Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 634

Liber extra cum Glossa ordinaria

Pergament · 1, 223, 1 Bll. · 40 × 29,2 cm · Nordfrankreich, Paris (?) · Mitte 13. Jh.


Schlagwörter (GND)
Kanonisches Recht / Dekretalensammlung / Dekretalen / Liber extra.
Entstehungsort
Nordfrankreich, Paris (?).
Entstehungszeit
Mitte 13. Jh.
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Pergament.
Umfang
1, 223, 1 Bll.
Format (Blattgröße)
40 × 29,2 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
(I-1)1a + I2 + 4 VI50 + V60 + 8 VI155 + (II-2)157 + VIII173 + 4 VI221 + I223 + (I-1)224v. Vorderspiegel Gegenbl. von 1a, Hinterspiegel Gegenbl. von 224. Zählfehler: Auf 75 folgt ungez. Bl., nach 156 wurde Bl. herausgeschnitten.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
Römische Foliierung des 17. Jhs. (1–224). Vorsatzbl. ungez., weshalb hier, wie beim ungez. und herausgeschnittenen Bl., Zählung der Digitalisate übernommen wird (1a, 75a, 156a).
Zustand
Ausgeprägte Benutzungsspuren, Seiten abgegriffen, braun nachgedunkelt und beschnitten, zahlreiche Flecken. Der Anfang des Liber extra fehlt. Der Text setzt im 2. Capitulum des 1. Titulus ein. Initialen der Anfänge zu den Büchern 4 und 5 wurden herausgeschnitten (Bll. 158 und 174), ebenso Schnittspuren auf 131, die Seite 156a wurde ganz herausgeschnitten.

Schriftraum
20,6 × 12,5 cm (Legaltext); 38 × 26,5 cm (mit Klammerglosse).
Spaltenanzahl
4 Spalten (1r–1v: 9 Spalten; 2r: 10 Spalten; 3r: 2 Spalten; 222r–223v: 2 Spalten; 59r–60r: 5–6 Spalten; 60v: 2 Spalten).
Zeilenanzahl
41 Zeilen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Die Schrift zeigt Charakteristika der Littera Parisiensis und dürfte Mitte des 13. Jhs. in Nordfrankreich, wahrscheinlich im Umfeld der Universität Paris niedergeschrieben worden sein. Die Klammerglosse wurde etwas flüchtiger ausgeführt, weshalb es schwierig zu entscheiden ist, ob sie, im Unterschied zum Legaltext, von einer anderen Hand stammt.
Buchgestaltung
Liniierung mit Metallstift. Seitentitel mittig mit einem L auf der Versoseite und der dem jeweiligen Buch zugeordneten Ziffer auf der Rectoseite. Mittig und zweispaltig angelegter Text ist von Klammerglosse umflossen. Im Legaltext beginnt jedes Buch mit einer Initiale mit Goldschmuck (61r, 108r bewohnte Initialen), wobei die Initialen zu den Büchern 1, 4 und 5 herausgeschnitten wurden. Tituli rubriziert. Jedem Capitulum Lombarde vorangestellt, alternierend in Blau und Rot, mit Fadenausläufern in Gegenfarbe. Im Satz zuvor Anfangsbuchstabe jener Person oder Institution mit farblich alternierender Satzmajuskel hervorgehoben, auf deren Anfrage hin die Dekretale formuliert wurde. In der Klammerglosse lediglich Paragrafenzeichen in Blau und Rot, darüber hinaus unterschiedliche Rubrizierungen in Form von Strichelungen und Unterstreichungen zur Hervorhebung von Sinnabschnitten. Rubrizierte Verweisbuchstaben stellen Zuordnung des Legaltexts zur Glosse her.
Buchschmuck
157rb–c Miniatur mit Schaubild zu einem Arbor affinitatis: Auf einer Architektur, die das Verwandtschaftsschema aus roten Kreisen in sich aufnimmt, stehen ein Mann und eine Frau. Beide haben einen goldenen Reif im Haar, er trägt ein braunes, sie ein rotes Obergewand, darüber sind beide mit einem grünen Umhang angetan. Beide fassen nach einem herzförmigen Gebilde, das aus den Rankenausläufern besteht (s. auch die Bildbeschreibung in heidICON).

Nachträge und Benutzungsspuren
Tituli als Seitentitel von anderer Hand nachgetragen. In erster Linie Ergänzungen der Glosse von mehreren jüngeren Händen, darunter identifizierbar Marginal- und Interlinearglossen von Egidio Foscarari (†1289) (5r, 6v, 8v, 9r–v, 11r, 13r, 14r, 15r, 18r–v, 19v, 21r, 22v, 24v, 40v, 43v, 45r, 55r, 71r–v, 73v, 82v, 83v, 133v, passim) (vgl. OVL). Zahlreiche und verschiedene grafische Marginalien, darunter der Versuch von Distinctiones, wobei ihr Schöpfer deren Prinzip offenbar nicht verstanden hatte (Evan-Ezra, Lines, S. 73). Ferner unterschiedliche Kleintexte von mehreren zeitgenössischen Händen.

