Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 457
Sermones, Officium in festum corporis Christi
Pergament, Papier · 1, 186, 1 · 21,7 × 16 cm · Süddeutschland · um 1300 (Nachträge 2.-3. Viertel 14. Jh.)
- Schlagwörter (GND)
- Sermones / Liturgie / Offizium / Brevier> / liturgischer Gesang.
- Entstehungsort
- Süddeutschland.
- Entstehungszeit
- um 1300 (Nachträge 2.-3. Viertel 14. Jh.) .
- Typus (Überlieferungsform)
- Codex.
- Beschreibstoff
- Pergament (Vorsatzbll. Papier).
- Umfang
- 1, 186, 1.
- Format (Blattgröße)
- 21,7 × 16 cm.
- Zusammensetzung (Lagenstruktur)
- (I-1)1a + Ib + 22 IV175 + (IV+1)184 + (I-1)185*.Der Blattrest vor Bl. 1 dürfte von einem älteren, heute nicht mehr vorhandenen Vorsatzbl. stammen. 1a bildet mit dem Vorderspiegel ein Doppelbl., 185* bildet mit dem Hinterspiegel ein Doppelbl.
- Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
- Tintenfoliierung, Rom 17. Jh. (1–96, 97–184), auf 96 folgt ein ungezähltes Bl. Moderne Bleistiftfoliierung (a–b). Bei unfoliierten Bll. folgt die Bezeichnung dem Digitalisat (1a, 96a, 185*). Lagenzählung jeweils auf der letzten Seite unten (z. B. 8v ius, 16v IIus, etc.), z. T. durch Beschnitt verstümmelt.
- Zustand
- Die erste und die letzte Seite des Buchblockes etwas fleckig und verschmutzt. 16v–17r ein brauner Fleck durch Einwirkung einer Flüssigkeit.
- Wasserzeichen
- Vorsatzbll. ohne erkennbare Wasserzeichen.
- Schriftraum
- 16,6–17 × 11,6–12 cm (180r–184v z. T. verringerte Zahl der Textzeilen und Raum für Musiknotation).
- Spaltenanzahl
- 2 Spalten.
- Zeilenanzahl
- 38 Zeilen.
- Angaben zu Schrift / Schreibern
- Gotische Minuskel von 4 Händen (1ra–179ra, 179ra–179vb, 180ra–184ra, ar und 184v). Die ersten beiden Hände gehören dabei der Entstehungszeit der Hs. an, die Hände 3 und 4 schrieben Nachträge (s. Nachträge). "Hufnagelnotation", Metzer Neumen auf vier Linien, c- und f-Schlüssel. Der Beginn bis "Matheum" dreistimmig notiert.
- Buchgestaltung
- Spaltenbegrenzungen und Zeilengerüst in Tinte angelegt. Zeilenraster am Seitenrand durchgenadelt. Rubriziert. Satzinitialen rot gestrichelt. Capitula-Zeichen in Rot. Rubriken auf den Seitenrändern vorgeschrieben. 2zeilige Lombarden (rot-blau alternierend) zu den Textabsätzen. 180r–184v Kadellen als Satzinitialen, z. T. rot akzentuiert. 183v und 184r jeweils Satzinitiale mit menschlichem Gesicht (einfache Federzeichnung).
- Buchschmuck
- 1ra vierzeilige Initiale zum Textbeginn. Ornamental gespalten (blau-rot), mit Binnen- und Besatzfleuronné. Knospenfleuronné, innen blau mit roten Punkten, außen rot. Oben und links Fleuronnéstäbe (rot). Zwei- bis dreizeilige Lombarden in Rot und Blau (alternierend) mit Knospenfleuronné in Gegenfarbe zu den Predigtanfängen.
- Nachträge und Benutzungsspuren
- Die Texte 1, 4 und 5 (ar, 180ra–184v) wurden nachgetragen (2. Viertel 14. Jh.). 184v dürfte dabei erst nach dem Fronleichnamsoffizium eingetragen worden sein (2. Viertel bis Mitte 14. Jh.). Auch der Eintrag ar gehört in diese Zeit. 184v oben Dum duo pro lena certant luxuria plena, pars bona perdenti sit turpior hanc capienti.
