Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 345,2

Theologische Sammelhandschrift

Papier · 1, 148, 1 · 28,6–28,8 × 20,5–21 cm · Südwestdeutschland (?) · 4. Viertel 14. Jh. / Mitte 15. Jh.


Schlagwörter (GND)
Theologie / Messe / Kanonistik.
Entstehungsort
Südwestdeutschland (?).
Entstehungszeit
4. Viertel 14. Jh. / Mitte 15. Jh.
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Papier.
Umfang
1, 148, 1.
Format (Blattgröße)
28,6–28,8 × 20,5–21 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
(I-1)1a + 3 VI189 + 3 VII230 + (VI-1)241 + 4 VI289 + (VI-1+1)301 + (I-1)302*. Bl. 1a bildet mit dem Vorderspiegel ein Doppelblatt. Foliierung fehlerhaft (228 und 228bis). Das Doppelbl. 204/ 217 wurde Mitte des 15. Jhs. ausgetauscht und neu mit dem betreffenden Textabschnitt beschrieben. Ebenso das Doppelbl. 278/ 289. Bl. 301 wurde wohl später (Mitte 15. Jh.?) ausgetauscht. Der Gegenfalz des Einzelblattes ist nach 290 sichtbar. 302* bildet mit dem Hinterspiegel ein Doppelblatt.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
Tintenfoliierung, Rom 17. Jh. (154–228, 229–301). Nach 228 ein Bl. übersprungen, später in Bleistift nachfoliiert 228bis. Textreklamanten. 203v 5us.
Zustand
Große Teile der Hs. im oberen Drittel der Seiten durch Wasserschaden in der Lesbarkeit beeinträchtigt. Der Wasserschaden war offenbar schon vor dem Eintrag der römischen Foliierung eingetreten, denn diese weicht den entstandenen Fehlstellen aus. Textspiegel der Seiten durch Tintenfraß geschädigt, deshalb mit transparentem Papier überklebt (heute etwas vergilbt). Bl. 301 fragmentiert (Textverlust).
Wasserzeichen
Bl. 157, 160, 161, 163, 164 Ochsenkopf mit einkonturiger Stange und Stern (einkonturig, sechsstrahlig) mit Augen, Kontur der Stirn gewellt. Zwei Varianten. WZIS DE8085-PO-67718 (Beschriftung belegt 1393, Backnang). Bl. 165 Ochsenkopf mit einkonturiger Stange, Stern (sechsstrahlig, einkonturig) mit Augen und Nasenlöchern, Augen mit Verbindungsstrichen. Ähnlich WZIS MS_4°_H_3365_1_312. Bl. 167, 170, 172, 174, 175, 177, 180, 183, 188, 189, 199 Lilie stilisiert mit Stern auf Stange (achtstrahlig, einkonturig), zwei Varianten. Bl. 181 Ochsenkopf mit Augen darüber frei ein Kreis. Vergleichbar mit WZIS DE2730-PO-64505. Bl. 182 Ochsenkopf mit einkonturiger Stange, Kreuz (einkonturig, Kreuzbalken schräg), mit Augen und Maul. Ähnlich WZIS IT5235-PO-78218. Bl. 190, 191, 192, 196, 198, 200, 201, 205, 208, 209, 211, 214, 215, 218, 222, 223, 225, 228bis, 229 Löwenmaske en face mit Stern auf Stange (einkonturig). Zwei Varianten. Vergleichbar mit WZIS DE6405-PO-86303. Bl. 217 Buchstabe P, gotische Form, Schaftfuß gespalten, Bogenende hinter dem Schaft, Bogenende mit Dorn (einkonturig). Alle Papiere mit motivisch vergleichbaren Wasserzeichen (z. B. WZIS DE8085-PO-107741) wurden in den 1450er oder 60er Jahren beschriftet. Das Bl. wurde, zusammen mit dem Gegenbl. 204 Mitte des 15. Jhs. ausgetauscht und neu beschrieben (s. Lagen, Schrift und Text 1). Bl. 231, 232, 233, 236, 237, 241, 242, 248, 249, 250, 251, 252, 259, 261, 262, 263, 264, 265, 267, 268, 271, 273, 274, 277, 284, 285, 286, 287, 288, 290, 291, 294, 298, 299 Ochsenkopf mit einkonturiger Stange, Stern (sechsstrahlig, einkonturig), ohne Gesichtsmerkmale, Kinn rund. Zwei Varianten. Vergleichbar mit WZIS DE0510-CodII12_108_141. Bl. 278 Traube am Rebstock. Alle Papiere mit motivisch vergleichbaren Wasserzeichen wurden in den 1450er oder 60er Jahre beschriftet (z. B. WZIS DE0510-CodII12_148_89). Das Bl. wurde, zusammen mit dem Gegenbl. 289 Mitte des 15. Jhs. ausgetauscht und neu beschrieben (s. Lagen, Schrift und Text 1). Bl. 296 Ochsenkopf mit Augen, einkonturige Stange darauf Kreis, Kontur der Stirn glatt. WZIS CH0780-PO-64683 (Beschriftung belegt 1392, Basel).

