Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 422

De passione Christi

Pergament, Papier · 1, 24, 1 · 17,3–17,4 × 11 cm · Südwestdeutschland (?) · 2. Hälfte 15. Jh.


Schlagwörter (GND)
Passionsharmonie / Passion Christi / Leben Jesu.
Entstehungsort
Südwestdeutschland (?).
Entstehungszeit
2. Hälfte 15. Jh.
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Pergament, Vorsatzbll. Papier (1a, 24*).
Umfang
1, 24, 1.
Format (Blattgröße)
17,3–17,4 × 11 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
(I-1)1a + III5 + 2 IV21 + I23 + (I-1)24*. 1a bildet mit dem Vorderspiegel ein Doppelbl., 24* bildet mit dem Hinterspiegel ein Doppelbl.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
Tintenfoliierung, Rom 17. Jh. (1–2, 3–23). Nach 2 ein unfoliiertes Bl. (2a). Die Bezeichnung der nicht foliierten Bll. folgt dem Digitalisat (1a, 2a, 24*).
Zustand
23r Text etwas abgerieben.
Wasserzeichen
Aufgrund der Größe der Hs. nicht digitalisiert.

Schriftraum
9,8–12,4 × 6,5–9,5 cm.
Spaltenanzahl
1 Spalte.
Zeilenanzahl
14 Zeilen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Haupttext von einer Hand. Nachträge auf den Seitenrändern sowie 23v von mehreren Händen eingetragen.
Buchgestaltung
Seitliche Textraumbegrenzungen dünn mit Metallstift gezogen. Zeilenraster am Außenrand der Bll. dünn durchgenadelt. Zu den Textabsätzen überwiegend 2zeilige Lombarden in Dunkelrot und Blau (alternierend).
Buchschmuck
1r sechszeilige Ornamentinitiale zum Textbeginn. Buchstabenkörper in Lombardenform vor quadratischem Farbgrund (dunkelrot mit dünnem Goldrand). Im Binnenraum oben ein rosafarbenes Herz und Sterne, darunter Wolkenband von dem nach unten goldene Strahlen ausgehen. Buchstabenkörper in Blau mit stilisiertem Akanthusornament.

Nachträge und Benutzungsspuren
Randnotizen, kommentierende Einträge und Markierung liturgisch relevanter Stellen von verschiedenen Händen des 15. Jhs. 1r Titeleintrag: Libellus de passione Christi (16. Jh.).

Einband
Weißes Pergament auf Pappen. Glatter Rücken, oben das blaue Signaturschild der BAV, darunter dunkelrotes Lederschild mit Goldpressung Pal. 422. Gewebtes Kapitalband mit dunkelrotem Zickzackmuster. Rom um 1940. Schunke, Einbände 2,2, S. 835; vgl. Schunke, Einbände 1, S. 259f.
Provenienz
Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
Schrift und Ausstattung deuten auf eine Entstehung in der zweiten Hälfte des 15. Jhs. Wahrscheinlich ist eine Herkunft aus dem deutschen Südwesten. Im Katalog der Schloßbibliothek Pal. lat. 1929, 109r ("L in octavo") möglicherweise als Libellus de passione Christi, partim in membrana, partim in papyro [!] scriptus zu identifizieren (vgl. den Titeleintrag 1r, s. o. zu Nachträgen). Mit der Bibliotheca Palatina 1623 in die Vatikanische Bibliothek gelangt. Im Allacci-Register wahrscheinlich zu identifizieren unter: 440 Passio domini nostri Jesu Christi .8. C. 138 (Pal. lat. 1949, 41r). Besitzstempel der BAV 1r und 23v. Vorderspiegel blaues Signaturschild der BAV.

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_lat_422
Literatur
Stevenson, Latini, S. 123.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