- Einband
- Grünes Pergament mit Goldpressung auf Pappen. Rom, 1626–1633. Im 20. Jh. restauriert. Vorderdeckel Wappen Papst Urbans VIII. (Pontifikat 1623–1644), Hinterdeckel Wappen des Kardinalbibliothekars Francesco Barberini (1626–1633). Einbanddeckel mit Resten von je zwei textilen Schließenbändern (entfernt). Rücken mit fünf erhabenen Doppelbünden, das grüne Pergament nur teilweise erhalten, Reste auf einen erneuerten Rücken aus weißem Pergament montiert. Oben und in den beiden untersten Feldern die Bienen des Barberiniwappens, im zweiten Feld von oben das blaue Signaturschild der BAV. Wappen und Dekor jeweils in Gold. Kapital mit Seidenfäden umwickelt (Blau-Braun [ehemals Rot?]). Schunke, Einbände 2,2, S. 836; vgl. ebd. Schunke, Einbände 1, S. 256f. Auf dem Vorderspiegel aufgeklebt zwei ältere Rückenschilder aus Papier: oben die Kupferstichkartusche mit Signatur in Rot: 457, darunter Fragmente eines handschriftlichen Titelschildes: Ser[mon]es 4[57]. Darunter aufgeklebt wohl ein einliegender Papierstreifen (Lesezeichen), Aufschrift: Romanini grossi moneta 2. 2. p. 4. t. Rückseite mit fragmentarischen Schriftzügen (nicht zu entziffern).
- Provenienz
- Heidelberg.
- Geschichte der Handschrift
- Schrift und Ausstattung der Hs. deuten auf eine Entstehung in der Zeit um 1300. Wahrscheinlich stammt sie aus dem süddeutschen Raum. 179ra Qui me scribebat frater Villicus nomen habebat. Finis adest vere precium vult scriptor habere (vgl. Bénédictins du Bouveret, Colophons de manuscrits occidentaux des origines au XVIe siècle, Bd. 6, Fribourg 1982, Nr. 21298–21303). Villicus ist als Latinisierung für Namen wie "Bauer" oder "Meier" belegt. Der Eintrag br oben: plebanus in Omstadt (Umstadt, heute Groß-Umstadt, Lkr. Darmstadt-Dieburg), gehört wohl ins 15. Jh. als der Band in den Händen des Pfarrers von Umstadt (Diözese Mainz) war. Die Pfarrei in Umstadt scheint mit mit Erträgen von 30–40 Mark Silber eine attraktive Pfründe gewesen zu sein, die oft in den Händen von Kanonikern in Mainz oder Speyer war (vgl. die entsprechenden Einträge im Repertorium Germanicum). Am oberen Seitenrand von 184r ist eine Rasur zu erkennen, hinter der sich ein getilgter Besitzeintrag verbergen könnte. ar C. 74/ 1817 (letzteres gestrichen) sowie ältere Signatur 1096 (gestrichen). Wie der Band in die Heidelberger Palatina gelangte, ist nicht ersichtlich. Mit dieser 1623 in die Vatikanische Bibliothek verbracht. Im Allacci-Register nachweisbar (Pal. lat. 1949, 24r: 1817 G. summa prioris Lugdunensis. 4. C. 74). Besitzstempel der BAV av, 1r und 184v.
- Besonderheiten
- Musiknotation ar mehrstimmig.
- Literatur
- Higinio Anglés, El tesoro musical de la Biblioteca
Vaticana, in: Collectanea Vaticana in honorem Anselmi Μ. Card. Albareda a
Bibliotheca Apostolica edita, Bd. 1, Vatikanstadt 1962 (Studi e testi, 219), S.
23–53, S. 35; Bannister, S. 167, Nr. 561a; Salmon, Mss. liturgiques 1, S. 139, Nr. 281; Marius Schneider, Geschichte der Mehrstimmigkeit.
Historische und phänomenologische Studien, Tutzing 21969,
Teil 2: Die Anfänge in Europa, S. 12–13, S. 102, Notenanhang S. 43, Nr.
152; Stevenson, Latini, S. 144.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur
1) ar
- Titel
- Evangelium secundum Matthaeum (Mt 1,1–4) cum notis musicis.
