Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 455

Theologisch-komputistische Sammelhandschrift

Papier · 1, 239, 1 Bll. · 21,1 × 15,5 cm · Lauterhofen · 1438


Schlagwörter (GND)
Predigt / Homiliar / Traktat / praktische Theologie / Komputistik / Heiligenlegende.
Entstehungsort
Lauterhofen. LKr. Neumarkt, OPf.
Entstehungszeit
1438.
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Papier.
Umfang
1, 239, 1 Bll.
Format (Blattgröße)
21,1 × 15,5 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
(I-1)1a + 19 VI227 (mit Bl. a) + (VI-1)238 + (I-1)239*. 1a bildet mit dem Vorderspiegel ein Doppelbl., 239* bildet mit dem Hinterspiegel ein Doppelbl.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
Römische Foliierung des 17. Jhs. (1–238); Bl. a wurde als vorrömisches Vorsatzbl. nicht gezählt. Das moderne Vor- und Nachsatzbl. der Hs. sind nicht gezählt, daher wird hier bei der Beschreibung die Zählung des Digitalisats übernommen. – Regelmäßig Lagenreklamanten, teilweise in roter Rahmung bzw. mit roter Unterstreichung; zum Teil durch den Beschnitt beschädigt.
Zustand
Starker Wasserschaden im ersten Drittel der Hs., zum Teil mit Moderschäden und Ausbrüchen sowie größerem Textverlust am Beginn des Codex; Bll. wurden mit Japanpapier (?) kaschiert und gesichert. Bräunungen, Ränder teilweise bestoßen und mit kleineren Rissen. Tinte verwaschen, berieben und verblasst.
Wasserzeichen
Keine Wasserzeichen, da zu kleinformatig.

Schriftraum
16,0–16,5 × 12,0–12,5 cm.
Spaltenanzahl
1 Spalte.
Zeilenanzahl
31–32 Zeilen (Predigtsammlung); 41–43 Zeilen (Legende).
Angaben zu Schrift / Schreibern
Recht qualitätvolle Schrift mit zahlreichen Kürzungen von einer Hand, durchgängig eine Bastarda (mit der Tendenz zu einer schleifenlosen Bastarda) für die Predigtsammlung und die sich anschließenden Indices und Tabellen. Als Auszeichnungsschrift wird in diesem Teil der Hs. eine gotische Minuskel verwendet. Das nahezu durchgängig gebrauchte x-förmige r, das aus einem geraden Schaft und einem gleich großen, separat angesetzten c-förmigen Teil besteht, der Fahne und Fuß zugleich bildet, weist auf die Entstehung der Handschrift im bayerischösterreichischen Raum hin. Denn diese Form des Buchstabens blieb neben dem oberdeutschen Raum überwiegend auf Bayern-Österreich beschränkt (vgl. dazu Karin Schneider, Paläographie und Handschriftenkunde für Germanisten. Eine Einführung, Berlin/Boston 32014, S. 76f.). Die Legende des hl. Ulrich und die zugehörige Predigt sowie die theologisch-aszetischen Notizen wurden von zwei weiteren Händen in einer eher nachlässigen Bastarda mit zahlreichen Kürzungen (wenig später?) eingetragen.
Buchgestaltung
Blockhafte Anordnung des Textes. Die Predigten werden durch Rubriken angezeigt (bestehend aus: Tag bzw. Anlass der Predigt, Inhaltshinweise, Zählung). Die Anfänge selbst sind durch rote Lombarden mit meist schwarzem Fleuronnée und Schaftaussparungen (meist 3- bis 4-zeilig) sowie durch eine, in einer gotischen Minuskel geschriebenen ersten Zeile hervorgehoben; die Bibelzitate sind durchgängig rot unterstrichen. Die einzelnen Teile der Predigten werden durch rote Marginalien kenntlich gemacht (nach größeren partes sowie Fragen, um die es geht, Exempel und Mirakel gegliedert); zusätzlich werden auch noch Betreffe auf dem Rand ausgeworfen, die auf die wichtigsten Inhalte bzw. Themenstellungen hinweisen. Innerhalb der Predigten erfolgt eine weitere Gliederung durch rote Paragraphzeichen sowie durch Satzmajuskeln mit den üblichen Rubrizierungen. Zweifache Zählung der Predigten: in arabischen, zum Teil auch römischen Ziffern und auch ausgeschrieben, sowohl in Form von Seitentiteln als auch in den Rubriken. Predigtübergreifend erfolgt die Markierung der Abschnitte durch eine sich wiederholende durchlaufende Nummerierung a-z bzw. A-Z auf dem Rand; endet mit W auf 233r.

Nachträge und Benutzungsspuren
Anmerkungen und Ergänzungen von verschiedenen Händen. Wenige Korrekturen; vereinzelt Manikulae und Nota-Zeichen.

