Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 523

Breviarium Augustanum

Papier, Pergament · 1, 404, 1 · 14,8 × 10 cm · Augsburg (?) · 1. H. 15. Jh.


Schlagwörter (GND)
Liturgie / Brevier / Breviergebet / Stundengebet / Kalendarium.
Entstehungsort
Augsburg (?).
Entstehungszeit
1. H. 15. Jh.
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Papier, Bl. 1–2, 42, 77–86, 88–91 und 404 Pergament.
Umfang
1, 404, 1.
Format (Blattgröße)
14,8 × 10 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
(I-1)1a + I2 + VII16 + V26 + (VIII-1)41 + VII55 + IV63 + (VIII-3)76 + V86 + III92 + 12 VI236 + IV244 + 11 VI376 + V386 + IV394 + V404 + (I-1)405*. 1a bildet mit dem Vorderspiegel ein Doppelbl., 405* bildet mit dem Hinterspiegel ein Doppelbl. Lagenstruktur nicht überall klar erkennbar. Zuweilen scheinen Einzelbll. aus Papier- und Pergament zu gemischten Doppelbll. verbunden worden zu sein (z. B. Bll. 42 und 55).
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
Tintenfoliierung, Rom 17. Jh. (1–404). Zudem Tintenfoliierungen des 15. Jhs.: Bl. 3–9: 7–13; Bl. 10–15: 1–6 ; Bl. 16–41: 166–191; Bl. 42–92: I–LII; Bl. 93–244: 14–165; Bl. 245–394: 192–340. Auf 395–404 keine ältere Foliierung.
Zustand
Deutliche Griffspuren wohl von langjähriger Benutzung der Hs.
Wasserzeichen
Aufgrund der geringen Größe der Hs. nicht digitalisiert.

Schriftraum
11,8-12 × 7 cm.
Spaltenanzahl
1 Spalte, in Kalendarium und Litanei zweispaltig (6v–9r, 91r–92r).
Zeilenanzahl
33 Zeilen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Schlichte aber klar und regelmäßig geschriebene Bastarda ohne Schleifen von einer Hand. Auffällig sind das offene End-s mit deutlicher Unterlänge und die Unterlänge des g mit runder, geschlossener Schleife. Beide Merkmale finden sich in dieser Zeit im oberitalienischen Raum, aber kaum im deutschsprachigen Bereich. 1r–2v von anderer Hand zugefügt. Bastarda mit Schleifen an d und zum Teil an l. 1. H. 15. Jh.
Buchgestaltung
Überwiegend keine erkennbaren Textraumbegrenzungs- und Zeilenlinien (letztere wohl blind gegriffelt, s. 394v). Im Kalendarium Tintenlinien für Spaltenbegrenzungen und Zeilen. Rubriziert. Vier- bis sechszeilige rote Lombarden zu den Textabschnitten, ein- bis zweizeilig zu Versen und Strophen. Im Hymnar Versanfänge rot gestrichelt. Textanfänge zumeist rot unterstrichen. Im Kalender Kl-Kürzel rot und vergrößert am Kopf der Monatsspalten.
Buchschmuck
Fünf- bis achtzeilige Fleuronnéinitialen zu den Anfängen der Tagesabschnitte im Psalter (42r, 49r, 53r, 57r, 61v, 66v, 71v, 76v) und zum Beginn der Abschnitte des Temporale (93r, 245r). Jeweils grüne Lombarden mit hellrotem Knospenfleuronné.

Nachträge und Benutzungsspuren
Bis auf einige wenige Einträge im Kalendarium finden sich keine Nachträge.