- Angaben zum Text
- Dominus vobiscum. Secundum Matheum. Inicium sancti evangelii. Liber generationis Ihesu Cristi fili David … - … Esrom autem genuit Aram. Aram [Mt 1,1–4]/. Text bricht am Seitenende ab, die Notation schon in der vierten Textzeile. Nach Bannister der Beginn einer Passio (Bannister, S. 167, Nr. 561a, Metzer Notation auf Linien). Der Beginn bis "Matheum" dreistimmig notiert (s. zur Schrift). Marius Schneider, Geschichte der Mehrstimmigkeit. Historische und phänomenologische Studien, Tutzing 21969, Teil 2: Die Anfänge in Europa, S. 12–13, S. 102.
- Incipit
- ar Dominus vobiscum. Secundum Matheum. Inicium sancti evangelii. Liber generationis Ihesu Cristi fili David …
- Edition
- Biblia sacra iuxta Vulgatam versionem, hrsg. von Robert Weber / Roger Gryson, Stuttgart 52007; Marius Schneider, Geschichte der Mehrstimmigkeit. Historische und phänomenologische Studien, Tutzing 1969, Teil 2: Die Anfänge in Europa, Notenanhang S. 43, Beispiel 152.
2) 1ra–179ra
- Verfasser
- Guilelmus Peraldus (GND-Nr.: 118719351).
- Titel
- Sermones de epistolis dominicalibus.
- Angaben zum Text
- (1ra–177rb) ›Incipit summa fratris Guillelmi prioris Lugdunensis‹. Summa von späterer Hand korrigiert in sermones. Hora est iam … [Rm 13,11]. Hoc tempus dicitur tempus adventus … - … non vult abstinere quin ornet se et crinibus alienis. (177rb am Rand: hic expliciunt sermones fratris Guilelmi prioris Lugdunensis). Schneyer 2, S. 543–550, Nr. 129–232. Hs. genannt S. 556. Es folgen noch zwei kürzere Sermones: (177rb–178va) In cruce novi claustralis quatuor brachia debent esse, scilicet lectio, meditatio, oratio et devocio, unde proverbia xxvii: Stude sapiencie fili mi et letifica cor tuum ut possis exprobranti reddere sermonem [Prv 27,11]. I Timotheus iiii: Attende lectioni et exhortationi doctrine [1 Tim 4,13]. Ieronymus: Ama scientiam scripturarum et carnis vicia non amabis … - … de iiiito ad Hebreos: nisi fornicatores et adulteros iudicabit deus [Hebr 13,4] id est eternaliter reprobabit in quilibet huiusmodi certe longitudo est finalis obstinatio in malo. Das bekannte Hieronymuszitat stammt aus: Epistola cxxv ad rusticum monachum (Migne PL 22, Sp. 1078). (178va–179ra) ›Alius sermo‹. Renovabitur ut aquile iuventus tua, psalmus [Ps 102,5]. Electus comparabitur aquile. Unaqueque creatura est unus liber et imo potest et in bona et in mala per te interpretari … - … Lucas xii: Sint lumbi nostri precincti [Lc 12,35] et proverbia ultimo: Accinxit fortitudine lumbos suos [Prv 31,17]. ›Finito libro sit laus et gloria Christo‹. Predigt über den Adler. Beide Predigten besteht fast vollständig aus aneinandergereihten Zitaten aus Bibel und Kirchenvätern, die Quelle wird dabei zumeist genannt. Antoine Dondaine, Guillaume Peyraut. Vie et oeuvres, in: Archivum Fratrum Praedicatorum 18 (1948), S. 162–236, zur Hs. S. 173f., S. 203, S. 205, zu den Predigten S. 209; Manfred Gerwing, Guillaume Pérault, in: LEXMA 9, Sp. 182f.
- Rubrik
- 1r ›Incipit summa fratris Guillelmi prioris Lugdunensis‹.
- Incipit
- 1ra Hora est iam… [Rm 13,11]. Hoc tempus dicitur tempus adventus …
- Weiteres Initium
- 177rb In cruce novi claustralis quatuor brachia debent esse, scilicet lectio, meditatio, oratio et devotio … ; 178va Renovabitur ut aquilae … [Ps 102,5]. Electus comparabitur aquilae … .
- Explicit
- 179ra … et proverbia ultimo: Accinxit fortitudine lumbos suos [Prv 31,17].
