Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 550

Ordo in depositione mortuorum (Libellus mortuorum)

Pergament, Papier · 2, 23, 1 · 14,5 × 10,5 cm · Norditalien (Reggio Emilia ?) / Deutschland (Ostfränkisches Reich) · 2. H. 9. Jh.


Schlagwörter (GND)
Rituale / Totenoffizium.
Entstehungsort
Norditalien (Reggio Emilia ?) / Deutschland (Ostfränkisches Reich).
Entstehungszeit
2. H. 9. Jh.
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Pergament (Vorsatzbll. Papier: 1a, 24*).
Umfang
2, 23, 1.
Format (Blattgröße)
14,5 × 10,5 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
(I-1)1a + 12a + 2 IV16 + (IV-1)23 + (I-1)24*. 1a bildet mit dem Vorderspiegel ein Doppelbl., 24* bildet mit dem Hinterspiegel ein Doppelbl. 2a ist wohl ein älteres Spiegelbl. aus Pergament, recto finden sich Spuren der Verklebung mit dem ehemaligen Einbanddeckel.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
Tintenfoliierung, Rom 17. Jh. (1–23), diese Foliierung wird im Folgenden zugrunde gelegt. Moderne Bleistiftfoliierung (1–24). Das vorne eingebundene alte Spiegelbl. (s. Lagenstruktur) wurde bei der Tintenfoliierung nicht bezeichnet, bei der Bleistiftfoliierung aber mitgezählt, daher eilt die Bleistiftfoliierung ein Bl. voraus. Die Bezeichnung nicht foliierter Vorsatzbll. folgt dem Digitalisat (1a–2a, 24*).
Zustand
Stellenweise etwas fleckig. Bll. 1, 8 und 17 mit kleineren Reparaturstellen. An vielen Stellen Schrift etwas abgerieben, dort zuweilen nur noch schwer lesbar.

Schriftraum
12 × 8 cm.
Spaltenanzahl
1 Spalte.
Zeilenanzahl
19–20 Zeilen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Karolingische Minuskel von mehreren Händen im Wechsel. Die Rubriken zum größeren Teil in Capitalis rustica, sonst auch in der Textschrift (gelegentlich rundes, unziales d). Paläographisch wohl in Oberitalien zu verorten (Bischoff, s. Literatur). Auf 14v und 15r finden sich über Textzeilen nachgetragene Neumen zum Melodieverlauf des Gesanges, v. a. zum Beginn des Responsoriums „Heu mihi domine quia peccavi“. Bannister (s. Literatur) konstatiert deutsche (d. h. St. Galler) Neumen. Eingetragen wohl im späten 9. oder frühen 10. Jh.
Buchgestaltung
Zeilenraster blind gegriffelt. Rubriziert. Textabsätze mit leicht vergrößerten Majuskeln hervorgehoben, selten mit roter Tinte akzentuiert (z. B. 13v). Die Majuskeln orientieren sich überwiegend an der Capitalis quadrata, dazu kommen Uncialis-Formen (z. B. 11rv).

Nachträge und Benutzungsspuren
Gelegentlich zeitgenössische Korrekturen (z. B. 19v). Zu den nachgetragenen Neumen s. Angaben zur Schrift.

Einband
Weißes Pergament auf Pappe, Rom um 1940. Glatter Rücken, darauf oben das blaue Signaturschild der BAV, darunter aufgeklebt ein älteres Signaturschild des vorhergehenden Einbandes, rotes Leder mit Goldpressung (Pal 550). Gewobenes Kapital mit rotbraunem Zickzackmuster. Schunke, Einbände 2,2, S. 842. Auf Bl. 2a – einem ehemaligen Spiegelbl. – finden sich recto Spuren der Einschläge eines vorherigen Einbandes, der wohl einen braunen Lederbezug hatte.
Provenienz
Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
Der „Libellus mortuorum“ bietet die Texte des Rituale zur Totenliturgie in handlicher Form. Die Herkunft des Libells ist unklar,Ottosen (s. Literatur) verortete ihn auf der Grundlage seiner Forschungen zum Totenoffizium in Reggio Emilia, auch auf paläographischer Grundlage wurde er im norditalienischen Raum lokalisiert (Bischoff, s. Literatur). Gamber (s. Literatur) schrieb „Frankreich“ und Frank (s. Literatur) hielt aus liturgiehistorischen Gründen das Ostfrankenreich für den wahrscheinlichen Herkunftsraum. Auch der ursprüngliche Umfang ist nicht sicher bestimmbar. Vermutlich handelte es sich schon um ein selbständiges Libell, möglicherweise aber auch um den Teil eines umfänglicheren Rituale. 2av Titeleintrag des 16. Jhs. (Preces sine principio, fine, et autore). Entsprechend im Katalog der Schlossbibliothek von 1555/1556 (140r: Preces sine Principio et fine, incerto authore, auf Perment geschrieben). Auf welchem Weg die Hs. in die Schlossbibliothek gelangte, ist unklar. Unter Kf. Ottheinrich dann in die Heidelberger Palatina eingegangen. Mit dieser 1623 in die Vatikanische Bibliothek verbracht. 2av aktuelle Signatur sowie eine ältere, gestrichene (494). 1r unten eine weitere, gestrichene Signatur (419). Besitzstempel der BAV: 1r und 23v.
Besonderheiten
Die Hs. ist ein früher Überlieferungszeuge zur Geschichte des Totenoffiziums.

