Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 513

Breviarium Herbipolense

Pergament, Papier · 2, 345, 2 · 36,1 × 27,4 cm · Süddeutschland (Diözese Würzburg?) · 1454


Schlagwörter (GND)
Liturgie / Brevier / Breviergebet / Stundengebet.
Entstehungsort
Süddeutschland (Diözese Würzburg?).
Entstehungszeit
1454.
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Pergament (Vorsatzbll. Papier 1a–2a, 346*–347*).
Umfang
2, 345, 2.
Format (Blattgröße)
36,1 × 27,4 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
(II-2)2a + 34 V340 + (III-1)345 + (II-2)347*. Der Vorderspiegel ist Gegenbl. von 1a, der Hinterspiegel ist Gegenbl. von 347*.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
Tintenfoliierung, Rom 17. Jh. (1–345).
Zustand
Leichte Griffspuren. 345v etwas fleckig. Sonst guter Zustand.

Schriftraum
27,3–28,1 × 20,2 cm.
Spaltenanzahl
2 Spalte.
Zeilenanzahl
41 Zeilen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Routiniert geschriebene Bastarda formata einer Hand. Der Schreiber nennt sich 345rb Martinus de Erfordia (s. Geschichte der Handschrift). Die Ausformung der Schrift zeigt deutliche Anklänge an die "Lettre Bourguinonne" der Jahrhundertmitte.
Buchgestaltung
Spaltenbegrenzungen und Zeilenlinien in Tinte. Rubriziert. Zwei- bis dreizeilige Lombarden abwechselnd in Rot und Blau zu den Textabsätzen. Die in etwas kleinerem Schriftgrad gehaltenen Antiphonen und Versikel gelegentlich mit einzeiligen roten Lombarden. In der ersten Zeile der Seite zuweilen einfachere Kadellen in Rot oder Schwarz. 177ra eine achtzeilige Lombarde zum Beginn des Proprium sanctorum. 323va eine siebenzeilige Lombarde, rot-blau ornamental gespalten und mit rotem Binnen- und Besatzfleuronné versehen, zum Beginn des "Commune sanctorum". Entsprechend 339va aber achtzeilig und ohne Besatzfleuronné, zum Beginn des Hymnariums.
Buchschmuck
1ra eine historisierte Initiale zum Beginn des Textes. Bordüre an drei Seiten: farbige Blatt- und Blumenranken, Federranken mit bewimperten Goldblättern, Goldpollen. Die Darstellung der Bildinitiale thematisiert die Prophezeihungen des Jesaja, die in der Adventszeit gelesen wurden. Im Vordergrund ein stattlich gekleideter Mann mit Bart und Mütze (Prophet?), die Hände gefesselt und sich über den weit geöffneten Höllenrachen beugend. Links von ihm ein blaues Gewand mit goldgesäumtem Ärmel, wie von einer in den Höllenrachen stürzenden Figur. Das teilweise beschädigte Spruchband lässt noch den Schluss der Inschrift "… de celo" erkennen (vgl. Is 14,12 Quomodo cecidisti de caelo, Lucifer …). Dahinter, über den brennenden Gebäuden einer Stadt, ein König mit Spruchband: Veni ad li[be]ra[ndum]. Vermutlich zu ergänzen zu: Veni ad liberandum nos domine deus virtutum. Ostende faciem tuam et salvi erimus (CAO 7823, vgl. Ps 79). Darüber im Himmel die Halbfigur Gottes. Im Hintergrund ist eine brennende Stadt zu sehen, wohl Jerusalem. Die Visionen des Jesaja entwerfen das Bild des brennenden Jerusalem und seiner falschen Propheten sowie des Höllenrachens der Luzifer verschlingt (z. B. Is 5,13–15, vgl. Is 14,12). Gezeigt wird der Gerechte aus dem Stamm Davids, der Israel errettet, der Messias. Die Bildinitiale ist somit vor allem auf die Lesungen des Propheten zu beziehen, die 1va beginnen. Die Vision des Jesaja vom Strafgericht über Jerusalem findet sich selten als Bildmotiv in historisierten Initialen zur ersten Lesung des Breviers am ersten Advent (vgl. etwa Paris, Bibliothèque nationale de France, ms. lat. 1023, 70va). Isaias und der Höllenrachen findet sich auch im Albani-Psalter (Hildesheim, Dombibliothek, St. Godehard 1, 187r). Die Ornamentik der Bordüre orientiert sich an der flämischen Buchmalerei der Zeit. Auch die Auffassung des Bildraumes in der Initiale 1ra weist Anklänge an die aktuellen Erzeugnisse dieser Kunstlandschaft auf. Die Organisation des Initialkörpers vor dem schmal gerahmten quadratischen Goldgrund hingegen deutet eher auf eine Herkunft aus dem süddeutschen Raum. Bilderschließung online in heidICON.

