Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 520

Breviarium nocturnale Wormatiense

Papier · 2, 372, 1 · 20,3 × 13,5 cm · Heidelberg · 1. H. 15. Jh.


Schlagwörter (GND)
Liturgie / Brevier / Breviergebet / Stundengebet / Kalendarium.
Entstehungsort
Heidelberg.
Entstehungszeit
1. H. 15. Jh.
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Papier.
Umfang
2, 372, 1.
Format (Blattgröße)
20,3 × 13,5 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
(I-1)1a + 12a + IV8 + V18 + 13 VI175 + VII189 + 11 VI321 + (VI+1)334 + 3 VI370 + (I-1)371*. 1a bildet mit dem Vorderspiegel ein Doppelbl. 332 ist ein eingefügtes, kleineres Bl. 371* bildet mit dem Hinterspiegel ein Doppelbl.
Zustand
1r und 370v etwas verschmutzt. Bei Bl. 370 ein Ausriss bei einer modernen Restaurierung angefasert.
Wasserzeichen
Aufgrund der Größe der Hs. nicht digitalisiert.

Schriftraum
14,5 × 9,6 cm.
Spaltenanzahl
1 Spalte.
Zeilenanzahl
34 Zeilen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
2r–364v regelmäßig geschriebene Buchbastarda von zwei Händen im Wechsel, in drei Schriftgraden abgestuft. Text und Initien von Psalmen und Evangelienlesungen in größerer, sorgfältig ausgeformter Schrift. Weitere Lesungen und Rubriken überwiegend im mittleren Schriftgrad. Responsorien, Antiphonen und Versus kleiner in einfacherer Schrift. Die Ergänzungen 1r und 365r–370v von weiteren Händen. Die chronikalischen und Nekrologeinträge im Kalendarium wohl von einer Hand, späte gotische Kursive, 3. Viertel 15. Jh. bis einschließlich 1471 (s. Nachträge). 1v in deutscher Kurrentschrift des 16. Jhs. (von dieser Hand wohl auch der Kalendereintrag 3v zum Schneefall im April von 1529). Der Randeintrag von Wendelin Sprenger 4v in Humanistica cursiva.
Buchgestaltung
Schriftraumbegrenzungen und Zeilenlinien in Tinte. Rubriziert. Drei- bis vierzeilige rote Lombarden zu den Textabschnitten, zuweilen mit ausschwingenden Fadenranken und Konturstrichen. Einzeilige rote Lombarden und rot gestrichelte Maiuskeln als Satzinitialen. Differenzierung des Schriftgrades für die unterschiedlichen Textteile (s. Schrift).