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_lat_550
Literatur
Bannister, S. 7, Nr. 7 (irrtümlich als Pal. lat. 500) sowie S. 194, Nr. 941; Bischoff, Hss. 9. Jh., Bd. 3, S. 414, Nr. 6536; Ehrensberger, Libri liturgici, S. 572, Nr. 1; Hieronymus Frank, Der älteste erhaltene ordo defunctorum der römischen Liturgie und sein Fortleben in Totenagenden des frühen Mittelalters, in: Archiv für Liturgiewissenschaft 7.2 (1962), S. 360–415, hier S. 368–370, S. 373, S. 381, S. 387–402, S. 415; Klaus Gamber, Codices liturgici latini antiquiores 2, Freiburg 1968, S. 607, Nr. 1681 sowie Supplementum, S. 164; Medieval Music Manuscripts Online Database, V-CVbav: Pal.lat.0550 (abgerufen am 27.06.2023); Ottosen, Responsories, S. 10f., S. 42–44, S. 172, S. 322–324, S. 375; Frederick S. Paxton, "Bonus liber": A Late Carolingian Clerical Manual from Lorsch, in: The two laws. Studies in medieval history dedicated to Stephan Kuttner, Washington 1990, S. 1–30, hier S. 7, Anm. 27; Niels Krogh Rasmussen, An Early "Ordo Missae" with a "Litania Abecedaria" addressed to Christ (Roma, Bibl. Vallicelliana, Cod. B.141, XI. Cent.), in: Ephemerides Liturgicae 98 (1984), S. 198–211, hier S. 211; Salmon, Ms. liturgiques 5, S. 71, Nr. 316; Damien Sicard, La liturgie de la mort dans l’Eglise latine des origines à la réforme carolingienne, Münster 1978 (Liturgiewissenschaftliche Quellen und Forschungen 63), S. XI, XXV, 428f. und öfter; Stevenson, Latini, S. 177.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

1) 1r–11r Digitalisat

Titel
Agenda defunctorum.
Angaben zum Text
Begräbnisagenda. Der Text ist unvollständig, der Anfang fehlt. (1r) /[in hoc seculo] proprio reatu deliquit totum ineffabili pietate ac benignitate sua deleat et abstergat quod ipsa [!] prestare dignetur, qui cum patre et spiritu sancto vivit et regnat per omnia. >Alia<. Deus cui omnia vivunt, et cui non periunt moriendo corpora nostra sed mutantur in melius … – … >Hic rogat omnes orare<. Exaudi nos quaesumus domine et sancte pater omnipotens … [s. Explicit]. Die Gebete und Gesänge begleiten die Aufbahrung, Totenwaschung und den Transfer des Leichnams in die Kirche.
Explicit
11r … et locum refrigerii teneat et vitam aeternam consequatur. Per.
Edition
Eine Teiledition mit Abgleich der Parallelüberlieferung bietet Frank, s. Literatur, dort v. a. S. 392–397. Die Hs. wurde für die edierten Texte in Sicard, La liturgie de la mort (s. Literatur) herangezogen, Sigle P (vgl. die Übersicht dort im Register S. 428f.).

2) 11r–19r Digitalisat

Titel
Officium defunctorum.
Angaben zum Text
Das Totenoffizium, hier eingebettet in einen umfassenderen Ordo zu Tod und Begräbnis. Die Responsorien zu den nächtlichen Lesungen nach Ottosen sind: R 14, 72, 90, 24, 32, 57, 68, 40, 67 sowie alternativ zum Abschluss der dritten Nokturn: 76, 83, 1 und 101 (12r–18r, Ottosen, Responsories, S. 172, S. 322–324, s. Literatur).
Rubrik
11r ›Finita omnia ut supra postea celebrentur vigiliae. Incipiunt antiphonae et lectiones sive responsoria cum versibus. In vigiliis defunctorum ad invitatorium antiphona.<.
Incipit
11r Regem cui omnia vivunt venite adoremus
Explicit
19r … requiem aeternam dona ei domine et lux perpetuum luceat ei.
Edition
Eine knappe Teiledition bietet Frank, s. Literatur, dort v. a. S. 394–395. Die Hs. wurde für die edierten Texte in Sicard, La liturgie de la mort (s. Literatur) herangezogen, Sigle P (vgl. die Übersicht dort im Register S. 428f.).

3) 19r–23v Digitalisat

Titel
Orationes ante sepulturam.
Angaben zum Text
Gebete an der Bahre vor der Beisetzung des Toten. Vor allem die letzte Zeile ist schlecht lesbar, der Text bricht 23v im Satz ab. Frank, s. Literatur, wies auf die Parallelüberlieferung in Rom, Biblioteca Vallicelliana, Cod. B 141, 3v hin, wo die hier unvollständige letzte Oratio (s. Explicit) auf 17v–18r steht.
Rubrik
19r ›Post celebratione missarum vel omnia finita que superius legitur in ipso depositionis die vel in altero, plauso adnotante signo, omnes fratres vel populus ad domum funeris in simul conveniant adsistentes ante corpus iuxta feretrum et canant. Antiphona.<.
Incipit
19r Chorus angelorum te suscipiat, aut: >Antiphona<. Induc eum domine in montem hereditatis tuae
Explicit
23v … et quem unigenitum cruor redemit effusussed angelici agminis deductione protectus paradisum potiatur suavitate securus et inter victricium turmarum triumphales ca[tervas]/.
Edition
Eine Teiledition mit Abgleich der Parallelüberlieferung bietet Frank, s. Literatur, dort v. a. S. 395–397. Die Hs. wurde für die edierten Texte in Sicard, La liturgie de la mort (s. Literatur) herangezogen, Sigle P (vgl. die Übersicht dort im Register S. 428f.).


Bearbeitet von
Dr. Wolfgang Metzger, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2023.


Zitierempfehlung:


Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 550. Beschreibung von: Dr. Wolfgang Metzger (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2024.


Katalogisierungsrichtlinien
Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.