Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 3

Biblia: Testamentum vetus (Pars prior)

Pergament · 169 Bll. · 47,5–56,4 × 38,0–39,5 cm · Mittelitalien · 11. Jh. (2. Hälfte bzw. 1080/1090)


Schlagwörter (GND)
Bibel, Altes Testament.
Entstehungsort
Mittelitalien.
Entstehungszeit
11. Jh. (2. Hälfte bzw. 1080/1090).
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Pergament.
Umfang
169 Bll.
Format (Blattgröße)
47,5–56,4 × 38,0–39,5 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
(I-1)1a + 5 IV40 + (II-1)43 + II47 + 6 IV95 + III101 + 5 IV141 + (IV-1)148 + 2 IV164 + (II-1)167 + (I-1)168*. Vorderer Spiegel Gegenbl. von 1a, hinterer Spiegel Gegenbl. von 168*.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
Römische Foliierung des 17. Jhs. (1–167); Vorsatzbll. nicht gezählt.
Zustand
Tinte (stellenweise stark) berieben. Pergament zum Teil stark verschmutzt mit Verfärbungen, teilweise durchscheinend, stellenweise leicht faltig; Ränder verschiedentlich zur Gewinnung von Pergament für Briefe und Urkunden (?) beschnitten, darüber hinaus mit zahlreichen Fehlstellen, Löchern und Rissen, mit Pergament (und auch Papier?) ausgebessert, teilweise auch genäht. Größere Fehlstellen an den Rändern (zum Teil durch Beschnitt, gelegentlich noch Bleistiftanzeichnungen eines Buchbinders sichtbar) vereinzelt mit geringfügigem Textverlust. Partieller Wasserschaden, stellenweise mit Stockflecken, Verfärbungen und verwaschener Tinte. Hs. wurde 2005 restauriert; eingeklebtes Papierschildchen mit Restaurierungsvermerk auf dem Hinterspiegel: Studio P. Crisostomi ANNO RESTAURO 2005.

Schriftraum
44,7–47,3 × 27,0–29,5 cm.
Spaltenanzahl
2 Spalten.
Zeilenanzahl
60 Zeilen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Wohl von einer Hand, ohne besondere Sorgfalt. Zahlreiche Nachträge von verschiedenen Händen. Unterschiedliche Intensitäten in der Tintenfarbe.
Buchgestaltung
Incipits und Explicits der Bücher in roter Tinte bzw. mit üblichen Rubrizierungen; Auszeichnungsschriften: Unzialis, Capitalis quadrata und Capitalis rustica, teilweise farbig ausgeführt, schwarz und rot im Wechsel. Größere Abschnitte innerhalb der Bücher durch rote Initialen kenntlich gemacht; die Unterabschnitte durch schwarze Initialen hervorgehoben. Seitentitel in Rot, teilweise beschnitten. Zeilengerüst in Blindlinien; immer wieder die Zirkellöcher für die Einteilung sichtbar.
Buchschmuck
Am Beginn der Bücher fast durchgängig statuarische Autorenbilder, koloriert, zum Teil mit Weiß gehöht; 5r ganzseitige Miniatur: Scheidung von Tag und Nacht, Erschaffung des Menschen. Farbige Initialen bis zu einer Höhe von 60 Zeilen, ausgefüllt mit Flechtbandornamentik bzw. geometrischen und vegetabilen Mustern.

Nachträge und Benutzungsspuren
Häufige Korrekturen verweisen auf eine intensive Nutzung des Codex im Mittelalter; Streichungen, Korrekturen, Verbesserungen und Ergänzungen, von verschiedenen Händen, teilweise auf Rasuren und zwischen den Zeilen sowie als Marginalien mit Verweiszeichen. Langtons Kapitelzählung auf den Rändern, gelegentlich auch im Text nachgetragen, spätgotische arabische Ziffern. Darüber hinaus weisen verschiedene Bücher noch eine weitere (ältere?) Abschnitts- bzw. Verszählung in römischen Zahlzeichen auf. Verschiedentlich senkrechte Striche eines Nutzers, um die Worttrennungen in der Scriptura continua zu markieren. Vereinzelt Federproben und Maniculae. Ränder wurden sekundär unter anderem zu Zeichenübungen benützt, Bleistift- und Tintenskizzen sowie blind eingeritzte Entwürfe (z.B. 87v, 133r, 154v). Auf den Leerstellen der Seiten Lesungen zum Fest des Apostels Matthias nachgetragen, 12. Jh. (43v–44r), am unteren Rand beschnitten mit Textverlust. Gelegentlich Hinweise auf die Textlesungen der (Sonntags-)Messen und Angaben von liturgischen Texten mit Notation (Neumen); Lamentationes und oratio des Jeremias mit Notationen (Neumen), 141v–142v. Schenkungsvermerk, um 1100 (167v).