Nachträge und Benutzungsspuren
1v Eintrag einer späteren Hand zum Jahr 1523: Cecidit infelix Franciscus fragmine ligni. Anno Christi 1523 Quasimodogeniti [12. April] zog man zu feld. Sein im angewunnen worden dise schloß: Cronberg, Warenberg, Wartenstein, Trackenfelß, Nanstall, Hoenberg, Alt- dan Neu- dan Litzelberg, Ebernberg, Kalenfels. Durch die fürsten pfalzgrave Ludwig, landgrave und Tryer, tempore Luteri etc. Zu den Eroberungen der Fürstenkoalition im "Ritterkrieg" von 1522–1523. Die genannten Fürsten sind: Kf. Ludwig V. von der Pfalz , Kf. Richard von Greiffenklau Erzbischof von Trier und Landgrafen Philipp I. von Hessen .
2v–7v im Kalendarium Nekrologeinträge für Kf. Ruprecht I. von der Pfalz, König Ruprecht, Kf. Ludwig III. von der Pfalz, dessen erste Frau Blanka, ihren Sohn Ruprecht den Engländer und Ludwigs zweite Frau Mechthild von Savoyen. Die Daten reichen von 1390 bis 1438. Ausserdem vermerkt wurde die Schlacht von Bulgnéville 1431 bei der viele pfälzische Adelige gefallen waren.
3v–7r ebenfalls im Kalendarium, chronikalische Einträge zu militärischen Erfolgen Kf. Friedrichs des Siegreichen von der Pfalz (vgl. auch Pal. lat. 509). Die Daten reichen von 1449 bis 1471. Dabei auch erwähnt, die Präsentation der eroberten Fahnen in der Heiliggeistkirche von 1471 (3v). Siehe hierzu: Wolfgang Eric Wagner, Universitätsstift und Kollegium in Prag, Wien und Heidelberg, eine vergleichende Untersuchung spätmittelalterlicher Stiftungen im Spannungsfeld von Herrschaft und Genossenschaft, Berlin 1999, S. 295f. sowie Bloh / Berg, Gebetbuch, S. 267 u. ö.
3v zum 22. April: In vigilia Georgii 1529 ist eyn schne gefallen 4 finger diff et nichil nocuit fructibus. - 4v Randnotiz zum 19. Juni 1550 Hoc die mane hora 8 minute 30 ego magister Vendelinus Sprenger Heidelbergensis canonicus regalis ecclesie sancti spiritus per illustrissimi principis et electoris nostri consiliarios, vocatis ad cancellariam vicedecano d. Mathiae Kejlero, doctore Georgio Nigri seniore et domino Jacobo Reschio canonicis capitularibus in predicte ecclesie, decanum ex illustrissimi principis et electoris electione denunciatus sum anno 1550 etc. Wendelin Sprenger wurde am 19. Juni 1550 zum Dekan des Heidelberger Heiliggeiststifts ernannt (Drüll, Gelehrtenlexikon, S. 512f.).

Einband
Weißes Pergament mit Goldpressung auf Pappen. Rom, 1939–1957. Glatter Rücken. Oben altes Signaturschild der BAV, Kupferstichkartusche, darin in Rot: 520. Darunter rotes Lederschild mit Goldpressung Pal. 520. Darunter in Goldpressung die Wappen von Papst Pius XII. (Pontifikat 1939 bis 1958) und des Kardinalbibliothekars Giovanni Mercati (1936–1957). Unten das blaue Signaturschild der BAV. Auf dem Vorderspiegel aufgeklebt die abgenommenen Supralibros des vorhergehenden vatikanischen Einbandes auf ausgeschnittenen Stücken aus grünem Pergament, oben: Wappen Papst Urbans VIII. (Pontifikat 1623–1644), darunter Wappen des Kardinalbibliothekars Francesco Barberini (1626–1633) sowie zwei Stücke mit den Bienen des Barberiniwappens. Ebenfalls aufgeklebt das Titelsschild des alten Einbandes (No[c]turnale [Wor]macien[se] Pal.) sowie zwei moderne Rückenschilder der BAV in Blau. Schunke, Einbände 2,2, S. 840, vgl. Schunke, Einbände 1, S. 256f.
Provenienz
Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
Die Hs. entstand in der 1. H. des 15. Jhs. in Heidelberg, sehr wahrscheinlich für den Gebrauch am Heidelberger Heiliggeiststift (https://www.kloester-bw.de/kloster1.php?nr=281, abgerufen am 16.09.2022). Die Nekrologeinträge und Jahrestage historischer Ereignisse im Kalendarium zeigen den engen Bezug zum kurpfälzischen Herrscherhaus, das seit Kf. Ruprecht III. in der Heiliggeistkirche seine Grablege hatte. 1550 befand sich die Hs. im Besitz des Dekans des Kollegiatstifts Heiliggeist Wendelin Sprenger (s. Nachträge zu 4v). Ebenfalls aus dem Besitz Sprengers stammt Pal. lat. 1288 (Schuba, Kat. UB Heidelberg 1). 1623 mit den Bänden der Heidelberger Palatina in die vatikanische Bibliothek verbracht. 1r Capsa-Nummer C. 73 (vgl. Montuschi, biblioteche, S. 308). Ältere Signaturen 1r: 1068, 380 (beide gestrichen). Besitzstempel der BAV: 1r, 370v.