Nachträge und Benutzungsspuren
Gelegentlich wenig spätere Textergänzungen auf den Seitenrändern. 1r oben rechts Titeleintrag des 16. Jhs.: Ordo de festivitat[ibus] sanctorum per circu[lum] anni peragendis 1454.

Einband
Braunes, marmoriertes Kalbsleder mit Goldpressung auf Pappen, Rom 1769–1774. Rücken mit sechs schwach erhabenen, golden konturierten Doppelbünden. Oben in Gold die Signatur 513, in den Feldern darunter ebenfalls in Gold abwechselnd die drei Sterne und der Dreiberg aus dem Wappen von Papst Clemens XIV. (1769–1774), hierzu: Montuschi, biblioteche, S. 320–321 (vgl. Fig. 27) und S. 335. Von Schunke (Einbände 2.2, S. 840 und Einbände 1, S. 254, S. 334) irrtümlich dem Kardinalbibliothekar Alessandro Albani (1692–1779, Bibliothekar ab 1761) zugeordnet. Kapital mit Seidenfäden in Grau und Rosa umwickelt. Spiegel und jeweils das erste Vorsatzbl. mit Marmorpapier kaschiert (Kamm-Marmor). Farbschnitt gelb.
Provenienz
Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
Das Brevier entspricht dem Gebrauch der Diözese Würzburg. Der Festtag des hl. Bischofs Burkhard wird im Sanktorale entsprechend gewürdigt. Die Rubrik des "Commune sanctorum" (323va) verweist auf eine Kirche Sankt Kilian für die das Brevier bestimmt war. Im Bistum Würzburg des 15. Jhs. gab es mehrere in Frage kommende Kirchen mit Kilianspatrozinium, darunter der Würzburger Dom und die Heilbronner Kilianskirche. Der Kolophon (345rab) von Samstag, 5. Okt. 1454 nennt den Schreiber: Finitum et completum sub anno domini Mo cccco Liiiio sabbato proxima post festum sancti Francisci per manus Martini de Erffordia scriptoris etc. Deo gracias. Ein Schreiber Martin aus Erfurt ist nach dieser Hs. bei Sigrid Krämer, Scriptores Possessoresque Codicum Medii Aevi unter: Erfordia, Martinus de, scriptor, verzeichnet (http://ervwebserver.erwin-rauner.de.0083bfjk18ff.emedia1.bsb-muenchen.de/scriptposs/script_nom.asp, abgerufen am 13.07.2022). Der stattliche Band lässt sich anhand der mit dem Titeleintrag auf 1r (s. Nachträge) übereinstimmenden Ansetzung im Katalog der Heidelberger Schlossbibliothek von 1555/1556 identifizieren (Pal. lat. 1929, 126r: Regal: Ordo de festivitatibus sanctorum per circulum anni peragendis, finitus anno 1454, auf perment geschrieben.). Auf welchem Weg die Hs. in die Heidelberger Schlossbibliothek gelangte, ist nicht bekannt. Der Katalog der Heidelberger Palatina von 1581 liefert Informationen zum damaligen Einband der Hs. (Pal. lat. 1930, S. 127: Ordo de festivitatibus sanctorum, geschrieben perment, in folio, bretter, rott leder, bucklen.). 1623 mit der Palatina in die vatikanische Bibliothek verbracht. Im Allacci-Register wahrscheinlich unter: 249 Breviarium. fol. C. 139. scriptum anno 1454 (Pal. lat. 1949, 8r). Die Hs. trägt auf 2ar das aufgeklebte Schenkungsexlibris von Maximilian von Bayern an Gregor XV. von 1623 (zweite Version). Maximilian wird als Erztruchsess und Kurfürst genannt. Das im Zentrum des Exlibris stehende Wappen Maximilians zeigt im Herzschild den Reichsapfel und ist mit dem Kurhut versehen. das Exlibris wurde von dem Kupferstecher Raphael Sadeler d. Ä. (um 1560–1632) geschaffen und findet sich vor allem in den Bänden, die bereits im Herbst 1622 von Heidelberg nach München gebracht worden waren (Elmar Mittler, Exlibris Kurfürst Maximilians von Bayern, in: Ausst.-Kat. Palatina, Textbd., S. 472, Nr. H 2.8; Albert Treier, Redende Exlibris. Geschichte und Kunstform des deutschen Bücherzeichens, Wiesbaden 1986 [Buchwissenschaftliche Beiträge aus dem Deutschen Bucharchiv München 17], S. 26; Montuschi, biblioteche, S. 305–308). Es ähnelt dem Wappenexlibris, das Sadeler für die Münchner Hofbibliothek nach der Erhebung Maximilians zum Kurfürsten schuf. Besitzstempel der BAV: 1r, 345v.
Besonderheiten
Die Gestaltung der Handschrift lehnt sich an ein Vorbild aus dem flämischen Raum an, dies betrifft vor allem die Ornamentik der Bordüre 1r, aber auch die historisierte Initiale und schließlich die Schrift.