1) 1r–23v Digitalisat

Beteiligte Personen
Conrad Grütsch (GND-Nr.: 118719041).
Titel
De passione Christi.
Angaben zum Text
Venit autem dies azimorum, in qua necesse erat occidi Pascha [Lc 22,7]. Prima ergo die azimorum quando Pascha ymolabant accesserunt discipuli ad Ihesum … [Mt 26,17]. … - … munierunt sepulchrum signantes lapidem cum custodibus [Mt 27,66]. Evangelienharmonie zum Passionsbericht aus nur geringfügig redigierten Versatzstücken des Vulgatatextes. Zu den spätmittelalterlichen Textversionen, etwa von Jean Gerson oder Bartolomeo Ricci, bestehen deutliche Unterschiede. Keine kommentierenden Textpassagen oder sonstige, vom Bibeltext weiter abweichende Stellen. Vgl. Christian Fesch, Ueber Evangelienharmonien, in: Zeitschrift für katholische Theologie 10 (1886), S. 225–244. Auswahl und Montage der Evangelienausschnitte weisen zumeist enge Parallelen zu der deutschsprachigen Passionsharmonie München, BSB, cgm 432, 152r–192r auf, allerdings finden sich auch Umstellungen. Siehe: Petra Hörner (Hg.), Passionsharmonien des Mittelalters. Texte und Untersuchungen, Berlin 2012, S. 29 und S. 171–208. Vgl. auch: Peter Ochsenbein, Passionshistorie 'Do es nahet di zit', in: VL2 11, Sp. 1167. Kommentare und Erläuterungen finden sich vereinzelt als zeitgenössische Nachträge auf den Seitenrändern, z. B. 6r Jero[nimus:] Gethzemani interpretatur vallis pigrissima in qua iussit discipulos sedere … .
Die Zuordnung der Stationen der Passion zu den Zeiten des Stundengebets werden an drei Stellen am Seitenrand vermerkt: 12v hora prima, 17v hora tercia, 20r hora sexta. Die weiteren Gebetsstunden hier nicht markiert.
Ebenfalls am Seitenrand wird auf die sieben letzten Worte Christi am Kreuz hingewiesen: 19r primum verbum: Pater dimitte eis; 20r secundum verbum: Amen dico; Tercium: Mulier ecce filius tuus; Quartum: Hely eloy; 20v Quintum: Sicio; Sextum: Consumatum est; Septimum: Pater in manus. Siehe hierzu: Tobias A. Kemper, Die Kreuzigung Christi. Motivgeschichtliche Studien zu lateinischen und deutschen Passionstraktaten des Spätmittelalters, Tübingen 2006 (MTU, 131), S. 316–388.
In insgesamt 11 Textblöcken auf den Seitenrändern findet sich ferner eine Passionsbetrachtung, die ausgehend von Ct 5,17 (Quo abiit dilectus tuus, o pulcherrima mulierum …) die 10 Wege des Bräutigams des Hohenliedes auf 10 Wege bezieht, die Jesus im Verlauf des Passionsgeschehens geht. Die Textblöcke stehen auf 1rv, 6v, 9v, 11v, 13v, 15r, 16r, 17v, 18v, 22r und 23v: (1r) [Q]uo abiit dilectus tuus, o pulcherrima mulierum [Ct 5,17]. Respondet: In Jerusalem ut ibi pascatur, In ortum ut ibi capiatur. Ad Annam ut alapetur, Ad Caypham ut diludaturAd sepulcrum ut sepeliatur. 10 Orte bzw. Wege. (1v) Quo abiit primo o pulcra. Sex oportet considerare in filio: Prodigiosam tradicionemdulcissimam instructionem. Sechs Punkte oder Betrachtungen zum ersten Weg. Die Texteinheiten auf 6v–22r behandeln die weiteren 9 Wege (6v: 2a via. In ortum ut ibi capiatur. Devote oravit, dormientes suscitavit … ). Die letzte Texteinheit, nach dem Ende der Passionsharmonie auf 23v eingetragen, listet abermals die 10 Wege auf und ordnet ihnen 6 Geschehnisse zu. (23v) [Q]uo abiit dilectusRespondebit filius: hac nocte et die hodierna decem vias abiitIn Jerusalem ut ibi pascatur … [wie 1r]. Dic queso pulcherrima mulierum o virgo quid factum sit cum filio tuo in prima via. Respondet Anselmus [?] in persona virginis: Prodigiosam prodicionem, dolorosam separacionem, stupendiosam humiliacionem, Jude infructuosam revocacionem, dulcissimam instructionem. Der Text setzt das Geschehen des Passionsberichtes in Bezug zum Hohenlied. Die Thematik findet sich auch in der Liturgie zum Fest der Schmerzensmutter (festum matris dolorosae), vgl. die Antiphon "Quo abiit dilectus tuus" (Cantus ID: 204192). Auch die "passio domini nostri Jesu Christi" des Johannes de Capestrano (Incipit "Quo abiit dilectus tuus", Stegmüller, RB 4282,11) beginnt mit dem Verweis auf Ct 5,17, weist jedoch keine weiteren Übereinstimmungen mit den hier überlieferten Textstücken auf.
20v am unteren Seitenrand, Oratio: O verbum ineffabile et cunctis seculis delectabile creator celi terreque, maris fons ortorum celestium, puteus aquarum vivencium, qui omnium graciarum pluentis redundat, hodie clamat: sicio. O mater clementissima que olim infanciamut filius tuus clamat: sicio, cuius sitim perfidi Iudei … - … sicio ad terram ut reddat signum compassionis. Nach der einleitenden Anrufung wird das "sitio" des fünften Wortes am Kreuz litaneiartig wiederholt (sicio ad te pater …, sicio ad te mater …). Das Gebet wird in Predigt 45 des Quadragesimale von Conrad Grütsch zitiert (pars ii, sexta dieta), vgl. GW 11554 (und etliche weitere Ausgaben). Der Franziskaner Conrad Grütsch war vor allem im Oberrheingebiet aktiv und wurde im Winter 1451–1452 als Bakkalaureus der Theologie an der Universität Heidelberg immatrikuliert (Christine Stöllinger, in: VL2 3, Sp. 291–294; Toepke, Matr. 1, S. 270).
Incipit
1r Venit autem dies azimorum in qua necesse erat occidi Pascha [Lc 22,7] …
Weiteres Initium
1r Quo abiit dilectus tuus … [Ct 5,17]. Respondet: In Jerusalem ut ibi pascatur … ; 1r O verbum ineffabile et cunctis saeculis delectabile …
Explicit
23r … munierunt sepulchrum signantes lapidem cum custodibus [Mt 27,66].
Edition
Textbestandteile der Passionsharmonie: Biblia sacra iuxta Vulgatam versionem, hrsg. von Robert Weber / Roger Gryson, Stuttgart 52007.


Bearbeitet von
Dr. Wolfgang Metzger, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2024.


Zitierempfehlung:


Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 422. Beschreibung von: Dr. Wolfgang Metzger (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2024.


Katalogisierungsrichtlinien
Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.