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_lat_520
Literatur
Bloh/ Berg, Gebetbuch, S. 253-255, S. 264, S. 267; Ehrensberger, Libri liturgici, S. 283f., Nr. 78; Gugumus, Erforschung, S. 138; Oswald Holder-Egger, Bericht über eine Reise nach Italien im Jahre 1891, in: Neues Archiv der Gesellschaft für ältere Deutsche Geschichtskunde 17 (1892), S. 461–524, S. 486; Montuschi, biblioteche, S. 308; Salmon, Mss. liturgiques 1, S. 143, Nr. 290; Stevenson, Latini, S. 171; Walz, Konrad, S. 343–344.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

1) 1rv Digitalisat

Beteiligte Personen
Alexander III., König von Makedonien (GND-Nr.: 118501828).
Titel
Adnotationes.
Angaben zum Text
1r zwei etwa zeitgenössische Einträge, oben: 12 Verse zu den medizinischen Eigenschaften der Wachholderbeeren. Walther, IC, Nr. 9944. Vgl. Stuttgart, WLB, HB XIV 10, 1r. Darunter: Ps.-Aristoteles, Ratschläge für Alexander den Großen. ›Documenta Aristotelis regi Alexandro missa‹. Cela secreta … – … si honorem et bona cupis serva predicta. Charles Bernard Schmitt / Dilwyn Knox, Pseudo-Aristoteles Latinus, a guide to Latin works falsely attributed to Aristotle before 1500, London 1985, S. 29, Nr. 33.
Rubrik
1r ›Hy sunt effectus granorum Juniperi‹.
Incipit
1r Juniperi grana omni tempore sunt sana
Weiteres Initium
1r Cela secreta, loquere pauca, verax esto …
Explicit
1r … solum celant quod ignorant. Si honorem et bona cupis serva predicta.

2) 2r–8r Digitalisat

Titel
Kalendarium.
Angaben zum Text
(2r–7v) Festkalender für die Diözese Worms (z. B. 4. Mai S. Florian, Gothard und Guido; 6. Juli S. Goar; 27. Juli S. Hermolai). Weitere Festtage entsprechen den Kalendarien von Main und Speyer (vgl. Bloh / Berg, Gebetbuch, S. 253–255). Fünf Spalten: Monatstag, Sonntagsbuchstaben, römisches Datum, Festtag, Angaben zum Festgrad. Die wichtigsten Feste in roter Tinte eingetragen. Am Kopf der Seite in Rot die Zahl der Sonnen- und Mondtage. Spätere Einträge s. unter Nachträge. (8r) Intervalltafel. Wochen und Tage von Weihnachten bis zum Sonntag Estomihi ("Dominica quinquagesimae").
Incipit
2r Januarius habet dies XXXI, lune XXX
Explicit
8r … et a latere illius dominice habes illius anni intervallum a nativitate domini usque ad esto mihi.
Edition
s. die Drucke des Breviarium Wormatiense.

3) 9r–364v Digitalisat

Titel
Breviarium nocturnale Wormatiense.
Angaben zum Text
Brevierauszug für die Nachtstunden (auch nur als Nocturnale oder Matutinale bezeichnet). (9r–201v) Proprium de tempore. Ecce venit rex … – … (202r–358v) Proprium de sanctis. ›Incipit de sanctis in vigilia sancti Andree ad matutinam … ‹. In illo tempore stabat Iohannes et ex discipulis eius duo [Io 1,35] … – … iuxta generale votum deus dedit episcopum. Tu autem [domine miserere nobis]. ›Finit nocturnale per totum annum secundum rubricam ecclesie Wormaciensis‹. Vom Fest des hl. Andreas bis zu dem des hl. Konrad.
359rv leer. (360r–364v) Commune sanctorum. ›Incipit commune sanctorum et primo de apostolis. Invitatorium‹. Regem apostolorum dominum. ›Psalmus‹. Venite adoremus … – … eructavit cor meum verbum bonum dico ego opera mea regi. Quem. Gloria patri. Quem vidi. ›Lectiones de commune sanctorum cum suis omeliis habentur in diurnali‹. Das Commune sanctorum wird hier offenbar nicht als integraler Teil des Nocturnale gesehen, obgleich es auch für die Nachthoren unverzichtbar ist und darauf verwiesen wird (vgl. auch GW M27171). Die Lesungen des Commune sind hier nicht enthalten, für sie wird auf das zugehörige Breviarium diurnale verwiesen.
Rubrik
9r ›Incipit nocturnale secundum ordinem ecclesie Wormaciensis. In dominica prima adventus ad matutinam invitatorium‹.
Incipit
9r Ecce venit rex occurramus obviam salvatori nostro
Explicit
364v … eructavit cor meum verbum bonum dico ego opera mea regi. Quem. Gloria patri. Quem vidi.Lectiones de commune sanctorum cum suis omeliis habentur in diurnali‹.
Edition
Das Wormser Brevier erschien mehrfach im Inkunabeldruck, siehe GW 5513–5516. Breviarium iuxta ritum et ordinem ecclesiae Wormatiensis, Mainz 1576 (VD16 B 8205). Vgl. auch VD16 ZV 31331 und ZV 31332.