Einband
Römischer Einband zwischen 1869 und 1878: helles Pergament (über Pappe?). Rücken mit goldgeprägten Wappen von Papst Pius IX. und des Kardinalbibliothekars Jean-Baptiste Pitra sowie goldgeprägter Signatur in rotem Signaturschild und blauem Signaturschildchen. Vgl. Schunke, Einbände 2.2, S. 837.
Provenienz
Lauterhofen (LKr. Neumarkt, OPf.) / Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
Vorderspiegel mit Signaturschildchen. ar mit der römischen Signatur und einer weiteren älteren (römischen?) gestrichenen Signatur: 444 [?]. av mit einem Titel von einer Hand des 17. Jhs. (?): Discipuli Manúale Sermonum; von derselben Hand eine weitere Titelangabe auf 1r, mit dem Hinweis auf das Kolophon, wo der Autor der Predigtsammlung genannt ist: Discipúli manúale sermonúm et cetera úide in fine. Die Hs. wurde 1438 in Lauterhofen geschrieben; vermutlich ist Lauterhofen im LKr. Neumarkt, OPf. gemeint, denn die Verwendung des x-förmigen r blieb neben dem oberdeutschen Raum überwiegend auf Bayern-Österreich beschränkt (vgl. dazu Karin Schneider, Paläographie und Handschriftenkunde für Germanisten. Eine Einführung, Berlin/Boston 32014, S. 76f.) und würde daher für besagtes Lauterhofen sprechen. Kolophon 222r: Scriptus Jn Lautterhofen Anno domini 1438. Jn vigilia annuncciaconis [!] Marie virginis gloriose et fuerat feria tercia post letare [= 24. März 1438]. Die Datierung weist jedoch eine kleine Unstimmigkeit auf, da der 24. März 1438 ein Montag und nicht der Dienstag war; es sei denn, die Tagesangabe bezöge sich auf den Tag Mariä Verkündigung, sodass dann der Wochentag korrekt wiedergegeben wäre. Der erste Teil des Kolophons liefert zum einen den Namen des Autors der Predigten, zugleich bietet er auch eine Begründung, warum die Zusammenstellung der Predigten in der vorliegenden Form 1435 entstanden ist: Sie soll armen Geistlichen, die sich keine vollständige Ausgabe der ‚Sermones de tempore‘ des Johannes Herolt („Discipulus“) leisten bzw. anfertigen lassen konnten, mit den wichtigsten Predigten ausstatten, damit auch sie ohne große Mühen die Predigten kurz bzw. übersichtlich und leicht studieren und auch selbst predigen könnten, auch wenn sie in vielfältiger Hinsicht beschäftigt sind: Explicit manuale sermonum Discipuli collectum ex sermonibus eiusdem Discipuli de tempore Anno domini 1435 Et hoc propter pauperes sacerdotes qui non possunt sibi comparare totum librum sermonum Discipuli de tempore Et eciam propter illos sacerdotes qui sunt pluribus occupati vt sic possuit sine magno labore breuiter et faciliter studere et predicare propter salutem animarum. (222r).

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_lat_455
Literatur
Kaeppeli, Scriptores, S. 451–454, Nr. 2387 (mit Nennung dieser Hs.); Schunke, Einbände 2.2, S. 837; Stevenson, Latini, S. 143f.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

