Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 633
Liber extra cum Glossa ordinaria
Pergament · 1, 244, 1 Bll. · 44,5 × 25,7 cm · Südfrankreich (?) · um 1300
- Schlagwörter (GND)
- Kanonisches Recht / Dekretalensammlung / Dekretalen / Liber extra / Extravaganten.
- Entstehungsort
- Südfrankreich (?).
- Entstehungszeit
- um 1300.
- Typus (Überlieferungsform)
- Codex.
- Beschreibstoff
- Pergament.
- Umfang
- 1, 244, 1 Bll.
- Format (Blattgröße)
- 44,5 × 25,7 cm.
- Zusammensetzung (Lagenstruktur)
- (I-1)1a + 2 I4 + 15 VI184 + V194 + 4 VI242 + 2244* + (I-1)245*. Vorderspiegel Gegenbl. von 1a, Hinterspiegel Gegenbl. von 245*.
- Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
- Römische Foliierung des 17. Jhs. (1–243). Vorsatzbl. und Nachsatzbll. ungez., weshalb hier Zählung der Digitalisate übernommen wird (1a, 244*–245*). Durchgängig Reklamanten auf der letzten Versoseite der Lage auf dem Fußsteg rechts, wobei in der Regel nicht nur das erste Wort der neuen Lage aus dem Legaltext, sondern auch aus der Glosse genannt wird.
- Zustand
- Ausgeprägte Benutzungsspuren. Einige Löcher, die mehrheitlich bereits vor der Niederschrift des Texts existierten, sowie Risse, Bll. abgegriffen.
- Schriftraum
- 24 × 13,5 cm (Legaltext); 42,3 × 24 cm (mit Klammerglosse).
- Spaltenanzahl
- 4 Spalten (1r–4r: 2 Spalten; 4v: 3 Spalten).
- Zeilenanzahl
- Legaltext: 46 Zeilen; Klammerglosse: 80–103 Zeilen; 1r–4v: 75–99 Zeilen.
- Angaben zu Schrift / Schreibern
- Der Legaltext des Liber extra und die Glosse wurden von jeweils einer Hand verfasst, wobei die Schrift der Glosse etwas jünger zu sein scheint. Der breite Duktus der Schrift und die runden Formen, die auf eine Entstehung in Südeuropa hindeuten, wurden mit diversen Elementen gepaart, die typisch für weiter nördlich gelegene Regionen sind, sodass Südfrankreich als Herstellungsort als wahrscheinlich erscheint (vgl. Derolez, Palaeography, S. 116f.). Aus derselben Zeitstufe, aber von anderer Hand, dürfte der Apparatus zum Arbor consanguinitatis et affinitatis des Johannes Andreae stammen. Von jüngerer Hand, die sich einer älteren gotischen Kursiven bedient, sind das Inhaltsverzeichnis und die Texte von 1r–2v.
- Buchgestaltung
- Liniierung mit Metallstift. Seitentitel mittig mit einem L auf der Versoseite und der dem jeweiligen Buch zugeordneten Ziffer auf der Rectoseite. Mittig und zweispaltig angelegter Text ist von Glosse umflossen. Jedem Buch ist eine Initiale mit Goldschmuck und Knospenfleuronné vorangestellt, jedem Titulus eine Initiale mit Knospenfleuronné, jedem Capitulum eine Lombarde alternierend in Blau und Rot, mit Fadenausläufern in Gegenfarbe. Im Satz zuvor Anfangsbuchstabe jener Person oder Institution mit Satzmajuskel hervorgehoben, auf deren Anfrage hin die Dekretale formuliert wurde. Satzmajuskeln ebenfalls farblich alternierend wie auch Paragrafenzeichen. Tituli rubriziert. In der Klammerglosse lediglich leicht verzierte Lombarden sowie Paragrafenzeichen.
- Buchschmuck
- Vor jedem Buchanfang ist etwas Platz ausgespart, wohl für eine nicht ausgeführte Miniatur. 3v–4r Arbores consanguinitatis et affinitatis: einfache Darstellung anhand von roten Kreisen und halbkreisförmigen Bogenverbindungen.
- Nachträge und Benutzungsspuren
- Anmerkungen, Ergänzungen, Korrekturen und Interlinearglossen von mindestens vier jüngeren Händen im Interkolumnium, an den Seitenrändern sowie an Kopf und Fuß der Seite. Eine Hand dürfte jene gewesen sein, die 1r–2v sowie 4v beschrieb. Auch der jeweilige Titulus auf der Rectoseite auf dem Kopfsteg rechts wurde nachgetragen. Zahlreiche und verschiedene grafische Marginalien. Wörter oder Ausdrücke in der Glosse rot unterstrichen. Merkverse auf 12rb, 31va, 32rb, 39ra, 44vd, 47vb, 97va, 132vb, 138rd, 139rd, 155rd, 159va, 161va, 167va, 174r–175r, 208rd, 229r.