- Edition
- Guillelmus Peraldus, Sermones de tempore super epistolas, Paris, Ulrich Gering und Berthold Remboldt, 30.VI.1494 (GW 12047); Guillelmus Peraldus, Sermones de tempore et de sanctis, Tübingen, Johann Otmar für Friedrich Meynberger, 19.II.[14]99, A2r–P8r (GW 12048); weitere Drucke des 16. und 17. Jhs. bei Dondaine, S. 205.
3) 179ra–179vb
- Titel
- Sermo de angelis.
- Angaben zum Text
- ›De angelis‹. Angelis suis mandavit de te etc. psalmus [Ps 90,11]. Custodem suum sive potius domus sue vel patrie nemo sapiens debet abicere … - … preteritum arguunt et de presenti quodammodo exire compellunt etc. Die Einzelpredigt über die Engel wurde als eigener Text von anderer Hand eingetragen.
- Rubrik
- 179ra ›De angelis‹.
- Incipit
- 179ra Angelis suis mandavit… [Ps 90,11]. Custodem suum sive potius domus sue vel patrie nemo sapiens debet abicere …
- Explicit
- 179vb … preteritum arguunt et de presenti quodammodo exire compellunt etc.
4) 180ra–184ra
- Verfasser
- Thomas de Aquino.
- Titel
- Officium in festum corporis Christi.
- Angaben zum Text
- Sacerdos in eternum Christus dominus secundum ordinem Melchisedech … [Cantus ID: 204335]. Miserator dominus … [Cantus ID: 203126]. Calicem salutaris … [Cantus ID: 200722]. Sicut novelle … [Cantus ID: 204661]. Endet 184r unvollständig in der zweiten Vesper des Festtages: O sacrum convivium in quo Christus sumitur … [Cantus ID: 203576]. Magnificat/. Der Anfang der Antiphon und magnificat mit darüber gesetzten Musiknoten. Ansonsten endet die Musiknotation 180va. 180vb–183vb blieben ohne Noten. Das verbreitete Offizium für das Fronleichnamsfest wird Thomas von Aquin zugeschrieben. Glorieux, Maîtres 1, S. 60, Nr 14 ai. Das Fronleichnamsfest wurde 1264 offiziell in der römischen Kirche eingeführt, in die Festkalender der Orden gelangte das Fest z. T. erst später, z. B. erst 1323 bei den Dominikanern (vgl. Victor Leroquais, Les Bréviaires manuscrits des bibliothèques publiques de France, Bd. 1, Paris 1934, S. C–CI). In den Brevieren der Zeit erscheinen die entsprechenden Offizien zumeist als Nachträge. s. Nachträge. Higinio Anglés, El tesoro musical de la Biblioteca Vaticana, in: Collectanea Vaticana in honorem Anselmi Μ. Card. Albareda a Bibliotheca Apostolica edita, Bd. 1, Vatikanstadt 1962 (Studi e testi, 219), S. 23–53, S. 35; Bannister, S. 161, Nr. 561a; Salmon, Mss. liturgiques 1, S. 139, Nr. 281.
- Incipit
- 180ra Sacerdos in eternum Christus dominus secundum ordinem Melchisedech …
- Weiteres Initium
- 184ra O sacrum convivium in quo Christus sumitur …
- Explicit
- 184ra … glorie nobis pingnus datur alleluia. Magnificat.
- Edition
- Barbara R. Walters / Vincent J. Corrigan / Peter T. Ricketts, The Feast of Corpus Christi, University Park (Pennsylvania) 2007, S. 240–361.
5) 184v
- Titel
- Antiphona.
- Angaben zum Text
- Dilectus meus loquitur michi, surge propera … - … tempus putationis advenit. Veni, veni, veni coronaberis [Cantus ID: 206921]. Antiphon zu einem Marienfest, Text auf der Basis von Ct 2,10–12 und 4,8. Mit Musiknotation (wie Text 1 auf ar, siehe auch: Nachträge).
- Incipit
- 184v Dilectus meus loquitur michi, surge propera …
- Explicit
- 184v … Veni, veni, veni coronaberis.
- Edition
- Carl Marbach, Carmina scripturarum, Strassburg 1907 (Nachdruck Hildesheim/Zürich/New York 1994), S. 278.
- Bearbeitet von
- Dr. Wolfgang Metzger, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2024.
Zitierempfehlung:
Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 457. Beschreibung von: Dr. Wolfgang Metzger (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2024.
- Katalogisierungsrichtlinien
- Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.
Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.