Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 53
Quatuor Evangelia
Pergament, Papier · 2, 200, 1 Bll. · 13,7–13,8 × 9,4–9,8 cm · Süddeutschland (?) · 12. Jh. letztes Viertel bzw. 13. Jh. Anfang
- Schlagwörter (GND)
- Bibel, Neues Testament / Evangeliar / Liturgie.
- Entstehungsort
- Süddeutschland (?). (s. Kommentar zur Provenienz).
- Entstehungszeit
- 12. Jh. letztes Viertel bzw. 13. Jh. Anfang . (s. Kommentar zur Provenienz).
- Typus (Überlieferungsform)
- Codex.
- Beschreibstoff
- Pergament (Vor- und Nachsatzbll. Papier).
- Umfang
- 2, 200, 1 Bll.
- Format (Blattgröße)
- 13,7–13,8 × 9,4–9,8 cm.
- Zusammensetzung (Lagenstruktur)
- ([I-1]+1)1 (mit Spiegel und angeklebtem Bl. 1) + (IV-1)7 (mit Bl. 1a) + 6 IV55 + V65 + (V-1)74 + 15 IV194 + III200 + (I-1)201* (mit Spiegel). – An das moderne Vorsatzbl. wurde das ältere Vorsatzbl. (1) angeklebt, möglicherweise bei der Neubindung im 19. Jahrhundert.
- Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
- Römische Foliierung des 17. Jhs. (1[a]–200); moderne Foliierung (1, 1a); modernes Vor- und Nachsatzbl. sind nicht gezählt, daher wird hier bei der Beschreibung die Zählung des Digitalisats übernommen. – Lagenzählung auf der letzten Seite jeder Lage (ursprünglich: i–xxiiii), letzte Lage nicht mehr gezählt; meist durch Beschnitt verderbt.
- Zustand
- Pergament stellenweise durchscheinend und vereinzelt minimal stockfleckig, mit Wasserrändern (?); Fehlstellen und Risse, nur zum Teil ausgebessert. Tinte und Farben stellenweise leicht berieben und verblasst. Bll. im Gelenk bzw. Falz oftmals gelockert.
- Schriftraum
- 9,0–9,7 × 6,5–6,8 cm.
- Spaltenanzahl
- Textblock.
- Zeilenanzahl
- 19–20, in der Regel 20 Zeilen.
- Angaben zu Schrift / Schreibern
- Zum Teil etwas nachlässig wirkende späte karolingische Minuskel („schrägovaler Stil“) von einer Hand mit Auszeichnungsschriften (Capitalis rustica, Halbunziale), mit beginnenden Tendenzen zur gotischen Minuskel; dieselbe Hand wie Pal. lat. 54.
- Buchgestaltung
- Incipits und Explicits in Rot; die Anfänge der Evangelien werden durch orange-rote bzw. rote und rot-braune, üppig ausgestaltete Ranken- und Spaltleisteninitialen mit zoomorphen Darstellungen sowie durch Textzeilen in einer Mischschrift aus Capitalis rustica und Halbuncialis mit Rubrizierungen hervorgehoben; die Anfänge der Prologe werden durch Rubriken sowie größere rote Initialen, meist mit Nodi verziert, und Majuskeln betont; die weitere Untergliederung des Textes nach Kapiteln wird meist nicht gesondert herausgestellt; die Kapitelzählung nach Stephan Langton wurde auf dem Rand in Schwarz nachgetragen, vereinzelt auch als Rubriken; in der Regel werden die „Verse" durch rote Satzmajuskeln hervorgehoben; innerhalb dieser Abschnitte erfolgt die weitere Gliederung durch Satzmajuskeln mit üblichen Rubrizierungen. Vereinzelt sind bedeutendere Texte und Namen durch Initialen und Majuskeln mit üblichen Rubrizierungen eigens betont (z.B. das Vaterunser, 16r, oder Apostelnamen, 23r). Seitentitel in Rot (von der Hand des Rubrikators?). Text zur Passion Christi mit Passionsbuchstaben (Mt 26,1–52; 56v–59r): a für die allgemeine direkte Rede, t oder + für Christus und c für den Evangelisten.
- Buchschmuck
- Schmuckinitialen: orange-rote bzw. rote und rot-braune Ranken- und Spaltleisteninitialen, mit roten Spaltfüllungen, sowie Tierinitialen; die I-Initiale des Johannes-Evangeliums ist als Adler dargestellt. S. auch Layout.
- Nachträge und Benutzungsspuren
- Vereinzelt Korrekturen und Ergänzungen, zum Teil von der Schreiberhand und weiteren zeitgenössischen sowie jüngeren Händen. – Nachtrag des Besitzvermerks (15. Jh. 3. Viertel); s. auch Kommentar zur Provenienz.
- Einband
- Römischer Einband, wohl zwischen 1869 und 1878: Helles Pergament über Pappe, Deckel ohne Verzierungen; Rücken mit rotem, goldgeprägten Rückenschild: PAL. 53. Am Schwanz ein querrechteckiges, blaues Signaturschildchen der BAV: Pal. lat. 53; goldener Wappenstempel sichtbar: Papst Pius IX.; Schunke gibt nur den Papststempel an (vgl. Schunke, Einbände 2.2, S. 814), was für den Aufbau des Einbands freilich unüblich wäre. Vermutlich ist der Stempel des Kardinalbibliothekars (Jean-Baptiste Pitra?) mit dem Signaturschild überklebt worden; vgl. dazu exemplarisch Pal. lat. 35.
- Provenienz
- Süddeutschland (?) / Hinterbrühl / (Niederösterreich) / St.-Vitus-Kirche / Heidelberg.