Schriftraum
22–23,2 × 14,5–16,5 cm.
Spaltenanzahl
2 Spalten.
Zeilenanzahl
37-44 Zeilen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Bastarda mit kursiver Tendenz. Ab 120r gotische Kursive. Zumeist viele Kürzungen. Mindestens sechs Schreiberhände (153ra-203vb und 205ra-216vb und 218ra-227rb, 227va-228rb, 229ra-230rb, 231ra-277vb, 279ra-300vb). 204ra–204vb und 217ra–217vb von anderen, etwas später zu datierenden Händen als die angrenzenden Textabschnitte geschrieben (vgl. auch Lagen und Wasserzeichen), ebenso Bl. 278ra–278vb und 289ra–289vb (s. Texte 1 und 5). Bl. 301 wurde Mitte des 15. Jhs. (?) ausgetauscht.
Buchgestaltung
Spaltenbegrenzungen dünn in Tinte gezogen. Rubriziert. Rote Capitula-Zeichen. Unterstreichungen in roter und schwarzer Tinte. Zum Teil mit Punktverdickungen. Satzinitialen rot gestrichelt. Zwei- bis dreizeilige rote Lombarden zu den Textabsätzen, zum Teil mit Punktverdickungen. 229rab Lombarden in schwarzer Tinte und rot-schwarzem Dekor. 231ra achtzeilige rote Lombarde zum Textbeginn, Textincipit in roter Auszeichnungsschrift (Textura- und Bastardaformen).

Nachträge und Benutzungsspuren
231r–301v gelegentlich Randeinträge.

Einband
Weißes Pergament mit Goldpressung auf Pappen. Rom, 1846–1878. Glatter Rücken. Oben das blaue Signaturschild der BAV. Darunter in Goldpressung das Wappen von Papst Pius IX. (Pontifikat 1846 bis 1878). Darunter rotes Lederschild mit Goldpressung Pal. 345. Unten die Bandbezeichnung: P. 2. Kapital mit hellblauen und violetten Seidenfäden umwickelt. Schunke, Einbände 2,2, S. 829, vgl. Schunke 1, S. 257.
Provenienz
Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
Die beiden Teile von Pal. lat. 345 entstanden im Zuge des Neueinbandes im 19. Jh. (s. zu Pal. lat. 345,1). Der heutige zweite Band entstand fast ausschließlich Ende des 14. Jhs., lediglich zwei Doppelbll. gehören zur Zeit um 1450 (s. zu Wasserzeichen und Schrift). Der ursprüngliche Band entstand somit im wesentlichen in zwei Kampagnen, in den 1390er Jahren und um 1450. Auf welchem Weg er nach Heidelberg gelangte, ist unklar. 1623 mit den Bänden der Bibliotheca Palatina in die Vatikanische Bibliothek verbracht. Dort wurde die gesamte Hs. durchgehend foliiert und erhielt die Signatur Pal. lat. 345. Später wurde der Band in zwei Teile geteilt (s. Einband) und diese separat eingebunden. Möglicherweise war der Anlass die Kaschierung der Bll. mit transparentem Papier, um künftige Verluste durch Tintenfraß zu vermeiden. Die nun erheblich größere Dicke des 301 Bll. umfassenden Bandes mag der Grund für die Teilung gewesen sein. Signatureintrag 154r unten: 345. Pal: parte 2a.

