Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 496

Sacramentarium Herbipolense

Pergament, Papier · 1, 63, 1 · 25,3 × 16,5 cm · Diözese Würzburg · 2. H. 12. Jh.


Schlagwörter (GND)
Liturgie / Messe / Biblia latina / Sequenzen / Benediktionen.
Entstehungsort
Diözese Würzburg.
Entstehungszeit
2. H. 12. Jh.
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Pergament, Vorsatzbll. Papier (1a, 63*).
Umfang
1, 63, 1.
Format (Blattgröße)
25,3 × 16,5 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
(I-1)1a + 1A + 2 IV16 + VI28 + 3 IV52 + III58 + II62 + (I-1)63*. 1a bildet mit dem Vorderspiegel ein Doppelbl., 63* bildet mit dem Hinterspiegel ein Doppelbl. A ist das Vorsatzbl. eines früheren Einbandes.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
Tintenfoliierung Rom 17. Jh. (1–61), stellenweise mit späterer Bleistiftfoliierung ergänzt (z. B. 3, 5). Moderne Bleistiftfoliierung (A, 62). Die Bezeichnung unfoliierter Bll. folgt dem Digitalisat (1a, 63*).
Zustand
Pergament oft leicht fleckig, an einigen Stellen Seitenränder ergänzt (Bll. 5, 19–20, 30, 59–61). Bll. A und 62 berieben und etwas verschmutzt.

Schriftraum
20,6 × 12 cm.
Spaltenanzahl
1 Spalte.
Zeilenanzahl
33–36 Zeilen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Praegothica von 5 Händen (1r–5v, 5v–6v, 7r–8v, 9r, 10r–61r) sowie Nachträge. 9r, 62r Neumen der St. Galler Tradition (Bannister, S. 21, Nr. 71).
Buchgestaltung
Textblockbegrenzungen und Zeilenlinien blind gegriffelt. 9r Zeilenraster mit erweitertem Zwischenraum für Neumen. Rubriziert. Ein- bis dreizeilige rote Lombarden mit Punktverdickungen und ornamentalen Ausläufern (z. B. 11r), 10r auch als Blattranken geformt. An einigen Stellen Ansätze von einfachem Palmettenfleuronné (z. B. 11r).
Buchschmuck
9v Kanonbild. Christus am Kreuz, darunter Maria und Johannes, über den Kreuzarmen Sol und Luna (Beischrift: Sol, I.n.r.I, Luna), zu Füßen des Gekreuzigten ein Kelch. 4-Nagel-Typ, Augen geschlossen. Bildfeld und Kreuzstamm blau-grün gefeldert, der Bildrahmen und das Kreuz schmal in Hellrot und Gold gerahmt. Die Rahmenleisten in stumpfem Blau mit schwarzem Palmettenmuster. 29v–30r und 33v Drei- bis vierzeilige Spaltleisteninitialen mit Rankenfüllung und Spangen. 31v eine einfache zweizeilige Tierinitiale (Drache?). S. die Bildbeschreibung in heidICON.

Nachträge und Benutzungsspuren
Ar Titelaufschrift: Hymni, Missae, Orationes etc. (16. Jh.). Av Namenliste: … Otta, Herman, Sigiboto, Cůnrat, Ulrich, Marquart, Udilrich [?], Geberthe, Berhtholt. Ohne weitere Angaben, Ende 12.–Anfang 13. Jh. Darunter Texte zu einer Katharinen-Messe (s.u. Text 1). 61rv nachgetragene Orationes (s.u. Text 4), von verschiedenen Händen wohl sukzessive eingetragen (2. H. 12. Jh.). 62r /Calores. Crescat ut in nobis divini fervor amoris [Schluss von CAO 7135 und Cantus ID: 7135a]. Mit übergeschriebenen Neumen. Ende des Responsoriums und Versus zum Fest der Hl. Afra. Ende 12./Anfang 13. Jh. Bannister, S. 21, Nr. 71.

