avoye point à bien choisir failli ; 33r C’est Adonis, pour lequel je lamente ; 37r Quand viendra le siecle doré ; 43v Un bon esprit quand le beau jour l’esveille ; 45v O bien heureux qui a passé son aage ; 46v O doulce nuyct, o nuyct heureuse et belle ; 66v Martinum comitatur Alis, porcamque vicissim ; 66v Paris le filz de Priam roy de Troye ; 77v Puis que je voy que tant plus je m’eforce ; 79r Si je le dey jamais en ce mortel sejour ; 79v O que d’ennuy à mes yeulx se presente ; 80v Puys que vivre en servitude.
Explicit
85v … La tremper dans les pleurs de la France affoiblie / La forger dans le feu qu’apporte l’estranger.
Edition
s. Angaben zum Inhalt.


Bearbeitet von
Dr. Uli Steiger, Dr. Thorsten Huthwelker, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2024.


Zitierempfehlung:


Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 1984. Beschreibung von: Dr. Uli Steiger, Dr. Thorsten Huthwelker (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2024.


Katalogisierungsrichtlinien
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Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.