Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 488

Rituale Moguntinum

Pergament, Papier · 1, 69, 1 · 20,2 × 15 cm · Mainz · 1342–1346 (Mitte bis 2. H. 14. Jh.?)


Schlagwörter (GND)
Liturgie / Agenda / Benediktion.
Entstehungsort
Mainz.
Entstehungszeit
1342–1346 (Mitte bis 2. H. 14. Jh.?).
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Pergament, Vorsatzbll. Papier (1a, 70*).
Umfang
1, 69, 1.
Format (Blattgröße)
20,2 × 15 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
(I-1)1a + 6 V60 + (V-1)69 + (I-1)70*. Bl. 1a bildet mit dem Vorderspiegel ein Doppelbl., Bl. 70* bildet mit dem Hinterspiegel ein Doppelbl.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
Tintenfoliierung, Rom 17. Jh. (1–69). Tintenfoliierung an einigen Stellen abgerieben und durch eine moderne Bleistiftfoliierung ersetzt (z. B. 69). Die Bezeichnung unfoliierter Bll. folgt dem Digitalisat (1a, 70*). Textreklamanten.
Zustand
An einigen Stellen wurden aus den Seitenrändern Pergamentstreifen geschnitten und die Lücken später wieder ergänzt (Bll. 15–16, 46, 64–67).

Schriftraum
17–18,2 × 11,5 cm.
Spaltenanzahl
1 Spalte (13v–14v zweispaltig).
Zeilenanzahl
21 Zeilen, Seiten mit Musiknotation: 7 Textzeilen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Regelmäßige, unaufwändige Textualis von einer Hand. Die Musiknotation wohl von der selben Hand.
Buchgestaltung
Textraumbegrenzungen, Zeilenlinien und Linien der Musiknotation in Tinte. Rubriziert. Ein- bis zweizeilige Lombarden in Blau und Rot zu Textabsätzen. Satzinitialen zuweilen rot gestrichelt.
Buchschmuck
1r dreizeilige Lombarde mit einfacher ornamentaler Aussparung in Blau mit rotem Binnen- und Besatzfleuronné. In den gesungenen Abschnitten oft Kadellen, zuweilen mit figürlich gestaltetem Dekor (z. B. 66r).

Nachträge und Benutzungsspuren
Selten Textkorrekturen und Ergänzungen von wenig späteren Händen (2. H. 14. Jh.) am Seitenrand (z. B. 6v unten, 8v, 11r unten).

Einband
Weißes Pergament mit Goldpressung auf Pappen. Rom, 1878–1889. Glatter Rücken, oben in Goldpressung das Wappen von Papst Leo XIII. (Pontifikat 1878 bis 1903). Rotes Lederschild mit Goldpressung Pal. 488. Darunter das Wappen des Kardinalbibliothekars Jean-Baptiste Pitra (1812–1889, Kardinalbibliothekar ab 1869). Unten das blaue Signaturschild der BAV. Gewobenes Kapitalband mit dunkelrotem Zickzackmuster. Schunke, Einbände 2,2, S. 835, vgl. Schunke, Einbände 1, S. 257.
Provenienz
Mainz / Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
Bannister (s. Literatur) datierte unter Vorbehalt auf 1342–1346. Grundlage dafür sind die 56v–57r in den Musiknoten des Exultet verschlüsselten Namen des aktuellen Papstes (Benedikt XII.), von Kaiser und Kaiserin (Ludwig der Bayer und Margarete von Holland) sowie des amtierenden Bischofs (Heinrich III. von Virneburg). Da diese ohne Aktualisierung aus einer Vorlage abgeschrieben sein könnten, ist eine etwas spätere Datierung nicht auszuschließen. Die Rubrik zur Prozession am Palmsonntag (more Moguntino) erwähnt die Station ad montem sancti Albani. Dies dürfte sich auf das Stift St. Alban vor Mainz beziehen (damals noch Benediktinerkloster, ab 1419 Kollegiatstift, vgl. Wolfgang Dobras, Mainz, St. Alban, in: Friedhelm Jürgensmeier, Die Männer- und Frauenklöster der Benediktiner in Rheinland-Pfalz und Saarland, St. Ottilien 1999 (Germania Benedictina 9), S. 445–469). Die Agende wurde somit in den 1340er Jahren oder wenig später für den Gebrauch in Mainz geschrieben, sehr wahrscheinlich vor Ort (zu Mainzer Hss. vgl. Krämer, Handschriftenerbe 2, S. 524–551). 69r ›Explicit agenda bona secundum ordinem Moguntinum‹. Möglicherweise gelangte der Band mit den Büchern der Mainzer Dombibliothek 1552/1553 durch Kf. Ottheinrich nach Heidelberg (Walz, Kat. UB Heidelberg 3, S. XXVI). Im Inventar der Heidelberger Schlossbibliothek von 1555/1556 unter "E in quarto" (Pal. lat. 1929, 58rv: Exorcismus salis et aquae in Agenda secundum ordinem Maguntinensem, auf Perment geschrieben). Im Katalog der Palatina von 1581 verzeichnet (Pal. lat. 1930, S. 125: Agenda Moguntinensis ecclesiae, geschrieben perment, in 4 bretter, rott leder, bucklen). 1623 mit den Bänden der Palatina in die Vatikanische Bibliothek verbracht. Besitzstempel der BAV: 1r, 69v. Aktuelle Signatur 1r: 488 Pal.
Besonderheiten
Deutsche Abschnitte in den Texten zur Krankensalbung (12v–22r), "Heidelberger Beichte".

