Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 639

Liber sextus cum glossa

Pergament · 1, 84, 1 Bll. · 41 × 25,5 cm · England · 1. Hälfte 14. Jh.


Schlagwörter (GND)
Fragment / Philosophie / Kanonisches Recht / Dekretalensammlung / Dekretalen / Liber sextus.
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Pergament.
Umfang
1, 84, 1 Bll.
Format (Blattgröße)
41 × 25,5 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
Hs. mit beigebundenem Fragment (I. Bl. 1; II. Bll. 2–84). (I-1)1a + … + (I-1)85*. Vorderspiegel Gegenbl. von 1a, Hinterspiegel Gegenbl. von 85*.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
Römische Foliierung des 17. Jhs. (1–84). Vor- und Nachsatzbl. ungez., weshalb hier Zählung der Digitalisate übernommen wird (1a, 85*).


Einband
Römischer Einband, Pappe mit weißem Pergament überzogen, in Rom um 1780 gefertigt (Schunke, Einbände 2.2, S. 847). Gelb-kupferfarbenes Kapital. Rückentitel: DECRETALES. Ferner zwei blaue aufgeklebte Schildchen mit aktueller Signatur.
Provenienz
Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
Altsignaturen auf 1ar, 692 und 727 [beide durchgestrichen], sowie 1r, 2016 [durchgestrichen], ebenso Capsa-Nummer C. 176, darunter Allacci-Signatur 1742. Blaues Schildchen mit aktueller Signatur auf Vorderspiegel. Die Schrift des vorgebundenen Fragments verweist bereits ins England der ersten Hälfte des 14. Jhs. Auch der darauf folgende Text des Liber sextus dürfte in etwa zeitgleich dort, wenn nicht entstanden, so doch zumindest bearbeitet worden sein. Dafür sprechen die in Frankreich und England favorisierte Glosse des Jean Lemoine, die in England mit den Kommentaren des Johannes Andreae und Guido da Baisio ergänzt wurde, wobei diese in der Regel dem Text in weiteren Faszikeln hintangestellt wurden (vgl. Tilmann Schmidt, Die Rezeption des Liber Sextus und der Extravaganten Papst Bonifaz’ VIII., in: Stagnation oder Fortbildung? Aspekte des allgemeinen Kirchenrechts im 14. und 15. Jahrhundert, hrsg. von Martin Bertram, Tübingen 2005 [Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom 108], S. 51–64, hier S. 54f.). Dies ist hier freilich nicht der Fall, dafür wurden die Kommentare der beiden letztgenannten Juristen als Marginalglossen ergänzt. Auch der paläografische Befund der jüngeren Nachträge spricht dafür, dass der Codex sich noch einige Zeit in England befunden haben dürfte.

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_lat_639
Literatur
Charles H. Lohr, Medieval Latin Aristotle Commentaries: Authors A–F, in: Traditio 23 (1967), S. 313–413, hier S. 347; Schunke, Einbände 2.2, S. 847; Stevenson, Latini, S. 228.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

Fragment (Bl. 1)

Sachtitel / Inhalt
Albert von Orlamünde, Philosophia pauperum.
Entstehungsort
England.
Entstehungszeit
1. Hälfte 14. Jh.
Typus (Überlieferungsform)
Fragment.
Beschreibstoff
Pergament.
Umfang
1 Bl.
Format (Blattgröße)
41 × 25,5 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
11.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
s. zum Codex.
Zustand
Pergament stockfleckig und am Rand etwas abgegriffen.

Schriftraum
36,1 × 25 cm.
Spaltenanzahl
2 Spalten.
Zeilenanzahl
61–79 Zeilen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Der Text ist in Anglicana niedergeschrieben, die in England gebräuchliche Form der älteren gotischen Kursive. Die Buchstaben sind wenig legiert und unterstreichen dadurch den Charakter einer Buchschrift. Die kursiven Buchstabenformen sind dessen ungeachtet bereits voll ausgeprägt.
Buchgestaltung
Zeilengerüst mit Metallstift vorgezogen, darin zweispaltig angelegter Text. Initiale wurde nicht ausgeführt. Korrekturen und inhaltliche Verweise von ausführender Hand in Randspalte nachgetragen.

Nachträge und Benutzungsspuren
Zwei grafische Verweiszeichen in Form von Kreuzen.

Provenienz
England.

1) 1ra–1vb Digitalisat

Verfasser
Albert von Orlamünde (GND-Nr.: 139152334).
Titel
Philosophia pauperum.
Angaben zum Text
(1r–1v) Anfang von Teil I ‚Physicorum‘ der früher Albertus Magnus (um 1200–1280) zugeschriebenen Schrift (auch ‚Summa naturalium’ oder ‚Isagoge in libros Aristotelis physicorum, de coelo et mundo, de generatione et corruptione, de meteoris et de anima’), als deren Verfasser mittlerweile Albert von Orlamünde (1182–1245) angenommen wird. Bricht etwa in der Mitte des ersten Teils ab, in Alberti Magni opera omnia, Bd. 5, S. 454.
Rubrik
1ra ›Incipit breue compendium naturalis philosophie editum a fratre Alberto et primo de principiis rerum naturalium primo de natura‹.
Incipit
1ra Philosophia diuiditur in 3 partes, videlicet in logicam, ethicam et phisicam, siue rationalem, moralem et naturalem …
Explicit
1vb … violentus in principio intensus et in fine remissus. Motum violentum…
Edition
B. Alberti Magni Ratisbonensis episcopi, ordinis prædicatorum, opera omnia, hrsg. von Auguste Borgnet, Bd. 5, Paris 1890, S. 445–536.