Einband
Weißes Pergament mit Goldpressung auf Pappen. Rom, 1869–1878. Glatter Rücken. Oben das blaue Signaturschild der BAV, darunter in Goldpressung das Wappen von Papst Pius IX. (Pontifikat 1846 bis 1878). Rotes Lederschild mit Goldpressung Pal. 496. Darunter das Wappen des Kardinalbibliothekars Jean-Baptiste Pitra (1812–1889, Kardinalbibliothekar ab 1869). Kapital mit blauen und violetten Seidenfäden umwickelt. Schunke, Einbände 2,2, S. 839, vgl. Schunke, Einbände 1, S. 257.
Provenienz
Diözese Würzburg / Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
Nach Ausweis von Schrift und Ausstattung entstand die Hs. in der 2. H. des 12. Jhs. Die Auswahl der angerufenen Heiligen in Sanktorale und Litanei deutet auf eine Bestimmung für eine Kirche in der Diözese Würzburg. 28r in der Litanei: Reginsvindis. Reginswind wurde erst 1227 durch den Bischof von Würzburg Hermann I. von Lobdeburg kanonisiert, die Verehrung in der Diözese Würzburg war jedoch Mitte des 12. Jhs. fest etabliert (Schwarzmaier, Reginswindis-Tradition). Lauffen am Neckar, Heimat und Kultzentrum der Reginswindis, scheint als Bestimmungsort der Hs. weniger wahrscheinlich, fehlt doch im Sanktorale jede Spur der Heiligen. Zur hl. Reginswindis: Otfried Kies, Das Mädchen aus Lauffen - Tradition und Kult der Heiligen Reginswind, phil. Diss. Stuttgart 2010; Hansmartin Schwarzmaier, Die Reginswindis-Tradition von Lauffen, in: ZGO 131 (1983), S. 163–198. Nur in der Litanei findet sich der hl. Kilian, nur im Sanktorale der hl. Corbinian (46v). Auch die Federprobe 61v unten: C. dei gratia Erbipolensis episcopus, wahrscheinlich zu beziehen auf Bischof Konrad I. von Querfurt (1198–1202), deutet auf eine Provenienz aus der Diözese Würzburg (vgl. Bannister, S. 67). Auf welchem Weg die Hs. in die Heidelberger Palatina kam ist nicht ersichtlich. Schottenloher (Pfalzgraf Ottheinrich, s. Literatur) nahm an, sie sei im Besitz von Pfalzgraf, später Kf., Ottheinrich gewesen und sei dort durch die Hände von Matthias Flacius gegangen, der auch hier eine Inhaltsgabe eingetragen habe. Von einer solchen findet sich in Pal. lat. 496 jedoch keine Spur, so dass die Vermutung zumindest für diese Hs. als unzutreffend anzusehen ist. Lehmann referierte Schottenlohers Vermutung, nahm jedoch an, dass es sich prinzipiell um Hss. handelte, die aus Flacius' Besitz in die Bibliothek Ulrich Fuggers gelangt seien. Pal. lat. 496 rechnete er offenbar nicht zu diesen Bänden (Lehmann, Fuggerbibliotheken 1, S. 146f.). 1623 gelangte die Hs. mit den Bänden der Heidelberger Palatina in die vatikanische Bibliothek. Ar C. 126/ 339. Entsprechend im Allacci-Register verzeichnet (Pal. lat. 1949, 33r: 339 Missale. fol. C. 126.). Ältere Signaturen: Ar: 2193; aufgeklebtes älteres Signaturschild: 496 Pal. darunter: 464 (gestrichen). Besitzstempel der BAV: Ar, 1r, 61v, 62v.

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_lat_496
Literatur
Bannister, Textbd. S. 21, 61, 66f., Tafelbd. Taf. 34, Abb. 195; Emmanuel Bourque, Etude sur les sacramentaires romains 2,2: Le sacramentaire d'Hadrian, le supplement d'Alcuin et les grégoriens mixtes, Rom 1958 (Studi di Antichità Cristiana, 25), S. 279, Nr. 238; José María Canal, Hermannus contractus eiusque mariana carmina, in: Sacris erudiri 10 (1958), S. 170–185; Catalogo sommaria della esposizione Gregoriana, Rom 1904 (Studi e Testi, 13), Nr. 72; Adalbert Ebner, Quellen und Forschungen zur Geschichte und Kunstgeschichte des Missale Romanum im Mittelalter, Iter Italicum, Freiburg im Breisgau 1896, S. 249; Ehrensberger, Libri liturgici, S. 411–413, Nr. 14; Réginald Grégoire, Repertorium liturgicum italicum, in: Studi medievali 9 (1968), S. 465–592, S. 582f.; Johannes Emil Gugumus, Die Brevierhandschrift Pal. lat. 527 der Vatikanischen Bibliothek, in: Römische Quartalschrift für christliche Altertumskunde und für Kirchengeschichte 60 (1965), S. 245–258, S. 253f.; Samuel Ball Platner, The Manuscripts of the Letters of Cicero to Atticus in the Vatican Library, in: American Journal of Philology 21 (1900), S. 420–432, S. 420 (Hs. irrtümlich aufgeführt); Lehmann, Fuggerbibliotheken 1, S. 146, 149; Salmon, Mss. liturgiques 2, S. 17, Nr. 24 und 3, S. 72, Nr. 202; Karl Schottenloher, Pfalzgraf Ottheinrich und das Buch: ein Beitrag zur Geschichte der evangelischen Publizistik, Münster in Westf. 1927, S. 47; Stevenson, Latini, S. 167.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

