Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 509

Missale ordinis fratrum praedicatorum

Pergament, Papier · 3, 250, 3 Bll. · 15,2 × 10,5 cm · Südwestdeutschland (Mittelrhein?) · 2. Viertel 14. Jh. (vor 1326?)


Schlagwörter (GND)
Liturgie / Lateinische Messe.
Entstehungsort
Südwestdeutschland (Mittelrhein?).
Entstehungszeit
2. Viertel 14. Jh. (vor 1326?).
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Pergament (Vorsatzbll. Papier 1*–3*, 2a, 250*–252*).
Umfang
3, 250, 3 Bll.
Format (Blattgröße)
15,2 × 10,5 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
(II-1)3* + IV7 + V17 + 2 VI41 + V51 + (VI-1)62 + 3 VI98 + IV106 + 11 VI238 + (VI-1)249 + (II-1)252*. 3* bildet mit dem Vorderspiegel ein Doppelbl., 250* bildet mit dem Hinterspiegel ein Doppelbl.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
Tintenfoliierung, Rom 17. Jh. (1–2, 3–249), Bl. 2a übersprungen. Die Bezeichnung unfoliierter Bll. folgt dem Digitalisat (1*–3*, 2a, 250*–252*). Textreklamanten und Lagenzählung ab 17v, d. h. ohne das Kalendarium.
Zustand
Griffspuren bei den Präfationen und im Bereich des Canon. Die ersten und letzten Pergamentbll. etwas fleckig. 1r zwei Rostspuren, vermutlich von den Schließenankern eines früheren Einbandes.

Schriftraum
10 × 7–8,5 cm.
Spaltenanzahl
; 1r–6v, 107r–109v und 239v–249v einspaltig.
Zeilenanzahl
29–30, im Canon missae 107r–109v 20 Zeilen, im Kalendarium 2r–6v 32 Zeilen, 242r–247v jeweils 6 Zeilen Text- und 6 Zeilen Musiknotation, die Nachträge mit abweichenden Zeilenzahlen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Textura formata einer (?) Hand, die Nachträge in Bastarda cursiva von verschiedenen Händen. Im Kalendarium die späteren Einträge des 15. Jhs. von einer Hand, die des 16. Jhs. wohl von zwei Händen in schwarzer bzw. violetter Tinte. 242r–247v Choralnotation auf vier Linien, 14. Jh. (?).
Buchgestaltung
Schriftraum- und Spaltenbegrenzungen sowie Zeilenlinien in verdünnter Tinte. Rubriziert. Zwei- bis dreizeilige Lombarden, abwechselnd rot und blau, jeweils mit Fleuronné in der Gegenfarbe, zu den Textabsätzen.
Buchschmuck
107r eine halbseitige Miniatur zum Canon missae. Kreuzigung mit Maria und Johannes. Quadratisches Bildfeld mit schmalen, farbig ornamentierten Rahmenleisten und Goldgrund. Der Gekreuzigte mit stark betonten Wund- und Geißelmalen und Blutfluss. 15 sechs- bis achtzeilige Fleuronnéinitialen, ornamental geteilt und mit ausgespartem figürlichem Dekor, davon ausgehend Fleuronnéstäbe an drei Seiten sowie rote Fadenranken mit fünfblättrigen blauen und roten Blüten zu den Teilen des Missale und den wichtigsten Festtagen: 8ra (Beginn des Temporale), 18va (Weihnachten), 107r (Canon missae), 110va (Ostern), 121va (Himmelfahrt Christi), 126rb (Pfingsten), 159va (Beginn des Sanktorale), 174ra (Mariae Verkündigung), 176va (Petrus Martyr), 179r (Johannes ante portam Latinam), 180rb (Translation des hl. Dominikus), 184va (Johannes der Täufer), 195rb (Mariae Himmelfahrt), 206va (Allerheiligen), 209va (Katharina von Alexandria). Auffällig ist die Hervorhebung der beiden Johannesfeste, die auch mit der besonderen Hervorhebung des Evangelisten Johannes im Kalendarium korrespondiert (s. Geschichte der Handschrift). Bilderschließung online in heidICON.