Einband
Römischer Einband: rotes Leder über Holzdeckel mit Bienen (Rauschel) und Blumenmauresken (Rechteck und Rhombus); Wappensupralibros, Rauschel: Papst Urban VIII. (reg. 1623–1644), Vorderdeckel, und Kardinalbibliothekar Francesco Barberini (amt. 1626–1633), Hinterdeckel; Rom zwischen 1626 und 1633 (Schunke, Einbände 2.2, S. 811). Rücken: zwischen den Bünden Bienen (Rauschel); beschädigtes, älteres Signaturschildchen der BAV: 3; querrechteckiges, blaues Signaturschildchen der BAV: Pal. lat. 3. Ursprünglich wohl Goldschnitt, verblasst; goldenes (?) Kapital, verblasst.
Provenienz
Mittelitalien / Süddeutschland (wohl Füssen) / Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
Vorderspiegel mit aufgeklebtem Signaturschildchen der BAV: Pal. lat. 3; 1r am unteren Rand: 3. 1r, 4r und 167v Stempel der BAV. Entstanden in Mittelitalien in der 2. Hälfte des 11. Jhs.; nach Garrison, Sudies I, S. 10f. und 49f., zwischen 1080 und 1090 oder etwas später. Um 1100 (?) von einem Udalrich für ein niedergebranntes Magnuskloster erworben (Schenkungsnotiz, 167v); wohl am ehesten St. Mang in Füssen, nicht jedoch das Chorherrenstift St. Mangen in St. Gallen (möglich wäre eventuell auch noch das Magnus-Kl. Kühbach, LKr. Aichach-Friedberg). Vgl. Berschin, in: Palatina, Bd. 1, S. 133f.; Berschin, Palatina, S. 19–21; so auch Krenn / Winterer, Pinsel und Federkiel, S. 87 (die allerdings wohl nur versehentlich „zwischen 1180 und 1190“ [!] als Entstehungszeit angeben). Fuchs, Bildung, S. 23–28, erwog, ob die Bibel nicht von Ulrich von Zell († 1093) dem von ihm gegründeten Magnuskloster in Stadtamhof (Stadt Regensburg) geschenkt worden sei. Hier ist jedoch in Rechnung zu stellen, dass Ulrichs Gründung um die Mitte des 11. Jhs. ein Versuch geblieben war, da das Projekt am Widerstand der Regensburger Bischöfe Gebhard und Otto scheiterte und eine Schenkung Ulrichs dann ins Leere gelaufen wäre. Nach Fuchs, S. 28, könnte Ulrich die Bibel um 1063 in Italien erworben und in Folge an sein Kloster geschenkt haben. Dem ist jedoch entgegen zu halten, dass der Schenkungsvermerk mit Berschin, Palatina, S. 20, „um 1100“ zu datieren ist. Die Gründung des dann bis 1803 existierenden Chorherrenstifts St. Mang in Stadtamhof ist dagegen erst zwischen 1132/38 und 1144 zu datieren. Fuchs weist auf eine zweibändige (!) große Bibel im Bestand des Klosters hin, deren Beschreibung zum Aussehen von Pal. lat. 3, Pal. lat. 4 und Pal. lat. 5 passe (S. 23, S. 27f.). Dann bliebe allerdings zu klären, wann die noch um 1610 im Kloster vorhandene zwei- in eine dreiteilige Bibel umgebunden worden sein soll. Des Weiteren müsste die Bibel dann doch relativ schnell nach 1610 und noch vor dem Abtransport der Palatina nach Rom (1622) in die Heidelberger Bibliothek gelangt sein, da sie sich heute unter den Beständen der BAV befindet. Roth, Literatur, S. 33, führt die Bibel auf, nennt jedoch nur die Arbeit von Bauerreis, Riesenbibel, und weist die Bände folglich ohne weitere Begründung dem St. Mangkloster in St. Gallen zu. Mit der ohne Begründung vertretenen Meinung, die Bibel sei ehedem Eigentum des Klosters Lorsch gewesen und von dort in die Palatina gelangt, hat Beissel, Miniaturen, S. 11, die Forschung auf eine falsche Spur gesetzt; diese Behauptung wurde in der Literatur mehrfach aufgegriffen (zuletzt von Bauerreis, Riesenbibel, S. 91), obwohl sie schon von Garrison, Studies Italian Painting I, S. 10f., als haltlos widerlegt wurde.
Besonderheiten
Über weitere Strecken in der Scriptura continua geschrieben. An verschiedenen Stellen ist die Textfolge gestört: So folgt auf Nm 6,15 gleich Nm 16,15 (46v/47r). Es ist allerdings nicht ersichtlich, ob hier Bll. fehlen oder der Schreiber einen Fehler gemacht hatte; eine Hand des 16. Jhs. (?) weist auf die Fehlstelle hin. Auch bei 98v auf 99r Textverlust: Text bricht ab bei So 1,15 und setzt wieder ein mit Za 2,6; es fehlt das gesamte Buch Haggia. Hier ist das mittlere Doppelbl. der Lage verloren, jedoch schon älterer Verlust vor dem Transport nach Rom, da die römische Foliierung durchläuft. Vermerk von derselben Hand des 16. Jhs. (?): Defectus (98v). Eine weitere Textlücke ist bei 143v auf 144r; hier fehlt Bar 6,2–72. Ein Einzelbl. ging hier verloren, wie auch die zugehörige Lage zeigt (IV-1)148; jedoch schon älterer Verlust, da die römische Foliierung auch hier durchläuft. Die Abfolge der biblischen Bücher weicht von der üblichen Reihenfolge der Vulgata wie folgt ab: Genesis, Exodus, Leveticus, Numeri, Deuteronomium, Josua, Richter, Rut, Hosea, Joel, Amos, Obadja, Jona, Micha, Nahum, Habakuk, Zefanja, [Haggia,] Zacharias, Malachias, Jesaia, Jeremia (Jeremia, Klagelieder, Baruch), Hesekiel, Daniel. Die weiteren Teile der Bibel sind Pal. lat. 4 (2. Teil des Alten Testaments) und Pal. lat. 5 (Neues Testament und Psalmen).