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_lat_345_2
Literatur
Montuschi, Le biblioteche, S. 314; Petr, Soupis 1, S. 58–63; Stevenson, Latini, S. 92f.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

5) 154ra–227rb Digitalisat

Verfasser
Bernardus de Parentinis (pars secunda).
Titel
Tractatus de officio missae.
Angaben zum Text
Der zweite Teil des Traktats, Fortsetzung des Beginns in Pal. lat. 345,1 (142ra–153vb). Auf das Textende 227ra folgt eine lange Schlussrubrik, deren Ende 227rb aufgrund des Wasserschadens nur sehr unvollständig lesbar ist. Kaeppeli, Scriptores OP, S. 230–232, Nr. 643. Zumkeller, Mss. OESA, S. 137f., Nr. 313. S. auch Franz, Messe, S. 502–506. Das Doppelbl. 204/217 wurde Mitte des 15. Jhs. ausgetauscht und neu beschrieben, wobei 204vb eine Lücke entstand (von anderer Hand: hic nullus defectus mit Zeigehand), s. Wasserzeichen. Ebenso ausgetauscht wurde das Doppelbl. 278/289. Auf 289vb geriet der Schreiber des ausgetauschten Teils in Platznot und schrieb bis in den Fußsteg hinein in kleiner werdender Schrift.
Incipit
154r /autem [est manifestum tunc … ] durch Wasserschaden unleserlich (s. zum Zustand der Hs.).
Weiteres Initium
154ra Quantum ad altare videndae sunt quatuor conditiones …
Explicit
227ra … in panem species verteretur quod in vitas patrum legitur semel [?] factum et cetera.Explicit tercia pars huius operis et per consquens totum opus de quo sit Christus Ihesus benedictus in secula seculorum. Amen‹. ›Et sic finitur noster tractatus de missa in tres partes divisusquod nobis concedat dei filius benedictus. Amen et cetera‹.
Edition
GW M29413–M29439.

6) 227rb Digitalisat

Titel
Versus.
Angaben zum Text
(227rb) Über den Hl. Geist. 2 Verszeilen. Walther, IC, Nr. 19536; Chevalier, RH, Nr. 20705. (227rb) Versus de domina nostra. 13 Verszeilen, Petrus Comestor zugeschrieben. Walther, IC, Nr. 17728 (Hs. genannt). Die letzten drei Zeilen nicht im Druck bei Migne (s. u.) enthalten.
Rubrik
227rb ›Versus de spiritu sancto‹.
Incipit
227rb Tu spiras ubi vis, tua munera dividis
Weiteres Initium
227rb Si fieri posset quod arenae pulvis et undae …
Explicit
227rb … Quatenus solamen sis nobis omnibus amen.
Edition
Versus de domina nostra: Migne PL 198, Sp. 1046.

7) 227va–228rb Digitalisat

Titel
Indulgentiae viginti ecclesiarum Romae.
Angaben zum Text
Zu den Ablässen der Kirchen in Rom. Unter dem Textende von späterer Hand: Sunt Rome mille quinquagente quinque capelle. Der Text findet sich wohl auch auf dem Rotulus: Kloster Vyšší Brod (Hohenfurth), Ms. 172 (Raphael Pavel, Beschreibung der im Stifte Hohenfurt befindlichen Handschriften, in: Die Handschriften-Verzeichnisse der Cisterciensier-Stifte …, Bd. 2, Wien 1891, S. 220). Anežka VIDMANOVÁ/ Ladislav VIDMAN, De urbis Romae topographia Alti Vadi asservata, in: Mnema Vladimír Groh (1895–1941), Prag 1964, S. 137–143.
Rubrik
227v ›Indulgentie … [unleserlich]‹.
Incipit
227v Beatus Silvester papa assignavit in cronica quod in omni ecclesia kathedrali
Explicit
228rb … et ibi sunt omni die duo milia annorum et cetera.Explicit indulgencie xxti ecclesiarum Rome‹.