- Einband
- Römischer Einband, Pappe mit weißem Pergament überzogen, in Rom um 1780 gebunden (Schunke, Einbände 2.2, S. 846). Gelb-kupferfarbenes Kapital. Auf dem leicht beschädigten Buchrücken zwei blaue aufgeklebte Schildchen mit der aktuellen Signatur. Rückentitel: DECRETALIUM LIBRI V.
- Provenienz
- Heidelberg.
- Geschichte der Handschrift
- Auf Vorderspiegel blaues Schildchen mit aktueller Signatur. Auf 1a neben der aktuellen Signatur ältere römische Signaturen 682 und 720 [beide durchgestrichen], auf 1r Capsa-Nummer C. 138, darunter Allacci-Signatur 412 [durchgestrichen], ferner Altsignatur 535 auf dem Fußsteg. Der paläografische Befund macht eine Entstehung der Hs. in Südfrankreich wahrscheinlich.
- Literatur
- Bertram, Handschriften, S. 54 A.
48, 57 A. 90; Bertram, Signaturenliste; BioBib Jurists, Bernardus Parmensis (a062); Hanselmann, Bücherschenkung, S.
125; Jakobs, Or signori, S.
311–423; Jeudy, Manuscrits achetés, S.
38f.; OVL,
Pal.lat.633; Schunke, Einbände 2.2, S.
846; Stevenson, Latini, S. 226f.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur
1) 1ra–4r
- Titel
- Kleintexte.
- Angaben zum Text
- Mehrere Kleintexte, nach Stevenson, Latini: (1ra–1va) Johannes Andreae (1270–1348), Kommentar zum Capitulum ‚Nobis de iure patronatus‘ (beginnt 2v); (1va–b) Repertorium super materia iuris patronatus; (2ra) Adnotatio brevis de dispensatione; (2ra) De scrutinio in electionibus; (2rb–2vb) Johannes Andreae, Kommentar über das Capitulum ‚Ex parte de testibus extraneis‘; (3ra–4ra) Johannes Andreae, Lectura super arboribus consanguinitatis et affinitatis.
- Edition
- Johannes Andreae, Lectura super arboribus consanguinitatis et affinitatis, ist ediert in: Corpus iuris canonici 1, Sp. 1427–1436.
2) 4v–242v
- Beteiligte Personen
- Gregor IX. (GND-Nr.: 118541870) / Bernhard von Parma (GND-Nr.: 100937918) / Innozenz IV. (GND-Nr.: 118555650).
- Titel
- Liber extra cum Glossa ordinaria.
- Angaben zum Text
- Auf Veranlassung Papst Gregor IX. kompilierte Dekretalensammlung mit der Glossa ordinaria des Bernhard von Parma, adressiert an die Universität Paris, in der 4. Redaktionsstufe, 1263–66 (Kuttner / Smalley, Glossa Ordinaria, S. 98 A. 4). Offenbar wurden in den Text des Liber extra Novellen aus der Collectio I, II und III Papst Innozenz IV. inseriert, die 1245–53 veröffentlicht wurden, ebenso die zwei Extravaganten ‚Perlectis litteris‘ sowie ‚Gravis et dolore‘, deren Erscheinungsdatum unbekannt ist, s. dazu Peter-Josef Keßler, Untersuchungen über die Novellen-Gesetzgebung Papst Innozenz’ IV., 1. Teil: Ein Beitrag zur Geschichte der Quellen des kanonischen Rechts, in: ZRG KA 31 (1942), S. 142–320; hier S. 206, 271, 284f., 290, 2. Teil: Ein Beitrag zur Geschichte der Literatur des kanonischen Rechts in: ZRG KA 32 (1943), S. 300–383, hier S. 305, 308. – (4va–c) Inhaltsverzeichnis; (5rb–65rb) Liber I; (65rb–116vc) Liber II; (116vc–167vb) Liber III; (167vb–184rc) Liber IV; (184vb–242vc) Liber V.
- Incipit
- 5rb ›Gregorius‹ episcopus seruus seruorum dei dilectis filijs doctoribus et scolaribus uniuersis Parisius et ubicumque commorantibus salutem et apostolicam benedictionem. ›Rex‹ pacificus …
- Explicit
- 242vc … Indignum est et a Romane ecclesie consuetudine alienum, ut pro spiritualibus facere quis homagium compellatur. Explicit liber quintus. ›Explicit expliceat ludere scriptor eat‹.
- Edition
- Corpus iuris canonici 2, Sp. 1–928; zur Glossa ordinaria des Bernhard von Parma existiert keine moderne Edition, sie ist aber bereits in zahlreichen Inkunabeln seit 1468/71 (GW 11450–11502) und auch in jüngeren frühneuzeitlichen Drucken (Laurin, Introductio, S. 230f.) überliefert.
- Bearbeitet von
- Dr. Thorsten Huthwelker, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2024.
Zitierempfehlung:
Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 633. Beschreibung von: Dr. Thorsten Huthwelker (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2024.
- Katalogisierungsrichtlinien
- Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.
Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.