Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 636

Liber sextus cum Glossa ordinaria

Pergament · 2, 130, 2 Bll. · 45,7–45,8 × 28,6–28,8 cm · Bologna · 1340–1350


Schlagwörter (GND)
Kanonisches Recht / Dekretalensammlung / Dekretalen / Liber sextus.
Entstehungsort
Bologna.
Entstehungszeit
1340–1350.
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Pergament.
Umfang
2, 130, 2 Bll.
Format (Blattgröße)
45,7–45,8 × 28,6–28,8 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
(I-1)1a + (V+1)10 + 12 V130 + 1131* + (I-1)132* Vorderspiegel Gegenbl. von 1a, Hinterspiegel Gegenbl. von 132*.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
Römische Foliierung des 17. Jhs. (1–130). Ältere Foliierung durch Beschnitt verloren gegangen. Vorsatzbll. und die beiden letzten Nachsatzbll. ungez., weshalb hier Zählung der Digitalisate übernommen wird (1a–2a, 131*–132*). Reklamanten durchgängig auf der letzten Versoseite der Lage mittig auf dem Fußsteg.
Zustand
Ränder zuweilen leicht abgegriffen. Trotz leichter Wasserschäden auf 109v und 117v sowie einiger weniger Flecken befindet sich die Hs. in einem ausgezeichneten Zustand.

Schriftraum
1,8–24,5 × 13–13,3 cm (Legaltext); 24,7–37,3 × 22,1–22,5 cm (mit Klammerglosse).
Spaltenanzahl
4 Spalten.
Zeilenanzahl
bis zu 50 Zeilen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Die Schrift ist ein typisches Beispiel der in Bologna gepflegten Littera Bononiensis. Aufgrund ihrer Standardisierung sind Aussagen über verschiedene Hände kaum möglich. Die Schrift ist entsprechend dem anspruchsvollen Buchschmuck kalligrafisch aufwändig gestaltet und weist keinerlei Korrekturen auf.
Buchgestaltung
Zeilengerüst mit Metallstift vorgezogen. Mittig und zweispaltig angelegter Legaltext von Klammerglosse umflossen. Im Legaltext zu Beginn eines Titulus Bildeinschlussinitiale mit Person, meist im Schulterstück, zuweilen mit Ranken versehen. Zuvor genannte Tituli rubriziert. Jedes Capitulum mit blauen Lombarden mit rotem Knospenfleuronné hervorgehoben. Im Satz zuvor Anfangsbuchstabe jener Person mit roter Satzmajuskel hervorgehoben, welche die Dekretale formulierte. Paragrafenzeichen in Blau und Rot alternierend. In der Klammerglosse zu Beginn eines Titulus Rankeninitiale. Lombarden in Rot mit weniger als im Legaltext verziertem Fleuronné in Gegenfarbe. Ferner alternierend rote und blaue Paragrafenzeichen.
Buchschmuck
Meister von 1346 bzw. seiner Werkstatt zugeschrieben. Eingangsminiatur auf 1r zeigt Marienkrönung, wobei Maria und Christus vor einem goldenen Bildfeld auf einem Thron sitzen. Letzterer, in einem rosafarbenen Obergewand, krönt die mit einem blauen Gewand angetane Maria. Fünf Engel halten im Hintergrund einen Brokatvorhang, zwei beten Maria und Christus an, zwei spielen ein Lauteninstrument bzw. eine Fidel, zwei weitere befinden sich auf der Architektur, welche die Szenerie umgibt. Unterhalb der Architektur, quasi noch als Teil der Miniatur, beginnt der Text mit der Initialgruppe ›Bonifacius‹ (s. auch die Bildbeschreibungen in heidICON).

Nachträge und Benutzungsspuren
Wenige Anmerkungen von verschiedenen Händen in Textualis, Bastarda und gotischer Kursive der zweiten Hälfte des 14. Jhs. sowie des 15. Jhs. Unterschiedliche grafische Verweiszeichen.