Einband
Weißes Pergament mit Goldpressung auf Pappen. Rom, 1869–1878. Glatter Rücken. Oben in Goldpressung das Wappen von Papst Pius IX. (Pontifikat 1846 bis 1878). Darunter ein rotes Lederschild mit Goldpressung Pal. 523. Darunter das Wappen des Kardinalbibliothekars Jean-Baptiste Pitra (1812-1889, Kardinalbibliothekar ab 1869). Unten das blaue Signaturschild der BAV. Gewobenes Kapitalband mit dunkelrotem Zickzackmuster. Schunke, Einbände 2,2, S. 840, vgl. Schunke, Einbände 1, S. 257.
Unter Legat. Pal. lat. 523 wird in der BAV der ehemalige Einband der Hs. aufbewahrt, abgenommen vor dem Neueinband im 19. Jh.: Braunes Kalbsleder mit Blind- und Goldpressung auf Holzdeckeln. Heidelberg, Jörg Bernhard (?), 1558, angefertigt für Kf. Ottheinrich von der Pfalz. Vorderdeckel: mittig Porträtplatte Ottheinrichs mit Monogramm OH PC in ovalem Rollwerkrahmen, vergoldet (Konrad Haebler, Rollen- und Plattenstempel des XVI. Jahrhunderts, Bd. 2, Leipzig 1929, S. 71, Nr. V). Darunter die Jahreszahl 1558 in Gold. Umrahmung mit Rollstempelabdrücken: Auferstehung, Kreuzigung, Sündenfall (Haebler, Nr. 3) und Blumenranke (Haebler, Nr. 7). Hinterdeckel: mittig vergoldete Wappenplatte im ovalen Rollwerkrahmen (Kurpfalz, drei Schilde: Löwe, Globus, Rauten, Haebler, Nr. VII). Der Abdruck hat wenig Relief und die Vergoldung ist sehr unregelmäßig, Motiv schlecht zu erkennen. Darum Rahmen aus Rollstempelabdrücken, wie vorne, an Stelle der Jahreszahl die "Pärchenrolle" (Haebler, Nr. 4) und Blumenranke. Schließen und Eckbeschläge entfernt. Reste von zwei entfernten ledernen Bandschließen (hinten) und Abdrücke der zugehörigen Schließenanker (vorne). Rücken mit drei erhabenen Bünden. Darauf oben Reste des älteren Signaturschildes der BAV (Kupferstichkartusche, in Rot: 523). Darunter ein älteres, fragmentiertes Papierschild (Schrift vollständig abgerieben). Auf dem Vorderspiegel ein aktuelles Signaturschild in Hellgrün, sowie die Capsa-Nummer (C. 79) und die Zahl 5983. Auf dem Hinterspiegel die aktuelle Signatur, jeweils in Bleistift.
Provenienz
Augsburg / Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
Brevier der Diözese Augsburg. Schrift und Kalendarium deuten auf eine Entstehung in der 1. H. des 15. Jhs. Das Translationsfest des hl. Servatius am 7. Juni mag auf ein Patrozinium des Heiligen verweisen, etwa die Kapelle S. Servatius in Augsburg (erstmals erwähnt 1264, abgebrochen 1543). Das Fest könnte auch auf eine Servatiusreliquie hindeuten. In Augsburg bestand auch eine Servatius-Stiftung als Leprosenhospital. Zu beiden Einrichtungen siehe: Peter Rummel, Katholisches Leben in der Reichsstadt Augsburg (1650-1806), in: Jahrbuch des Vereins für Augsburger Bistumsgeschichte 18 (1984), S. 9–161, hier S. 61 und S. 140. Die ältere Foliierung der Bll. 42–92 mag auf eine gewisse Eigenständigkeit des Teils mit Psalter, Cantica und Litanei hindeuten. Dies, die Sprünge in der älteren arabischen Foliierung und die ungewöhnliche Abfolge der Textteile deuten darauf hin, dass der Band im Laufe seiner Existenz verändert wurde. Würde man den Band nach der älteren Foliierung umordnen ergäbe sich eine Teilung in Sommer- und Winterteil, jeweils mit Temporale und anschließendem Sanktorale sowie zwischen beiden das Commune sanctorum. - 1r oben Titeleintrag des 16. Jhs. Breviarium. Spätestens 1558 befand sich der Band im Besitz von Kf. Ottheinrich von der Pfalz der ihn für sich einbinden ließ. Woher er ihn bekommen hatte, ist nicht ersichtlich. In seiner Kurfürstenzeit hat Ottheinrich auch Bände der älteren Schlossbibliothek entsprechend binden lassen (vgl. Wolfgang Metzger, Bücher als Bausteine - Ottheinrich von der Pfalz und die Grundsteinlegung der "Bibliotheca Palatina", in: Kurfürst Ottheinrich und die humanistische Kultur in der Pfalz, hrsg. von Hans Americh / Hartmut Harthausen, Speyer 2008, S. 39–60, hier S. 41). Mit den Heidelberger Bücherbeständen Ottheinrichs gelangte die Hs. in die Bibliotheca Palatina. Mit dieser 1623 in die vatikanische Bibliothek verbracht. Die Capsa-Nr. C. 79 steht auf dem Vorderdeckel von Legat. Pal. lat. 523. So auch im Allacci-Register (Pal. lat. 1949, 10r: 1895 oder 1896 idem [i.e. Breviarium]. 8. C. 79). Ältere Signatur (?) Legat. Pal. lat. 523, Vorderspiegel: 5983. Besitzstempel der BAV: 1r, 404v.
Besonderheiten
ungewöhnliche Verteilung von Papier- und Pergamentbll.

