Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 32

Psalterium feriatum

Pergament, Papier · 3, 130, 3 Bll. · 17,1–17,2 × 11,7–12,0 cm · Südwestdeutschland / Ostfrankreich (?) · 13. Jh. (Mitte?)


Schlagwörter (GND)
Psalter.
Entstehungsort
Südwestdeutschland / Ostfrankreich (?).
Entstehungszeit
13. Jh. (Mitte?).
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Pergament (Vor- und Nachsatzbll. Papier).
Umfang
3, 130, 3 Bll.
Format (Blattgröße)
17,1–17,2 × 11,7–12,0 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
Codex, verbunden und nicht vollständig. (II-1)3a (mit Spiegel) + III6 + 13 IV110 (mit einem ungezählten Bl. nach Bl. 97, mit Bl. 78a und 99a) + (II-1)113 + 2 IV129 (mit Bl. 124a) + (II-1)132* (mit Spiegel).
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
Fehlerhafte römische Foliierung des 17. Jhs. (1–129), nach Bl. 97 ist ein Bl. nicht gezählt; Vor- und Nachsatzbll. sind nicht gezählt ebenso wie die eingeklebten kleineren Papier-Bll. nach Bl. 78, 99 und 124, daher wird hier bei der Beschreibung die Zählung des Digitalisats übernommen.
Zustand
Pergament vor allem in der unteren Hälfte der Bll. stark braun verfärbt, verschmutzt und teilweise stockfleckig sowie mit (nicht mehr aktivem?) Schimmel (älterer Wasserschaden?), was die Lesbarkeit zum Teil erheblich einschränkt; Knicke, Falten sowie Fehlstellen und Risse, zum Teil ausgebessert, Fehlstellen ergänzt (in der Regel Hinterklebungen mit Pergament: vereinzelt älteres Pergament mit einem notierten Text verwendet, evtl. ein Antiphonar?). Vereinzelt Wurmlöcher und Insektenfraß. Immer wieder noch sichtbare Bearbeitungsspuren des Pergamenters. Verschiedentlich neuere Falzverstärkungen. Tinte stellenweise abgegriffen, berieben und verblasst.

Schriftraum
13,0–13,6 × 8,7–9,0 cm.
Spaltenanzahl
Textblock; 2 Spalten (Litanei).
Zeilenanzahl
20 Zeilen (Psalter), 29–32 Zeilen (Kalendar).
Angaben zu Schrift / Schreibern
Geschrieben in einer durchaus qualitätvollen gotischen Minuskel von einer Hand in der Mitte des 13. Jhs., wie die teilweise durchgängige Verwendung von i-Strichen wahrscheinlich macht; einfache gotische Kursive und Bastarda für die Nachträge von verschiedenen Händen.
Buchgestaltung
Einfacher Aufbau des Kalendariums in drei Spalten: Sonntagsbuchstabe, römische Tagesdatierung, Heiligen- bzw. Kirchenfest; als Überschrift wird lediglich der Monatsname angegeben. Die Tagesdatierung sowie der Monatsname in Rot; die Kalenden sind jeweils durch große rote Lombarden mit blauem Fleuronné besonders betont, meist durch Beschnitt beschädigt. Die aufgeführten Heiligen- und Kirchenfeste sind durchgängig in schwarz geschrieben, die Hauptfeste werden durch rote Streichungen hervorgehoben. Die Sonntagsbuchstaben a–f sind bis auf a (rot) in schwarzer Tinte angegeben. Darüber hinaus weist das Kalendarium keine weiteren Schmuckelemente auf. Die Nachträge sind meist ohne besondere Beachtung der Zeilen angefügt, zum Teil mit Verweiszeichen und Strichen den richtigen Tagen zugeordnet. Die Anfänge der Psalmen sind durch rote Lombarden mit grünem oder blauem Fleuronné in unterschiedlicher Größe gekennzeichnet, zum Teil stehen sie vor grünem Grund; innerhalb der Psalmen sind die einzelnen Verse durch rote Satzmajuskeln hervorgehoben. Die Gruppen kombinierten Ferial- und formalen Dreiteilung werden durch größere farbige Schmuckinitialen mit Polypenranken- und Tierverzierungen vor goldenem Grund gekennzeichnet. Tintenlinierung teilweise noch schemenhaft erkennbar. Der Abschnitt mit den Cantica folgt in seinem Layout dem Psalter: rote Lombarden mit unterschiedlichen Fleuronnéverzierungen für die Anfänge der Cantica, Versunterteilung durch rote Satzmajuskeln angegeben. Der Beginn der Litanei wird lediglich durch eine rote Lombarde mit blauem Fleuronné gekennzeichnet, die weiteren Abschnitte, wie die Heiligennamen oder die Gebetsanfänge, durch einfache rote Satzmajuskeln.
Buchschmuck
s. Nuchgestaltung.