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_lat_488
Literatur
Higinio Anglés, El Tesoro musical de la Biblioteca Vaticana. Collectanea Vaticana in honorem Anselmi M. Card. Albareda, Bd. 1, Vatikanstadt 1962 (Studi e Testi, 219), S. 23–53, S. 35; Bannister, S. 168, Nr. 567 und Tafel 114c; Bartsch, Handschriften, S. 188, Nr. 354; Karl Christ, Kurzbeschreibung, 1916, in: Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Handschriftenarchiv; Ehrensberger, Libri liturgici, S. 576f., Nr. 7; Hermann Reifenberg, Die Liturgiewissenschaft und die Liturgie der Teilkirchen, in: Archiv für Liturgiewissenschaft 11 (1969), S. 176–213, S. 191; Hermann Reifenberg, Totengottesdienst und soziale Sorge für die Notleidenden. Eine Mainzer Benedictio elemosynarum um 1400, in: Archiv für Mittelrheinische Kirchengeschichte 21 (1969), S. 73–81, S. 76–78, S. 80–81; Hermann Reifenberg, Volkssprachliche Akzente bei "Übergabe" und "Rückgabe" der christlichen "Bekenntnisformeln", in: Archiv für Mittelrheinische Kirchengeschichte 22 (1970), S. 129–139, S. 132–139; Hermann Reifenberg, Die Eucharistie in der Mainzer Liturgiegeschichte, in: Archiv für Mittelrheinische Kirchengeschichte 23 (1971), S. 73–87, S. 83; Hermann Reifenberg, Sakramente, Sakramentalien und Ritualien im Bistum Mainz seit dem Spätmittelalter, Bd. 1, Münster 1971 (Liturgiewissenschaftliche Quellen und Forschungen 53), S. 10–12, S. 97–99, S. 114–117; Salmon, Mss. liturgiques 2, S. 128, Nr. 313, 3, S. 71, Nr. 198 und 5, S. 15, Nr. 57; Marius Schneider, Geschichte der Mehrstimmigkeit, Bd. 2.: Die Anfänge in Europa, Berlin 1935, S. 12f.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

1) 1r–69r Digitalisat

Titel
Rituale Moguntinum.
Rubrik
1r ›Incipit exorcismus salis et aque in dominica die‹.
Incipit
1r Adiutorium nostrum in nomine domini qui fecit
Weiteres Initium
1r Exorzizo te creatura salis per deum vivum per deum verum … ; 16v Vater unser der du bist in den himmeln
Explicit
69r … divine virtutis interpretantem et eterne sanctificationis auctorem.
Edition
Agenda Moguntinensis, Strassburg, Johann Prüss, um 1492 (GW 469) - mit vielen Abweichungen im Einzelnen. Die 1480 gedruckte Mainzer Agenda (GW 468) beschränkt sich weitgehend auf Taufordo und Krankensalbung.

2) 69v Digitalisat

Titel
Tropus.
Angaben zum Text
Procedentem sponsum de thalamo, prophetavit scriba cum calamo, [eine Zeile getilgt, s. zu Text 3], stricta ligat in cunis fascia, ergo benedicamus domino. Mit zweistimmigem Gesang. Nachtrag (spätes 14. oder frühes 15. Jh.). Ulysse Chevalier, Repertorium hymnologicum, Bd. 2, Louvain 1897, Nr. 15522, hier nur vier Textzeilen mit Musik. Vgl. Ps 18,6. Tropus des späteren Mittelalters zum "Benedicamus domino" aus dem Kontext der Vigil zu Weihnachten (Heiligabend) mit zweistimmiger Musik. Da sich die Melodie versweise wiederholt, wurde sie in Hss., wie hier, oft nur zum ersten Vers eingetragen. Siehe auch: Michel Huglo, Chant grégorien et musique médiévale, Aldershot 2005, S. XVIII.
Incipit
69v Procedentem sponsum de thalamo
Weiteres Initium
69v Prophetavit scriba cum calamo
Explicit
69v … ergo benedicamus domino.
Edition
Federico Celestini, Herkunft und Inhalt der Handschrift Reichersberg 60, in: Studien zur Musikwissenschaft 44 (1995), S. 7–29, S. 17f. (Text und Melodie).

3) 69v Digitalisat

Titel
Laus sanctae Mariae virginis.
Angaben zum Text
Maria virgo virginum, Maria placa tuum filium, Maria mater gracie … – … vas clemenciedulcora regem glorie. Text zum Teil abgerieben. Nachtrag (15. Jh., nach Text 2). Marienlob in 7 Gedichtzeilen mit jeweils zwei Anrufungen. Für den Eintrag wurde wahrscheinlich die dritte Verszeile von Text 2 getilgt.
Incipit
69v Maria virgo virginum, Maria placa tuum filium
Explicit
69v … dulcora regem glorie.


Bearbeitet von
Dr. Wolfgang Metzger, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2024.


Zitierempfehlung:


Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 488. Beschreibung von: Dr. Wolfgang Metzger (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2024.


Katalogisierungsrichtlinien
Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.