1) 1r–233r Digitalisat

Verfasser
Johannes Herolt („Discipulus“) (GND-Nr.: 100162495).
Titel
Sermones de tempore per circulum anni.
Angaben zum Text
(1. 1r–222r) Sermones de tempore. [Predigt zum 1. Adventssontag:] Ecc[e rex tuus venit tibi mansuetus et sedens super asinum] Zach 9 [Za 9,9] [Mt 21, Mc 11, Luc 19, Ioh 12. Egregius doctor noster sanctus Thomas de Aquino dicit] … 219r … [Predigt zum 25. Sonntag nach Pfingsten:] ›Est puer vnus hic habens quinquepanes ordeaceos et duos pisces Jta scripitur Joh .6. [Io 6,9] et in presentis dominice ewangelio. Concludendo sermones 219v Jstos de tempore Tunc notandum quod per quinque panes ordeaceos et duos pisces possumus intelligere septem que nos debent in ducere … 222r … vsque ad quartum uel ad quintum uel ad sextum chorum angelorum poterimus pervenire etcetera. [es folgt das Kolophon:] Explicit manuale sermonum discipuli collectum ex sermonibus eiusdem Discipuli de tempore Anno domini 1435 [… ; s. auch Geschichte der Hs.]. Zählung der einzelnen Predigten in arabischen, zum Teil auch römischen Ziffern und auch ausgeschrieben. Schneyer / Hödl, Nr. 1, 4, 8, 10, 12, 13, 18, 20, 22, 24, 26, 27, 28, 31, 32, 33, 55v–59v (nicht bei Schneyer / Hödl verzeichnet, aber im Druck aufgenommen), 38, 4143, 246 (?), 45, 46, 48, 50, 51, 279, 56, 58, 108v–110v (nicht bei Schneyer / Hödl verzeichnet, aber im Druck aufgenommen), 64, 67, 72, 75, 77, 79, 81, 84, 86, 89, 92, 95, 98, 102, 104, 107, 109, 112, 115, 118, 120, 121, 126, 181v–184v (nicht bei Schneyer / Hödl verzeichnet, aber im Druck aufgenommen), 129, 130, 132, 135, 138, 140, 145, 146, 150, 366, 155, 156. (2. 222v) Anmerkung über die Auflösung der verwendeten Abkürzungen der Quellenbelege. ›Hoc modo legitur breuiatura istius libri‹. Im Wesentlichen stellte Johannes Herolt seine Predigten aus den Werken von Albertus Magnus, Thomas von Aquin, Nikolaus von Gorra, aber auch Duns Scotus, Bonaventura, Wilhelm Peraldus, Anselm von Canterbury und Nikolaus von Lyra sowie den Kirchenvätern und weiteren zeitgenössischen Autoren wie Nikolaus von Dinkelsbühl zusammen, die in der Aufstellung für die ‚Sermones de tempore‘ auch zum Teil genannt sind. (3. 223r–229r) Alphabetischer Index der Predigten. (4. 229v) Index der allgemeinen und nützlichen Predigtthemen. ›Tabula de communioribus et vtilioribus materijs Communi populo aliquociens predicabiles [!]‹. (5. 230r–232r) Index der in den ‚Sermones de tempore‘ vorkommenden Exempel. ›Tabula de Exemplis que habentur in presentibus sermonibus‹. (6. 232v–233r) Komputistische Tabelle, die die Sonntagsbuchstaben, die Goldene Zahl, die Schaltjahre sowie die Intervalle der Sonntage zwischen Weihnachten und Estomihi (A nati festo mea regula tendit ad esto, 233r) für die Jahre 1436 bis 1500 angibt. Die vorliegende Hs. bietet eine Auswahl von 66 Predigten der ‚Sermones de tempore‘ des Dominikanerpredigers Johannes Herolt gen. „Discipulus“ (um 1380–1468; vgl. 2VL 3, Sp. 1123–1127), beginnend mit der Predigt zum ersten Adventssonntag bis zur Predigt für den 25. Sonntag nach Pfingsten. Es handelt sich dabei gleichermaßen um eine reine Predigtsammlung wie auch um ein Hilfsmittel für Prediger in Form eines Handbuchs mit Belegbeispielen, wie durch die verschiedenen Indices und Register deutlich wird, die auf schnelle Verfügbarkeit des Wissens ausgerichtet sind. Da der Anfang der Hs. korrumpiert ist, ist dieser über Schneyer / Hödl erschlossen. Zahlreiche Drucke, u. a.: Johannes Herolt, Sermones Discipuli de tempore et de sanctis, Köln: [Ulrich Zell] 1474 (GW 12340; Editio princeps); Johannes Herolt, Sermones Discipuli de tempore, Straßburg: Johannes Knoblochtzer, nicht nach 1477 (GW 12387); Johannes Herolt, Opera, Mainz 1612; vgl. weiters Hain 8473–8508.
1ar–v leer.
Rubrik
1r Jncipi[unt - - - ?].
Incipit
1r Ecc[e rex tuus venit tibi mansuetus et sedens super asinum] Zach 9 [Za 9,9] [Mt 21, Mc 11, Luc 19, Ioh 12. Egregius doctor noster sanctus Thomas de Aquino dicit].
Explicit
233r … A nati festo mea regula tendit ad esto.
Edition
S. Angaben zum Inhalt.

2) 233v–237v Digitalisat

Verfasser
Johannes Herolt („Discipulus“) (GND-Nr.: 100162495).
Titel
Legenda et sermo de sancto Ulrico.
Angaben zum Text
(1. 233v–236r) Legende des hl. Ulrich. Vlricus potest interpretari Vlreicha valde reich. Nam patrem et matrem habuit claros genere et diuitijs … 236r … Qui cum domino patri et spiritu sancto viuit eius [??] benedicto secula etcetera Amen. Für den Text der Legende lässt sich der Autor nur vermuten; eventuell handelt es sich ebenfalls um Johannes Herolt, von dem auch die nachfolgende Predigt ‚de uno confessore‘ stammt. (2. 236v–237v) Sermo de uno confessore (sancto Ulrico), von Johannes Herolt („Discipulus“). ›Sermo de sancto Vdalrico confessoreJustum deduxit dominus per vias rectas Sap x [Sap 10,10] Sciendum quod si uolumus saluari oportet nos iustos inueniri … 237v … Ad illam uiuat nos pater et filius et spiritus sanctus Amen. Nachgewiesen bei Schneyer / Hödl, Nr. 175; Druck: Johannes Herolt, Opera, Mainz 1612.
238v Theologisch-aszetische Notizen.
239*r–v leer.
Incipit
233v Vlricus potest interpretari Vlreicha valde reich. Nam patrem et matrem habuit claros genere et diuitijs.
Explicit
237v … Ad illam uiuat nos pater et filius et spiritus sanctus Amen.
Edition
s. Angaben zum Inhalt.


Bearbeitet von
Dr. Uli Steiger, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2024.


Zitierempfehlung:


Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 455. Beschreibung von: Dr. Uli Steiger (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2024.


Katalogisierungsrichtlinien
Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.