Nachträge und Benutzungsspuren
Korrekturen, Rasuren, Streichungen und Ergänzungen, von Händen des 14.–16. Jhs.; nachgetragene Heiligennamen und nekrologische Notizen im Kalendar von verschiedenen Händen des 14. und 15. Jhs. Eingeklebt sind heute drei kleine Papier-Bll. (78a, 99a und 124a), die von einer nachlässigen Hand des 14. Jhs. mit den Anfängen der Matutinen für verschiedenen Wochentage beschrieben wurden. Zahlreiche Randnoten, die von verschiedenen Händen des 13. bis 15. Jhs. hinzugefügt wurden. Die Nachträge umfassen: Invitatorien, Antiphone und Fürbitten.

Einband
Schmuckloser römischer Einband um 1780: helles Pergament über Pappe, Deckel ohne Verzierungen, spärliche Reste von rohweißen (seidenen?) Bindebändern; Rücken: am Kopf ein querrechteckiges mit einer schwarzen Volutenkartusche bedrucktes Signaturschildchen der BAV: 32 [: in Rot]; darunter Rückentitel: Psalterîum; wiederum darunter ein querrechteckiges, blaues Signaturschildchen der BAV: Pal. lat. 32; am Schwanz die hs. Signatur: 32. Vgl. Schunke, Einbände 2.2, S. 813.
Provenienz
Südwestdeutschland / Oberrhein? / Ostfrankreich (?) / Diözese Straßburg (?) / Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
Vorderspiegel mit blauem aufgeklebtem Signaturschildchen der BAV: Pal. lat. 32; 1ar römische Signaturen: 32 und Pal. [: in Rötel], darunter eine ältere römische Signatur: 28 [gestrichen]; 3av Signatur: Pal.; 1r Capsa-Nummer: C. 138, darunter die Allacci-Signatur: 434 [gestrichen], ältere Signatur am unteren Rand: 421 [?, gestrichen]. 1r, 7r und 129v Stempel der BAV. Geschrieben wurde der Codex wohl in der Mitte des 13. Jhs. in Südwestdeutschland bzw. Ostfrankreich und soll dann in einem Nonnenkloster in Gebrauch gewesen sein; vgl. Ehrensberger, Libri liturgici, S. 31. Die im Kalendar und der Litanei genannten (auch nachgetragenen) Heiligen machen lediglich eine Entstehung und spätere Aufbewahrung im südwestdeutschen bzw. ostfranzösischen Raum und den angrenzenden Gegenden wahrscheinlich; eine genauere Bestimmung des Entstehungsortes ist nicht möglich. Ehrensberger, Libri liturgici, S. 31, gibt außer dem unspezifischen Verweis auf ein Nonnenkloster den Hinweis auf die Diözese Worms als möglichen Entstehungsraum, was er dadurch begründet, dass es sich bei dem Kalendar um ein „Kalendarium Wormatiense“ handele. Dem widerspricht Salmon, Manuscrits liturgiques, S. 17, der es eher der Diözese Straßburg zuweist („plutôt de Strasbourg“). Vergleicht man die bei Grotefend, Zeitrechnung II.1, S. 176–180, S. 205–208, für beide Diözesen angegebenen Kalendare mit dem der Hs., so lässt sich beidermaßen keine eindeutige Übereinstimmung feststellen. Die nekrologischen Einträge stützen jedoch die Vermutung Salmons und geben so zumindest einen Hinweis auf den Aufbewahrungsort der Hs. im 15. bzw. 16. Jh.: 9. Februar: obiit Ottilia Ljebenstein anno lxxxxiiii (1v); 9. August: obiit Elisabet vxor Jacobi de Gunsteten anno dominj m vc vnnd jx Jaer (4v); 1. Dezember: obiit pater meius Theodericus de Gunstetten Anno lxiiij Kalendas Decembris (6v). Ein weiterer Sterbevermerk zum 18. Dezember könnte möglicherweise einen Konrad von Andlau betreffen; jedoch ist die Stelle zu verderbt, um den Namen exakt zu ermitteln (6v). Die Genannten verweisen so in das Elsass und wohl auch in das Bistum Straßburg, haben doch die beiden Familien von Liebenstein (Burg bei Liebsdorf, Dép. Haut-Rhin) und von Gunstetten (Gunstett, Dép. Bas-Rhin) ihre Stammsitze im Ober- bzw. Niederelsass; vgl. Ernst H. Kneschke, Neues allgemeines deutsches Adels-Lexicon 1, Leipzig 1859, S. 78f.; Otto von Alberti, Württembergisches Adels- und Wappenbuch, Stuttgart 1889–1916, S. 256. Dies deutet darauf hin, dass auch das Psalterium in diesem Umfeld in einem Kloster aufbewahrt worden sein könnte; weitere Hinweise fehlen freilich. Darüber hinaus bezeugt die Formulierung obiit pater meius, dass das Psalterium zunächst für den Privatgebrauch einer Nonne hergestellt worden war und erst nach deren Tod bzw. Ausscheiden aus dem Kloster in dessen Besitz gelangte.
Besonderheiten
Die Hs. wurde offenbar in Rom bei der Neubindung komplett verbunden, nachdem sie dort bereits zuvor in der falschen Folge foliiert worden war. Die Überprüfung des Textes ergibt die folgende korrekte Abfolge der Lagen bzw. der Bll.: 1r–6r (Kalendarium), 7r–14v, 48r–129v, 15r–47v (Psalterium, Cantica und Litanei). Der Kodex ist jedoch unvollständig; der Schluss der Litanei bzw. der gesamten Hs. fehlt; sie bricht 47v ab mit: … et conseruare digneris. t. Ut re[---.