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_lat_523
Literatur
Bethmann, Nachrichten, S. 337; Ehrensberger, Libri liturgici, S. 197–199, Nr. 10; Lehmann, Fuggerbibliotheken 1, S. 149; Montuschi, biblioteche, S. 335; Salmon, Mss. liturgiques 1, S. 143f., Nr. 291; Stevenson, Latini, S. 172; siehe auch: https://opac.vatlib.it/mss/detail/295585.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

1) 1r–2v Digitalisat

Titel
Preces et orationes.
Angaben zum Text
Die Texte sind vor oder im Anschluss an die Horen zu lesen. Darin ein kurzes Passionsoffizium in Versen: Patris sapiencia veritas divina … – … mors sit hec tue cure. AH 30, Nr. 13, S. 32–35 (ohne die Conclusio). Text auch in Pal. lat. 517, 532r (aus S. Ulrich und Afra in Augsburg). Sehr verbreitet auch in den Stundenbüchern der Zeit.
Incipit
1r Hic et omni loco dominacionis Ihesu Christi
Explicit
2v … inter ipsius mereamur membra numerari. Qui tecum.
Edition
Die Verse des Reimoffiziums: AH 30, Nr. 13, S. 32–35.

2) 3r–6r Digitalisat

Titel
Officium de beata Maria virgine.
Angaben zum Text
Marienoffizium, beginnend mit der Antiphon Gaude regina nobilis (Cantus ID: 201913) und dem Hymnus Te nunc suppliciter [sancta theotocos] (Cantus ID: 8307d). Endet mit einer Homilie für die Osterzeit aus dem achten Traktat des Augustinus über das Johannesevangelium (CPL 0278). Vgl. Ehrensberger, Libri liturgici, S. 197.
Rubrik
3r ›Historia de beata virgine Maria. Ad vesperas antiphona.
Incipit
3r Gaude regina nobilis virgo incomparabilis
Explicit
6r … sed moriebatur infirmitas carnis per quam dominus deus celi et terre venit per feminam matrem.
Edition
Der Augustinustext findet sich in: Aurelius Augustinus, In Iohannis evangelivm tractatvs CXXIV, ed. Radbodus Willems, Turnhout 1954 (CCL 36).

3) 6v–9r Digitalisat

Beteiligte Personen
Wolfgang Musculus (GND-Nr.: 11948370X).
Titel
Kalendarium.
Angaben zum Text
Festkalender der Diözese Augsburg. Jeweils zwei Monate pro Seite in je zwei Spalten: Sonntagsbuchstaben und Festbezeichnung. Die wichtigsten Festtage in Rot. Die arabischen Zahlen 1–4 links neben der ersten Spalte wurden nachgetragen, ebenso die gelegentlich eingetragenen Verweise auf die ältere Foliierung (z. B. 8va). Charakteristisch für den Festkalender der Diözese Augsburg: 3. Juli Translatio Thome; 23. Aug. Archelai; 27. Aug. Habundi; 28. Sept. Dedicacio ecclesie Aug[ustani] in Rot; 26. Okt. Conversio Affre; 16. Dez. Adelhaidis imperatricis. Davon abweichend: 7. Juni Translacio Servatii. Auffällig ist auch das Fehlen des Augsburger Patrons Simpertus am 13. Okt. (vgl. Pal. lat. 517, 7v). 8v unten: Vult crux Lucia cineres carismata dia. Quod sit in Angaria quarta sequens feria. Walther, IC, Nr. 20871. Merkverse für die Quatembertage.
Nur wenige sonstige Eintragungen. 7r durch den Beschnitt der Seite größtenteils verlorener Eintrag beim 24. April, erhalten blieb der Name Felser (Welser?). Zum 27 April: Muscolus [!], Rest fehlt. Möglicherweise auf den Augsburger Reformator Wolfgang Musculus zu beziehen. 9r zum 21. Dez. in die sancti Thome hora 9 recessit filiusHamer [?]. Der Name überwiegend unleserlich.
Rubrik
6va ›Januarius‹.
Incipit
6va Circumcisio domini
Explicit
9rb … Silvestri pape.
Edition
vgl. GW 5268.