- Geschichte der Handschrift
- Vorderspiegel mit Signaturschildchen; auf den beiden ersten Blln. mehrfache Wiederholung der aktuellen Signatur; 1r Titel mit älterer Signatur (17. Jh.?): Secunda pars hujus novi Testamenti habet [?] numero 45 [?, Signatur gestrichen]; ältere römische Signatur: 54 [gestrichen], darunter weitere ältere Signaturen: 555 [?], 57 [beide gestrichen]; 1ar Titel: Qúatúor Eúangeliae. Die Hs. entstand wohl im letzten Viertel des 12. bzw. am Beginn des 13. Jahrhunderts in Süddeutschland. Darauf deuten die durchgängige Verwendung des „h-z“ (5v, 8r u.ö.), wie sie vor allem in Süddeutschland bis in das beginnende 13. Jahrhundert üblich war, sowie das sporadische Aufkommen der i-Striche als Unterscheidungsmerkmal (8r, 12v u.ö.) seit dem letzten Viertel des 12. Jahrhunderts hin; vgl. Karin Schneider, Paläographie und Handschriftenkunde für Germanisten, 3Berlin 2014, S. 26f., 31–33. Wie aus dem älteren Besitzvermerk des zugehörigen Codex Pal. lat. 54, der von derselben Hand geschrieben wurde und ebenso den späteren Besitzeintrag Johanns von Pfalz-Mosbach-Neumarkt trägt, zu vermuten ist, wurde auch die vorliegende Hs. wohl zwischenzeitlich in der St.-Vitus-Kirche in Hinterbrühl aufbewahrt; s. Pal. lat. 54. Später gelangte die Hs. in den Besitz des Augsburger Dompropstes Johanns von Pfalz-Mosbach-Neumarkt (1443–1486), wie Besitzeintrag und seine Devise zeigen: D.[ii] C.[oeptis] A.[spirate] / .Iohannes . Bauariae . Dux. (200r); vgl. zu seiner Person Kat. UB Heidelberg 1, S. XXXIVf.; Christine Reinle, ‘Id tempus solum’. Der Lebensentwurf Herzog Johanns von Mosbach-Neumarkt († 1486) im Spannungsfeld von dynastischem Denken, kirchlicher Karriere und gelehrten Interessen, in: Der Pfälzer Löwe in Bayern. Zur Geschichte der Oberpfalz in der kurpfälzischen Epoche, hrsg. von Hans-Jürgen Becker, Regensburg 1997 (Schriftenreihe der Universität Regensburg 24), S. 157–199. Gemäß dem 1490 geschlossenen Erbvertrag zwischen dem ehelos gebliebenen Bruder Johanns, Otto II. von Pfalz-Mosbach-Neumarkt, und seinem Vetter, Kurfürst Philipp dem Aufrichtigen, fiel mit Ottos Tod 1499 der gesamte Besitz der Mosbacher Linie, darunter auch die Büchersammlung Johanns, an die Kurpfalz (Kat. UB Heidelberg 1, S. XXXIVf.; Reinle, Lebensentwurf, S. 199). So kam das Evangeliar schließlich in die Bibliotheca Palatina und gelangte mit deren Beständen 1622/23 nach Rom.
- Besonderheiten
- Pal. lat. 53 und Pal. lat. 54 stammen von einer Hand und gehören zusammen; beide Bände waren wohl Teil einer (heute nicht mehr vollständig erhaltenen?) Bibelabschrift.
- Literatur
- OVL, Pal.lat.53; Schunke, Einbände 2.2, S. 814; Stevenson, Latini, S. 10.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur
) 1ar–200r
- Beteiligte Personen
- Hugo von Saint-Cher (GND-Nr.: 118707957).
- Titel
- Quatuor Evangelia, cum prologis (wenn nicht anders vermerkt, stammen die Prologe von Hieronymus) .
- Angaben zum Text
- 1ar–200r EVANGELIAR. (1. 1ar–7r) Praefationes zu den Evangelien (Stegmüller, RB 595, 596) und Prolog zum Matthäus-Evangelium (Stegmüller, RB 591). (2. 8r–65r) Mt. 65r–66r Prolog zum Markus-Evangelium (Stegmüller, RB 607). (3. 67r–97v) Mc. 97v–99r Hugo von Saint-Cher: Prolog und Argumentum zum Lukas-Evangelium (Stegmüller, RB 620; Lc 1,1–4). (4. 99r–155r) Lc 1,5–24,53. 155v–156r Hugo von Saint-Cher: Prolog zum Johannes-Evangelium (Stegmüller, RB 624). (5. 156v–200r) Io. 200r Besitzvermerk: Herzog Johann von Pfalz-Mosbach-Neumarkt; s. Kommentar zur Provenienz. – 1*r–v, 1av, 7v, 66v, 200v, 201*r–v leer.
- Rubrik
- 1ar ›Incipit prologus Ieronimi ad Damasum papam‹.
- Incipit
- 1ar ›Beatissimo pape D‹amaso Ieronimus. Nouum opus facere …
- Explicit
- 200r … qui scribendi sunt libros (Io 21,25). ›Explicit evangelium Iohannis.‹
- Edition
- Biblia sacra iuxta Vulgatam versionem, hg. von Robert Weber/Roger Gryson, Stuttgart 52007, S. 1515–1697 (mit den Prologen des Hieronymus).
- Bearbeitet von
- Dr. Uli Steiger, Universitätsbibliothek Heidelberg, 30.09.2016.
Zitierempfehlung:
Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 53. Beschreibung von: Dr. Uli Steiger (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2016.