Faksimile
http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_lat_32
Literatur
Henry M. Bannister, Index codicum manuscriptorum ad liturgicam rem spectantium, Bibliotheca Vaticana (sala cons. mss., num. 509), 23v; Ehrensberger, Libri liturgici, S. 31; OVL, Pal.lat.32; Salmon, Mss. liturgiques, S. 17 (mit älterer Literatur); Schunke, Einbände 2.2, S. 813; Stevenson, Latini, S. 5.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

) 1r–129v Digitalisat

Titel
Psalterium.
Angaben zum Text
1r–6v KALENDAR. Die Einträge der Kirchen- und Heiligenfeste sowie auch die Nachträge des 13. Jhs. deuten auf eine südwestdeutsche (oberrheinische?) bzw. ostfranzösische Diözese hin. Eine genauere Bestimmung ist jedoch nicht möglich. 7r–14v, 48r–129v, 15r–34v PSALMEN nach der Septuaginta. Die Psalmen sind in zehn Gruppen unterteilt; markiert sind in Kombination die Anfänge der Matutinen und der Sonntagsvesper nach der liturgischen Achtteilung (Ps [1], 26, 38, 52, 68, 80, 97 und 109) mit Ps [1], 51 und 101 nach der rein äußerlichen und formalen Einteilung des Psalters in drei Teile. Vgl. dazu Günther Haseloff, Die Psalterillustration im 13. Jahrhundert. Studien zur Geschichte der Buchmalerei in England, Frankreich und den Niederlanden, Kiel 1938, S. 5f. 35r–45v CANTICA. (1. 35r) Canticum Isaiae, Is 12,1–6. (2. 35r–36r) Canticum Ezechiae, Is 38,10–14 und 17–20. (3. 36r–v) Canticum Annae, I Rg 2,1–10. (4. 36v–37v) Canticum Moisi, Ex 15,1–4, 8–13 und 17–18. (5. 37v–39r) Canticum Habacuc, Hab 3,2–4, 13 und 15–19. (6. 39r–41v) Canticum Moisi, Dt 32,1–12. (7. 41v–42r) Te deum laudamus. (8. 42v) Canticum Zachariae, Lc 1,68–79. (9. 43r–v) Canticum trium puerorum, Dan. 3,57–88 und 56. (10. 43v–45r) Athanasianisches Glaubensbekenntnis. (11. 45r–v) Canticum Mariae virginis, ‚Magnificat’, Lc 1,46–55. (12. 45v) Canticum Symeonis, Lc 2,29–32. 45v–47v HEILIGENLITANEI MIT FÜRBITTEN UND ORATIONEN. Kyrieleison Christeleison. Christe audi nos· … 47v … et conseruare digneris. t. Ut re[---; der Text bricht an dieser Stelle ab.
Incipit
1r Kalendae / [Dies aegyptiacus:] Iani prima dies et septima fine timetur … (Thorndike / Kibre, Sp. 651; Walther, Init. carm. 9771) .
Weiteres Initium
7r Beatus uir qui non abiit in consilio impiorum …; Ps 1,1.
Explicit
47v … et conseruare digneris. t. Ut re[---.
Edition
Biblia sacra iuxta Vulgatam versionem, hrsg. von Robert Weber / Roger Gryson, Stuttgart 52007, S. 770–954 (Psalter).


Bearbeitet von
Dr. Uli Steiger, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2024.


Zitierempfehlung:


Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 32. Beschreibung von: Dr. Uli Steiger (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2024.


Katalogisierungsrichtlinien
Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.