Einband
Römischer Einband, Pappe mit weißem Pergament überzogen, in Rom um 1780 gebunden (Schunke, Einbände 2.2, S. 846). Gelb-kupferfarbenes Kapital. Auf dem Buchrücken zwei blaue aufgeklebte Schildchen mit der aktuellen Signatur, darunter handschriftlich der Rückentitel: DECRETALIUM LIBER cum glossa ordinaria.
Provenienz
Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
Vorderspiegel mit blauem Signaturschildchen. Auf 1ar neben der aktuellen Signatur zwei alte römische Signaturen 687 und 794 [beide durchgestrichen]. Auf 1r Capsa-Nummer C. 173, darunter Allacci-Signatur 1514, ferner Altsignatur 534 auf dem Fußsteg. Auf Hinterspiegel Schildchen mit Hinweis auf 1975 vorgenommene Restaurierung.

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_lat_634
Literatur
Bertram, Handschriften, S. 54 A. 39; Bertram, Kanonisten, S. 174, 527; Bertram, Signaturenliste; BioBib Jurists, Bernardus Parmensis (a062); CALMA, Bd. 2, Florenz 2008, S. 58f., 350f.; Dondorp, Review, S. 74, 87; Evan-Ezra, Lines, S. 73; Hanselmann, Bücherschenkung, S. 125; Jakobs, Or signori, S. 311–423; Jeudy, Manuscrits achetés, S. 38f.; Francesco Migliorino, La remissione dell’infamia fra ’ius proprium‘ e ’ius commune‘: A proposito di una decretale di Innocenzo III (X 2.27.23), in: Proceedings of the Eighth International Congress of Medieval Canon Law, San Diego, University of California at La Jolla, 21–27 August 1988, hrsg. von Stanley Chodorow, Vatikanstadt 1992 (Monumenta Iuris Canonici, Series C, Subsidia 9), S. 429–453, hier S. 444f.; OVL, Pal.lat.634; Schadt, Darstellungen, S. 208 A. 90, 240, 247; Schunke, Einbände 2.2, S. 846; Stevenson, Latini, S. 227.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

1) 1ra–223vb Digitalisat

Beteiligte Personen
Gregor IX. (GND-Nr.: 118541870) / Bernhard von Parma (GND-Nr.: 100937918) / Egidio Foscarari (GND-Nr.: 102418454).
Titel
Liber extra cum Glossa ordinaria.
Angaben zum Text
Auf Veranlassung Papst Gregor IX. kompilierte Dekretalensammlung mit der Glossa ordinaria des Bernhard von Parma in der 1. Redaktionsstufe, 1234–ca. 1241 (Kuttner / Smalley, Glossa Ordinaria, S. 98–102), samt Ergänzungen zur Glossa ordinaria des Egidio Foscarari (†1289) (Bertram, Kanonisten, S. 5 A. 13). – (1ra–2vd) Inhaltsverzeichnis; (3ra–b) Kleintexte; (3v) leer; (4rb–58vc) Liber I, beginnend im 2. Capitulum des 1. Titulus; (59ra–60rc) Inhaltsverzeichnis des Codex Iustinianus; (60va–b) Kleintexte, darunter Dictinctiones des Pierre de Sampson; (61rb–107vc) Liber II; (108rb–156rc) Liber III; (156v) leer; (156a) herausgeschnitten; (157ra–b) Magister Raimund, ‚Quia tractare intendimus‘; (157v) leer; (158rb–174rc) Liber IV; (174rc–221vc) Liber V; (222ra–223vb) Kleintexte, darunter eine kurze Summe zum Decretum Gratiani.
Incipit
4rb … populus, et multi fideles una ecclesia, juxta illud: Multitudinis credentium erat cor unum et anima una …
Explicit
223vb … Indignum est et a Romane ecclesie consuetudine alienum, vt pro spiritualibus facere quis homagium compellatur.Explicit liber qvintvs‹.
Edition
Corpus iuris canonici 2, Sp. 1–928; zur Glossa ordinaria des Bernhard von Parma existiert keine moderne Edition, sie ist aber bereits in zahlreichen Inkunabeln seit 1468/71 (GW 11450–11502) und auch in jüngeren frühneuzeitlichen Drucken (Laurin, Introductio, S. 230f.) überliefert.


Bearbeitet von
Dr. Thorsten Huthwelker, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2024.


Zitierempfehlung:


Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 634. Beschreibung von: Dr. Thorsten Huthwelker (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2024.


Katalogisierungsrichtlinien
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Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.