8) 229ra–230rb Digitalisat

Verfasser
Albuinus Claraevallensis (GND-Nr.: 100935885).
Titel
Epistola de Antichristo.
Angaben zum Text
Der verschiedenen früh- und hochmittelalterlichen Autoren zugeschriebene Brief über den Antichrist mit einem Anhang über die Propheten Elija und Elischa. (229ra–230rb) Herbertho Coloniensis episcopo Albuinus. Suorum servorum ultimusQuare vocatus sit Antichristus. Igitur quia pium studium habetis … - … iudicabit qua ante secula iudicandum esse prefixit et cetera. (230rab) Helias iterum venturus est secundum Malachiam prophetam in fine mundi precessurus Christum … . Der Text über Elija und Elischa folgt recht frei dem entsprechenden Abschnitt in: Isidorus Hispalensis, De ortu et obitum patrum qui in scriptura laudibus efferuntur (Migne PL 83, Sp. 140f.). – 230v leer.
Rubrik
229r ›De antichristo, de Enoch et Elya‹.
Incipit
229ra Herbertho Coloniensis episcopo Albuinus. Suorum omnium servorum ultimus graciam
Weiteres Initium
230ra Elias iterum venturus est secundum Malachiam prophetam in fine mundi …
Explicit
230rb … mirabilia fecit, mortuus esset iam mortuum suscitavit, famem et siccitatem intulit populo et cetera et cetera.
Edition
„De antichristo“ unter den Werken Alkuins jedoch als Brief des Adso Dervensis an Königin Gerberta in: Migne PL 101, Sp. 1289–1298 (Hs. genannt Sp. 1289), der Beginn mit der Anrede Albuins an Heribert von Köln in: Migne PL 138, Sp. 185–186.

9) 231ra–301rb Digitalisat

Verfasser
Konrad von Soltau (GND-Nr.: 100964850).
Titel
Lectura super cap. I Decretalis ‚firmiter credimus‘.
Angaben zum Text
Bloomfield, ILWVV, Supplement, Nr. 2146, S. 146; Elisa Chiti, in: CALMA 3, S. 8f.; Giovanna Murano, Initia operum iuris canonici medii aevi. A shortlist of works, arranged by their incipit words (http://www.uni-leipzig.de/~jurarom/manuscr/murano/murano.htm). Jana Nechutová, Konrad von Soltau: Lectura super caput firmiter, in: Schriften im Umkreis mitteleuropäischer Universitäten um 1400: lateinische und volkssprachige Texte aus Prag, Wien und Heidelberg, hrsg. von Fritz Peter Knapp / Jürgen Miethke / Manuela Niesner, Leiden 2004, S. 3–19; Stegmüller, RS, 1039 und 176; Franz Joseph Worstbrock, in: VL 11, Sp. 883f. Der Text findet sich auch in Pal. lat. 330, 1r–160v; Pal. lat. 338, 175ra–253rb und Pal. lat. 350, 114ra–209ra.
Incipit
231ra Firmiter credimus et simpliciter confitemur. Fidem orthodoxam fidelium solidum et primum
Explicit
301rb … adimplebis me leticia cum vultu tuo, ad quam leticiam nos perducat trinitas individua in secula seculorum benedicta. Amen.


Bearbeitet von
Dr. Wolfgang Metzger, Universitätsbibliothek Heidelberg, 01.12.2023.


Zitierempfehlung:


Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 345,2. Beschreibung von: Dr. Wolfgang Metzger (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2023.