Nachträge und Benutzungsspuren
1r Omnipotens et misericors deus, qui a gloria tua nullum excipis … – … in tui semper unione vivamus. Edition: Walz, Konrad, s. Literatur, S. 346. Darunter: Sanctus domine Gorgonius sua nos intercessione letificet et pia faciat sollemnitate gaudere … – … bono iugiter odore pascatur. Per eundem. Messgebete für das Fest der hl. Kunigunde und des hl. Gorgonius. Nachtrag in einer Bastarda cursiva des frühen 15. Jhs. 1v Oratio contra hostes. Hostium nostrorum quesumus domine elide superbiam et eorum contumaciam dextere tue virtutis prosterne … – … tibi mentibus serviamus. Per dominum. Gebet aus den "gelasianischen Kriegsmessen" des Missale Romanum. Vgl. auch Andreas Heinz, Lebendiges Erbe: Beiträge zur abendländischen Liturgie- und Frömmigkeitsgeschichte, Tübingen/Basel 2010, S. 230. Pro furta et re amissa. Omnipotens sempiterne deus qui occulta omnia cognoscis exaudiet fac furem reverti … – … ut confessus reatum suum misericordiam tuam consequi mereatur. Per dominum. Messgebete für die Wiedergewinnung von gestohlenen und abhanden gekommenen Dingen. Bastarda cursiva des 15. Jhs. 106v unten In spiritu humilitatis et in animo contritohostiam salutarem offerimus … – … Per Christum dominum nostrum. Amen. Offertorium. Bastarda cursiva des späteren 15. Jhs.