Faksimile
http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_lat_3
Literatur
Larry M. Ayres, The Bible of Henry IV and an Italian Romanesque Pandect in Florence, in: FS Florentine Mütherich, München 1985, S. 16f.; Romuald Bauerreiss, Eine Riesenbibel des 11. Jahrhunderts angeblich für das Kloster St. Mang in Füssen, in: FS Max Spindler, München 1969, S. 91–97; Stephan Beissel, Vatikanische Miniaturen, Freiburg 1893, S. 11f.; Knut Berg, Studies in Tuscan Twelfth Century Illumination, Oslo 1968, S. 78; Berschin, in: Palatina 1, S. 133f.; Berschin, Palatina, S. 19–21; Albert Boeckler, Abendländische Miniaturen bis zum Ausgang der romanischen Zeit, Berlin / Leipzig 1930, S. 67–71; Walter Cahn, Die Bibel in der Romanik, München 1982, Nr. 135; Heinrich Fichtenau, Neues zum Problem der italienischen Riesenbibeln, in: MIÖG 50 (1950), S. 50–67; Franz Fuchs, Bildung und Wissenschaft in Regensburg, Sigmaringen 1989, S. 23–28; Edward B. Garrison, Studies in the History of Medieval Italian Painting 1, ND London 1993, S. 10f., S. 49f.; Edward B. Garrison, Studies in the History of Medieval Italian Painting 2, ND London 1993, S. 131–140; Margit Krenn/Christoph Winterer, Mit Pinsel und Federkiel. Geschichte der mittelalterlichen Buchmalerei, Darmstadt 2009, S. 87; OVL, Pal.lat.3; Christoph Roth, Literatur und Klosterreform. Die Bibliothek der Benediktiner von St. Mang zu Füssen im 15. Jahrhundert, Tübingen 1999 (Studia Augustana 10), S. 33.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