4) 365r–368r Digitalisat

Titel
Benedictiones.
Angaben zum Text
Weihetexte für die Bereitung von Weihwasser, für das Osterlamm sowie für weitere Lebensmittel und die Johannesminne. Siehe: Adolf Franz, Die kirchlichen Benediktionen im Mittelalter, Bd. 1, Freiburg im Breisgau 1909. (365r–366r) Exorcismus salis et aquae. Franz, a. a. O., S. 155, Nr. 1 und S. 166f., Nr. 13. (366v) ›Benedictio agni paschalis‹. Franz, a. a. O., S. 589, Nr. 14. (366v–367r) ›Benedictio carnium‹. Franz, a. a. O., S. 585, Nr. 3. (367r) Benedictiones casei, ovorum, panis et lardi. Vgl. Franz, a. a. O., S. 582 und 589–594. (367v–368r und 366r) ›Benedictio amoris Johannis evangeliste‹. Johannesminne. Zur Weihe des Johannisweines, vgl. Franz, a. a. O., S. 286–326. Der Text bricht 368r unten ab, der Rest steht 366r unten (Verweis 368r: reverte duo folia *).
Rubrik
365r ›Exorcismus salis‹.
Incipit
365r Exorciso te creatura salis
Explicit
368r … benedictiodescendat super hunc potum vini et maneat semper. Amen.

5) 368v–370r Digitalisat

Titel
Rubricae per missam.
Angaben zum Text
Regeln für einige Elemente der Messfeier, wohl auf der Grundlage der Rubriken eines Missale. Die Angaben betreffen 'Gloria', 'ite missa est', 'Credo', 'communicantes' sowie die Präfationen.
Rubrik
368v ›De gloria in excelsis et ite missa est‹.
Incipit
368v Notandum quod omnibus dominicis diebus a festo Pasche usque ad primam dominicam adventus.
Explicit
370r … a vigilia Penthecostis usque ad octavam 'communicantes' et 'hanc igitur'. Et tamen 'de illis' et cetera.

6) 370v Digitalisat

Titel
Dies festi sub praecepto et ad libitum.
Angaben zum Text
Auflistung von gebotenen und nicht gebotenen Festtagen ex processibus synodalibus der Jahre 1479 und 1480. Den Festtag des Patrons eines bestimmten Ortes kann der zuständige Pleban zum gebotenen Fest erklären. Weitere Feste sind nur empfohlen, aber nicht geboten.
Rubrik
370v ›Hec festa celebrantur et sub precepto mandantur‹.
Incipit
370v Nativitas domini cum tribus sequentibus. Circumcisionis domini
Explicit
370v … ex voluntate bona celebraverint plurimum commendamus. Hec ex processibus synodalibus datis annis 79 et 80 et cetera.


Bearbeitet von
Dr. Wolfgang Metzger, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2024.


Zitierempfehlung:


Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 520. Beschreibung von: Dr. Wolfgang Metzger (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2024.


Katalogisierungsrichtlinien
Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.