4) 9v–404v Digitalisat

Titel
Breviarium Augustanum.
Angaben zum Text
Brevier für die Diözese Augsburg, im wesentlichen entsprechend dem Druck in GW 5268. Die Abfolge der Textabschnitte ist ungewöhnlich. Die ältere Foliierung deutet auf eine nachträgliche Umordnung der Teile hin (s. Geschichte der Handschrift).
(9v) ›In dedicatione templi vel altaris infra Pasca. Secundum Lucam‹. Zum Kirchweihfest, wenn es in die Osterzeit fällt. Sowie weitere Texte für die Quadragesima.
(10r–15v) Capituli, orationes et suffragia. ›Capituli et orationes cottidianes ad matutinam in vigilia sanctorum quando non agitur de sanctis et quando preces ad horas habentur. Capitulum›. Vigilate et state in fide [1 Cor 16,13] … – … et veniam nobis tribue et remedia sempiterna concede. per dominum. Häufig wiederkehrende Kapitel und Gebete.
(16r–41v) Commune sanctorum. ›De pluribus apostolis. Capitulum‹. Hec dicit dominus venient et videbant gloriam meam … – … in evangelio suo cuius progenitores sursum versus commemoraret donec veniat ad David. Von mehreren Aposteln bis zu einer Jungfrau.
(42r–86v) Psalterium feriatum. Der Psalter in der Leseordnung der Wochentage. Die Antiphonen stehen überwiegend jeweils am Ende der Tagesabschnitte.
(86v–91r) Cantica. Cantica des AT beginnend mit dem "confitebor" und des NT sowie das "Te deum". Anschließend Vaterunser, Credo und das Ps.-Athanasianische Glaubensbekenntnis (Quicumque).
(91r–92r) Litaniae. Allerheiligenlitanei. Im Anschluss die sieben Bußpsalmen (nur Incipits) und Oratio: Deus qui patrem et martyres 339. Alias oraciones ibidem invenies.
92v leer. - (93r–140v) Proprium de tempore, pars aestivalis. Von der Pfingstvigil bis zum 24. Sonntag nach der Pfingstoktav. Die Lesungen aus dem AT werden nach der Oktav des Fronleichnamsfestes zusammengefasst, danach folgen die Sonntage bis zum Advent wie in GW 5268, 360ra–407ra.
(140v–244v) Proprium de sanctis, pars aestivalis. Die Heiligenfeste vom hl. Ulrich (4. Juli) bis zum hl. Konrad (26. Nov.). Im Anschlus Suffragien.
(245r–352r) Proprium de tempore, pars hiemalis. Vom ersten Advent bis Christi Himmelfahrt.
(352r–390v) Proprium de sanctis, pars hiemalis. Die Heiligenfeste von der hl. Barbara (4. Dez.) bis zum hl. Erasmus (3. Juni). Danach umfangreiche Rubriken (387r–390v).
(390v–394v) Officium mortuorum. (390v–393v) ›Vigilie mortuorum‹. Totenoffizium. Responsorienreihe: 70, 44, 79, 47, 27, 76, 1, 83, 18, siehe: Knud Ottosen, The responsories and versicles of the Latin Office of the Dead, Aarhus 1993, S. 182 (Hs. genannt), S. 348f. (393v–394v) ›Alia brevis vigilia mortuorum‹. Kurzes Totenoffizium. Responsorienreihe: 14, 72, 24, 32, 57, 68, 28, 40, 82, siehe: Ottosen, a. a. O., S. 125, S. 265f. (Hs. genannt).
(395r–404v) Hymnarium. Die Hymnen zu Temporale, Sanctorale und Commune, beginnend mit AH 50, Nr. 392, S. 595 und schließend mit AH 51, Nr. 121, S. 137f. (einschließlich der Doxologie). Hymnen wie in GW 5268, 81ra–91rb (ohne die letzte).
Vgl. Ehrensberger, Libri liturgici, S. 198f.
Rubrik
9v ›In dedicatione templi vel altaris infra Pasca. Secundum Lucam.
Incipit
9v In illo temporeNon est arbor bona [Lc 6,43].
Explicit
404v … et tibi compar utriusque semper spiritus alme deus unus omni tempore secli. Amen.
Edition
Das Breviarium Augustanum wurde mehrfach als Inkunabel gedruckt: GW 5262–5268. Verglichen wurde v. a. GW 5268. Credo und Athanasianisches Glaubensbekenntnis bei: Denzinger, Kompendium, *75-76, S. 45f.; *150, S. 381f.


Bearbeitet von
Dr. Wolfgang Metzger, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2015.


Zitierempfehlung:


Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 523. Beschreibung von: Dr. Wolfgang Metzger (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2015.


Katalogisierungsrichtlinien
Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.