1) 1ar–87rb, 88ra–167va Digitalisat

Beteiligte Personen
Hieronymus (GND-Nr.: 118550853).
Titel
Testamentum vetus, pars prior, cum prologis (wenn nicht anders angegeben, stammen sie von Hieronymus) .
Angaben zum Text
1va–3rb Hieronymus: Epistula 53 ad Paulinum und Prolog zum Pentateuch. (1.1 4rb–21ra) Gn mit Kapitelübersicht. (1.2 21ra–34vb) Ex mit Kapitelübersicht. (1.3 34vb–43va) Lv mit Kapitelübersicht. (1.4 44ra–53vb) Nm mit Kapitelübersicht. (1.5 54ra–67va) Dt mit Kapitelübersicht. 67va–b Prologzum Buch Josua. (2. 67vb–76va) Ios mit Kapitelübersicht. (3. 76vb–86ra) Idc mit Kapitelübersicht. (4. 86ra–87rb) Rt. 88ra Prolog zum Buch Hosea. (5. 88ra–90rb) Os 1–14. 90rb–90va Prolog zum Buch Joel. (6. 90rb–91va) Ioel. 91va Prolog zum Buch Amos. (7. 91vb–93va) Amos. 93va Prolog zum Buch Obadja. (8. 93vb–94ra) Abd. 94ra–b Prolog zum Buch Jona. (9. 94rb–94vb) Jona. 95ra Prolog zum Buch Micha. (11. 95ra–96rb) Micha. 96va Prolog zum Buch Nahum. (12. 96va–97rb) Na. 97rb–97va Prolog zum Buch Habakuk. (13. 97va–98rb) Hab. 98rb–98va Prolog zum Buch Zefanja. (14. 98va–98vb) So 1,1–15; der Rest des Buchs bis Kapitel 3,20 Textverlust; es fehlt das gesamte Buch Haggia; Text setzt wieder ein mit (15. 99ra–101ra) Za 2,6–14. 101ra–b Prolog zum Buch Malachias. (16. 101rb–101vb) Mal. 102ra–b Prolog zum Buch Jesaia und Vermerk zu Jesaias Tod. (17. 102rb–119va) Is . 119vb–120ra Prolog zum Buch Jeremia. (18. 120ra–143vb) Jeremia: Jeremia, Klagelieder und Baruch. (18.1 120ra–140vb) Ier. (18.2 140vb–273rb) Lam. (18.3 142va–143vb) Bar 1–6; es fehlen Kapitel 6,2–72. 144ra Prolog zum Buch Hesekiel. (19. 144rb–160va) Ez. 160vb–161ra Prolog zum Buch Daniel. (20. 161ra–166va) Dn (mit Kapitel 13–14, fehlerhafte Kapitelzählung). 167v Schenkungsvermerk Udalrichs.
87v bis auf Bleistiftskizzen leer.
Incipit
1r ›INCIPIT EPISTOLA SANCTI IERONIMI PRESBITERI AD PAVLINVM EPISCOPVM DE OMNIBVS DIVINI HISTORIAE LIBRIS‹.
Explicit
167va … et deuoranti sunt in momento coram eoEXPLICIT LIBER DANIHELIS.‹.
Edition
Biblia sacra iuxta vulgatam versionem, hrsg. von Robert Weber / Roger Gryson, Stuttgart 52007, S. 3–766, S. 957–1512 (mit den Prologen des Hieronymus); Hieronymus, Epistula 53 ad Paulinum: Migne PL 22, Sp. 325; CSEL 54, S. 442f.


Bearbeitet von
Dr. Uli Steiger, Universitätsbibliothek Heidelberg, 30.09.2016.


Zitierempfehlung:


Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 3. Beschreibung von: Dr. Uli Steiger (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2016.