(Bl. 2–84)

Sachtitel / Inhalt
Liber sextus cum glossa.
Entstehungsort
England.
Entstehungszeit
1. Hälfte 14. Jh.
Typus (Überlieferungsform)
Faszikel.
Beschreibstoff
Pergament.
Umfang
83 Bll.
Format (Blattgröße)
41 × 25,5 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
6 VI73 + (VI-1)84.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
Reklamanten auf der letzten Versoseite der Lage, teilweise durch Beschnitt verloren gegangen.
Zustand
Pergament teilweise gebräunt und durchscheinend. An den Rändern abgegriffen, mitunter bestoßen, Ecken umgeknickt. Auf den letzten Bll. Feuchtigkeitsschaden und Wurmfraß.

Schriftraum
36,1 × 25 cm.
Spaltenanzahl
4 Spalten.
Zeilenanzahl
Legaltext: 6–48 Zeilen; Klammerglosse: bis zu 95 Zeilen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Legaltext wie Klammerglosse wurden in Textualis geschrieben, wobei in der Klammerglosse zwei Hände erkennbar sind (Handwechsel von 56r auf 56v).
Buchgestaltung
Zeilengerüst mit Metallstift vorgezogen. Zweispaltig angelegter Legaltext wird von Klammerglosse umflossen. Textblock mit einem L auf der Versoseite und der dem jeweiligen Buch zugeordneten Ziffer auf der Rectoseite im Seitentitel überschrieben. Buchanfänge zu Liber III–V mit zweifarbigen, relativ schlichten Silhouetteninitialen in Blau und Rot mit Segmentbögen (Initiale zur Bulle ‚Sacrosanctae Romanae ecclesiae‘ auf 2r nicht ausgeführt). Tituli rubriziert, jedem Capitulum Lombarde vorangestellt, im Legaltext blau, in Klammerglosse rot gehalten. Im Satz zuvor Person mit rubrizierter Satzmajuskel hervorgehoben, welche die Dekretale formulierte. Ferner farbige Paragrafenzeichen bzw. Rubrizierungen zur Kennzeichnung von Sinnabschnitten.
Buchschmuck
s. Buchgestaltung.

Nachträge und Benutzungsspuren
Zahlreiche Anmerkungen, Notizen und Marginalglossen von späteren Händen, darunter auch solche in Anglicana, was auf einen englischen Besitzer hinweist. Als nachgetragene Autoren sind identifizierbar: Johannes Andreae (um 1270–1348) (4v, 5r–v, 6r), Guida da Baisio (um 1250–1313) (3v) (vgl. OVL). Viele Unterstreichungen in der Klammerglosse. Mannigfache grafische Verweiszeichen, auch in Form von Piktogrammen, insbesondere in Form von Köpfen. Auf 2rb und 34ra Verse.

Provenienz
England.

2) 2ra–84v Digitalisat

Beteiligte Personen
Bonifaz VIII. (GND-Nr.: 118513257) / Jean Lemoine (GND-Nr.: 119307405).
Titel
Liber sextus cum glossa.
Angaben zum Text
Auf Veranlassung Papst Bonifaz VIII. kompilierte Dekretalensammlung mit der Glosse des Jean Lemoine (1250-1313) und Grußadresse an die Universität Paris: (2rb–3rc) Bulle ‚Sacrosanctae Romanae ecclesiae‘; (3rc–33vb) Liber I; (33vb–42rc) Liber II; (42rc–60vc) Liber III; (60vc–61vb) Liber IV; (61vb–80vb) Liber V; (81rb–84vc) ‚De regulis iuris‘.
Incipit
2rb [B]onifacius episcopus seruus seruorum dei dilectis filiis doctoribus et scolaribus uniuersis Parisius commorantibus salutem et apostolicam benedictionem.SacrosancteRomane ecclesie …
Explicit
84vb–c … Certum est, quod is committit in legem, qui, uerba legis amplectens, contra legis nititur uenire uoluntatem. Explicit textus sexti libri decretalium.
Edition
Corpus iuris canonici 2, Sp. 929–1124; zur Glosse des Jean Lemoine existiert keine moderne Edition, sie ist aber bereits in frühneuzeitlichen Drucken seit 1535 überliefert: Johannes Monachus, Glossa aurea nobis priori loco super Sexto decretalium libro addita cum additionibus Philippi Biturici et in supremo Parisiensi senatu advocati, Paris 1535 (ND Aalen 1968).


Bearbeitet von
Dr. Thorsten Huthwelker, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2024.


Zitierempfehlung:


Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 639. Beschreibung von: Dr. Thorsten Huthwelker (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2024.


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Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.