Einband
1r Omnipotens et misericors deus, qui a gloria tua nullum excipis … – … in tui semper unione vivamus. Edition: Walz, Konrad, s. Literatur, S. 346. Darunter: Sanctus domine Gorgonius sua nos intercessione letificet et pia faciat sollemnitate gaudere … – … bono iugiter odore pascatur. Per eundem. Messgebete für das Fest der hl. Kunigunde und des hl. Gorgonius. Nachtrag in einer Bastarda cursiva des frühen 15. Jhs.
1v Oratio contra hostes. Hostium nostrorum quesumus domine elide superbiam et eorum contumaciam dextere tue virtutis prosterne … – … tibi mentibus serviamus. Per dominum. Gebet aus den "gelasianischen Kriegsmessen" des Missale Romanum. Vgl. auch Andreas Heinz, Lebendiges Erbe: Beiträge zur abendländischen Liturgie- und Frömmigkeitsgeschichte, Tübingen/Basel 2010, S. 230. Pro furta et re amissa. Omnipotens sempiterne deus qui occulta omnia cognoscis exaudiet fac furem reverti … – … ut confessus reatum suum misericordiam tuam consequi mereatur. Per dominum. Messgebete für die Wiedergewinnung von gestohlenen und abhanden gekommenen Dingen. Bastarda cursiva des 15. Jhs.
106v unten In spiritu humilitatis et in animo contritohostiam salutarem offerimus … – … Per Christum dominum nostrum. Amen. Offertorium. Bastarda cursiva des späteren 15. Jhs.
Provenienz
Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
Da der Festtag des hl. Thomas von Aquin im Kalendarium ein Nachtrag ist (2ar zum 7. März) datierte Ebner vor 1323 dem Jahr der Heiligsprechung, nach Leroquais, (Breviaires 1, S. CI) wurde das Fest im Dominikanerorden 1326 offiziell eingeführt. Bannister (S. 172) verwies dagegen auf einen hl. Bekenner Thomas in der Litanei. Dies kann sich nicht auf Thomas Beckett beziehen, der als Märtyrer gilt. Im Sanktorale findet sich Thomas von Aquin nicht. Die Hs. dürfte im zweiten Viertel des 14. Jhs. entstanden sein. Das Erscheinungsbild deutet auf den südwestdeutschen Raum, denkbar wäre etwa eine Entstehung im Bereich des Mittelrheins. Auffällig ist die Hervorhebung der beiden Johannesfeste im Sanktorale (s. Buchschmuck), die auch mit der besonderen Hervorhebung des Evangelisten Johannes im Kalendarium korrespondiert. Dies liefert einen Hinweis auf die ursprüngliche Bestimmung des kleinen Bandes, wahrscheinlich für eine Kirche oder Kapelle mit Johannes-Patrozinium (Namenspatron des Erstbesitzers?). Um 1460 befand sich die Hs. wohl in der Kurpfalz, der Besitzer notierte im Kalendarium die Daten einiger historischer Ereignisse, vor allem militärische Erfolge Friedrichs I., des Siegreichen, von der Pfalz (reg. 1451–1476). Da zwar die Schlacht bei Pfeddersheim vom 4. Juli 1460 eingetragen wurde, nicht aber die bedeutendere Schlacht bei Seckenheim vom 30. Juni 1462, ist davon auszugehen, dass die Eintragungen zwischen 1460 und 1462 geschrieben wurden. Friedrich der Siegreiche stiftete noch im Juli 1462 eine jährlich in Heidelberg zu veranstaltende Prozession zum Gedenken an seine beiden Siege, es wäre daher seltsam, wenn der Einträger gerade diesen Jahrestag versehentlich ausgelassen hätte (zu Friedrichs Pflege seines Nachruhms: Klaus Graf, Nachruhm - Überlegungen zur fürstlichen Erinnerungskultur im deutschen Spätmittelalter, in: Principes. Dynastien und Höfe im späten Mittelalter, hrsg. von Cordula Nolte / Karl-Heinz Spieß / Ralf-Gunnar Werlich, Stuttgart 2002, S. 315–336, online: urn:nbn:de:bsz:16-artdok-5277, abgerufen 27.06.2022). Ein späterer Besitzer, ebenfalls in der Kurpfalz zu verorten, wahrscheinlich in Heidelberg, trug unter anderem die Sterbedaten kurpfälzischer Kapellane zwischen 1512 und 1521 ein. Ausserdem wurde die Primiz des Philippus Surus vom 4. Okt. 1517 eingetragen. Es handelt sich wohl um den als Musiker an der kurpfälzischen Kapelle tätigen Philipp Surus aus Miltenberg, vgl. VD16 ZV 15270 und V 2126. Ob sich die Hs. in seinem Besitz befand oder einem anderen Kleriker im Umkreis des Heidelberger Hofes gehörte, muss vorerst offen bleiben. Der Nachtrag im Katalog der Schlossbibliothek (um 1556–1558) unter "M in octav" ist leider zu lapidar um ihn sicher dieser Hs. zuzuweisen (Pal. lat. 1929, 118v: Missale geschrieben perment 6.2.7). 1623 zusammen mit den Bänden der Heidelberger Palatina in die Vatikanische Bibliothek verbracht. 1r Capsa-Nummer: C. 126 (gestrichen). Ältere Signaturen: 1ar 476, 1r 2189, 2r 403 (alle gestrichen). Besitzstempel der BAV: 1r, 2r, 8r, 238v, 249v.

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_lat_509
Literatur
Bannister, S. 172, Nr. 593, Tafel 118a; Ebner, Quellen, S. 252f.; Adalbert Ebner, Historisches aus liturgischen Handschriften Italiens, in: Historisches Jahrbuch 13 (1892), S. 748–770, S. 765f.; Ehrensberger, Libri liturgici, S. 468–470; Oswald Holder-Egger, Bericht über eine Reise nach Italien im Jahre 1891, in: Neues Archiv der Gesellschaft für ältere Deutsche Geschichtskunde 17 (1892), S. 461–524, S. 486; Salmon, Mss. liturgiques 2, S. 132; Stevenson, Latini, S. 169; Walz, Konrad, S. 346.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

1) 2r–241v Digitalisat

Titel
Missale ordinis fratrum praedicatorum.
Rubrik
8ra ›Dominica prima in adventu domini officium‹.
Incipit
8ra Ad te levavi animam meam
Explicit
249v … melius cum eo victuros.
Edition
Das Dominikanermissale erfuhr zahlreiche Druckausgaben der Inkunabelzeit: GW M24152–M24178.


Bearbeitet von
Dr. Wolfgang Metzger, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2022.


Zitierempfehlung:


Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 509. Beschreibung von: Dr. Wolfgang Metzger (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2024.


Katalogisierungsrichtlinien
Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.