Einband
Römischer Einband, Pappe mit weißem Pergament überzogen, in Rom um 1780 gefertigt (Schunke, Einbände 2.2, S. 846). Gelb-kupferfarbenes Kapital. Kopf und Schwanz des Buchrückens ausgerissen. Rückentitel: Sextus DECRETALES Iohannes Andreae. Ferner auf dem Rücken ein P in blauer Farbe. Reste zweier blauer aufgeklebter Schildchen mit der aktuellen Signatur.
Provenienz
Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
Capsa-Nummer auf 2ar: C. 160, darunter Allacci-Signatur 1781 [durchgestrichen]. Weitere Altsignaturen auf 1ar 679 und 714 [beide durchgestrichen], auf 1r 528 sowie auf 131*v 2071. Der Bildschmuck, die verwendete Schrift und die Gestaltung der Hs. machen deren Entstehung in Bologna wahrscheinlich, die Herstellung im Peciensystem verengt den Ort der Produktion auf die dortige Universität, was beispielsweise auf dem Seitenrand von 29rd ersichtlich wird, wo das Ende einer Pecia vermerkt wurde: finit VIIIJ. Weitere Pecienvermerke finden sich beispielsweise auf 32vb, 50vb, 95rb, 116rd. Die Anmerkungen späterer Benutzer machen deutlich, dass der Codex sich bereits Ende des 14. Jhs. nördlich der Alpen befunden haben muss, wie beispielsweise der Nachtrag auf 116rb prorsus exclusis [später nachgetragen: sed] interdictis in Textura nahelegt, die in dieser gebrochenen Form für Italien untypisch ist. Lehmann hat diese Hs. fälschlicherweise der Bibliothek Ulrich Fuggers (1526–1584) zugeordnet, diese allerdings mit Pal. lat. 637 verwechselt (Lehmann, Fuggerbibliotheken 2, S. 480; Beschreibung zu Pal. lat. 637).

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_lat_636
Literatur
Ausst.-Kat. Palatina, S. 53; Baldani, La Pittura, S. 408f.; Conti, La miniatura, S. 91, 94; Alessandro Conti, Rezension zu E. Cassee, The Missal of Cardinal Bertrand de Deux: A Study in Fourteenth Century Bolognese Miniature Painting, Florenz 1980, in: Prospettiva 24 (1981), S. 72–82, hier S. 78 A. 27; Gibbs, Illustration, S. 639; Lehmann, Fuggerbibliotheken 2, S. 480; L’Engle, Illumination, S. 72, 73 A. 83, 300; OVL, Pal.lat.636; Emma Pirani, Aspetti della miniatura emiliana dalle origini a tutto il sec. XIV, in: Accademie e Biblioteche d’Italia 23 (1955), S. 247–262, hier S. 261; Schunke, Einbände 2.2, S. 846; Stevenson, Latini, S. 227.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

1) 1ra–129vc Digitalisat

Beteiligte Personen
Bonifaz VIII. (GND-Nr.: 118513257) / Johannes Andreae (GND-Nr.: 119244071).
Titel
Liber sextus cum Glossa ordinaria.
Angaben zum Text
Auf Veranlassung Papst Bonifaz VIII. kompilierte Dekretalensammlung mit der Glossa ordinaria des Johannes Andreae (um 1270-1348) und Grußadresse an die Universität Bologna: (1rb–2vb) Bulle ‚Sacrosanctae Romanae ecclesiae‘; (2vb–50rb) Liber I; (50rb–65vb) Liber II; (65vb–93rc) Liber III; (93rc–94vb) Liber IV; (94vb–118rc) Liber V; (118rc–129vb) ‚De regulis iuris‘.
Incipit
1rb ›Bonifaciusepiscopus seruus seruorum dei dilectis filijs doctoribus et scolaribus uniuersis Bononie commorantibus salutem et apostolicam benedictionem.SacrosancteRomane ecclesie …
Explicit
129vb … Datum Rome apud sanctum Petrum quinto Nonas Martij pontificatus nostri anno quarto.
Edition
Corpus iuris canonici 2, Sp. 929–1124; zur Glossa ordinaria des Johannes Andreae existiert keine moderne Edition, sie ist aber bereits in zahlreichen Inkunabeln seit 1465 überliefert (GW 4848–4905).


Bearbeitet von
Dr. Thorsten Huthwelker, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2024.


Zitierempfehlung:


Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 636. Beschreibung von: Dr. Thorsten Huthwelker (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2024.


Katalogisierungsrichtlinien
Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.