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_lat_513
Literatur
Colophons 4, Nr. 13200; Ehrensberger, Libri liturgici, S. 232f., Nr. 35; Montuschi, biblioteche, S. 335; Salmon, Mss. liturgiques 1, S. 140, Nr. 283.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

1) 1ra–345ra Digitalisat

Beteiligte Personen
Bischof Burchard von Würzburg, Heilige (GND-Nr.: 118817140).
Titel
Breviarium Herbipolense.
Angaben zum Text
(1ra–176rb) Proprium de tempore. ›Dominica prima in adventu domini. Nota si festum sancti Andree in dominicam evenerit … – … dominica sequenti adventus domini peragatur. Ad vesperas vero adventus domini antiphona. Benedictus [qui venit] … . ›Capitulum. Deus pacis sanctificet vos … – … in adventu domini nostri Ihesu Christi servetur [1 Th 5,23]. ›Responsorium. Ecce dies veniunt dicit dominus et suscitabo David germen justum [Ier 23,5–6; CAO 6583] … – … quia hic est vere propheta qui venturus est in mundum.Deo gracias‹. Vom ersten Advent bis zum 25 Sonntag nach Pfingsten.
(177ra–323rb) Proprium de sanctis. ›In nomine domini amen. Incipit ordo de festivitatibus sanctorum per circulum anni peragendis. In vigilia sancti Andree apostoli ocurrit natale sanctorum nostrorum Saturnini, Crisanti, Mauri atque Darie virginis, et in prima vespera cantandum est de martiribus. Nocturnis habetur tres lectiones leguntur. Lectio prima secundum Iohannem. In illo tempore stabat Iohannes et ex discipulis eius duo … – … putans deorum auxilis hostem tam facile superasse, innumeras ei gracias referebat. Tu autem. Beginnend mit der Vigil des hl. Andreas und endend mit dem hl. Mercurius (in Würzburg am 27. Nov.). Darin: (302vb–303va) Offizium zum Fest des Würzburger Patrons Burkhart ›Burckardi episcopi et confessoris. Nota quod hoc festumiuxta consuetudinem ecclesie Herbipolensis sollempniter est peragendum hoc modo … . Antiphona. Sacerdos et pontifex. CAO 4673. ›Ymnus. Iste confessor. Siehe 344vb Iste confessor domini sacratus … . AH 51, Nr. 118, S. 134f. ›Lectio prima. Venerabilis Burckardus anglorum genere nobilis nobilior factus … . Lektionen aus der älteren Vita Burchards von Würzburg (BHL 1483). Text: MGH SS 15, S. 47–50. Siehe auch: Geschichtsquellen des deutschen Mittelalters (https://www.geschichtsquellen.de/werk/5444, abgerufen 11.07.2022). (323va–339rb) Commune sanctorum.Incipit commune sanctorum secundum chorum sancti Kyliani. In vigilia unius apostoli ad vesperas super psalmum ferialem antiphona. Estote fortes in bello [CAO 2684] … – … congregaverunt divicias tu supergressa es universas. Deo gracias. Amen. (339va–345ra) ›Hymnarium.In adventu domini. Ympnus. Veni redemtor gencium … – … ›In dedicatione ecclesie‹. Urbs beata Ierusalemparaclito tui laus et potestas per eterna secula. Amen. Auswahl und Abfolge der Hymnen wie im Hymnarium des um 1490 von Georg Reyser gedruckten Breviarium Herbipolense GW 5361.
Rubrik
1ra ›Dominica prima in adventu domini … ‹.
Incipit
1ra Deus pacis sanctificet vos [1 Th 5,23].
Weiteres Initium
1ra Ecce dies veniunt dicit dominus et suscitabo David germen iustum [Ier 23,5].
Explicit
345ra … paraclito tui laus et potestas per eterna secula.
Edition
Das Breviarium Herbipolense wurde in Würzburg mehrfach als Inkunabel gedruckt, siehe: GW 5356–5361. Online verfügbar: GW 5361.


Bearbeitet von
Dr. Wolfgang Metzger, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2024.


Zitierempfehlung:


Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 513. Beschreibung von: Dr. Wolfgang Metzger (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2024.


Katalogisierungsrichtlinien
Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.