1) Av Digitalisat

Verfasser
Anonymus.
Titel
Missa de sancta Katharina.
Angaben zum Text
Kurzes Formular für eine Messe zum Fest der hl. Katharina. ›De sancta Katherina. Deus qui famulo tuo Moysi in monte Synai legem dedisti et in eodem corpus beate Katherine … – … conscendere valeamus.Secretum. Omnipotens sempiterne deus, qui corpus beate Katherine virginis tue in monte Sion … . Corp. orat. 3916. ›Completorium. Quesumus domine deus noster ut nobis beate virginis et martyris tue Katherine … – … vita prebet exemplum. Per dominum nostrum. Die Texte beziehen sich auf die legendäre Grablege der hl. Katharina auf dem Sinai (Katharinenkloster).
Rubrik
Av ›De sancta Katherina‹.
Incipit
Av Deus qui famulo tuo Moysi in monte Synai legem dedisti
Weiteres Initium
Av Omnipotens sempiterne deus, qui corpus beatae Katharinae virginis tuae in monte Sion …
Explicit
Av … vita prebet exemplum.
Edition
s. Angaben beim Text.

2) 1r–60v Digitalisat

Verfasser
Anonymus.
Titel
Sacramentarium Herbipolense.
Rubrik
1r ›In primo gallicantu‹.
Incipit
1r Grates nunc omnes canamus domino deo qui sua nativitate
Explicit
60v … Et tue redemptionis facias esse participes.
Edition
Die Sequenzen finden sich zum größten Teil gedruckt in AH 53, die Hs. wurde für die Texterstellung eingesehen. Der Bibeltext liegt in der Stuttgarter Vulgataausgabe vor (Biblia sacra iuxta Vulgatam versionem, hrsg. von Robert Weber / Roger Gryson, Stuttgart 52007). Zu den Sakramentar-Texten vgl.: Jean Deshusses, Le sacramentaire Grégorien, ses principales formes d'après les plus ancien manuscrits, 3 Bde., Fribourg 1971–1988 (Spicilegium Friburgense, 16, 24 und 28). Weiteres s. bei den Texten.

3) 61r Digitalisat

Verfasser
Hermann von Reichenau (GND-Nr.: 118549693).
Titel
Sequentia de sancta Maria.
Angaben zum Text
Ave preclara maris stella in lucem gentium Maria … – … ad te transire. Hymnus für das Fest Mariae Himmelfahrt. Gisela Vollmann-Profe, "Ave maris stella" und "Ave praeclara maris stella", in: Verfasser-Datenbank: Autorinnen und Autoren der deutschsprachigen Literatur und des deutschsprachigen Raums: Von den Anfängen bis zur Gegenwart, Berlin, New York 2012 (https://www.degruyter.com/database/VDBO/entry/vdbo.killy.0233/html, abgerufen 04.03.2022).
Incipit
61r Ave preclara maris stella in lucem gentium Maria
Explicit
61r … seculi auctor ad te transire.
Edition
AH 50, S. 313–315, Nr. 241.

4) 61rv Digitalisat

Titel
Orationes.
Angaben zum Text
61r ›De dedicatione unius altaris. Omnipotens sempiterne deus altare hoc nomini tuo dicatum … . Corp. orat. 3788. Descendat quesumus domine deus noster, spiritus sanctus tuus super hoc altare … . Corp. orat. 1072. 61v Da nobis domine ut animam famuli tui sacerdotis et episcopi, quam de huius seculi eduxisti laborioso certamine … . Vgl. Corp. orat. 913. Oratio. Deus qui ad exhibenda nostre redemptionis mysteria … – … tue virtutis potentia glorietur. Per. Vgl. Missale Basileense, ed. Anton Hänggi, Fribourg 1994 (Spicilegium Friburgense 35), S. 323, Nr. 23.
Rubrik
61r ›De dedicatione unius altaris‹.
Incipit
61r Omnipotens sempiterne deus altare hoc nomini tuo dicatum
Explicit
61v … tue virtutis potentia glorietur.
Edition
s. Angaben beim Text.


Bearbeitet von
Dr. Wolfgang Metzger, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2024.


Zitierempfehlung:


Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 496. Beschreibung von: Dr. Wolfgang Metzger (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2024.


Katalogisierungsrichtlinien
Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.