Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 642
Clementinae cum Glossa ordinaria
Pergament · 2, 57, 1 Bll. · 40,1 × 27,8 cm · Pavia · 1460
- Schlagwörter (GND)
- Kanonisches Recht / Dekretalensammlung / Dekretalen / Clementinae.
- Entstehungsort
- Pavia.
- Entstehungszeit
- 1460.
- Typus (Überlieferungsform)
- Codex.
- Beschreibstoff
- Pergament.
- Umfang
- 2, 57, 1 Bll.
- Format (Blattgröße)
- 40,1 × 27,8 cm.
- Zusammensetzung (Lagenstruktur)
- (I-1)1a + 12a + 5 V50 + (IV-1)57 + (I-1)58*. Vorderspiegel Gegenbl. von 1a, Hinterspiegel Gegenbl. von 58*.
- Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
- Römische Foliierung des 17. Jhs. (1–57). Vor- und Nachsatzbl. ungez., weshalb hier Zählung der Digitalisate übernommen wird (1a, 58*). Durchgängig Reklamanten auf der letzten Versoseite der Lage mittig in der Fußzeile, teilweise durch Beschnitt verloren gegangen.
- Zustand
- Einige Bräunungen, wenige Gebrauchsspuren, Abklatsch der Buchmalerei auf 2av. Insgesamt sehr gut erhalten.
- Schriftraum
- 35,7 × 24 cm.
- Spaltenanzahl
- 4 Spalten.
- Zeilenanzahl
- Legaltext: 7–44 Zeilen; Klammerglosse: 65–69 Zeilen.
- Angaben zu Schrift / Schreibern
- Die Hand, welche den Legaltext und auch die Glosse ausführte, bediente sich der in Italien typischen Rotunda. Dafür sprechen die runden Bögen und die ungebrochen auf der Grundlinie aufsetzenden Schäfte von m und n. Zuweilen finden sich auch Einflüsse der Goticoantiqua, wie Serifen an den Enden der Schäfte (s. Derolez, Palaeography, S. 103f., 177f.). Allerdings sind einige Buchstaben für eine Rotunda ungewöhnlich stark gebrochen. Womöglich nahm der Schreiber in diesem Fall Rücksicht auf die Lesegewohnheiten seiner transalpinen Auftraggeber.
- Buchgestaltung
- Zeilengerüst mit Metallstift vorgezogen. Mittig und zweispaltig angelegter Legaltext von Klammerglosse umflossen. Jedes Buch beginnt mit einer Initiale, jeder Titulus mit einer rubrizierten Überschrift und einer dreizeiligen Lombarde, jedes Capitulum mit einer zweizeiligen Lombarde. Person mit Satzmajuskel hervorgehoben, welche die Dekretale formulierte. Paragrafenzeichen zur Unterteilung von Sinnabschnitten. Lombarden, Satzmajuskeln und Paragrafenzeichen alternierend in Blau und Rot, wenngleich Reihenfolge nicht immer eingehalten wurde.
- Buchschmuck
- Dem Text ist eine purpurfarbene I-Initiale mit Rankenabläufen auf einem blau-goldenen Feld vorangestellt. In dem Feld befinden sich auf grünem Grund zwei Wappen, ein gevierter Schild mit einem rotbekrönten, steigenden goldenen Löwen in Schwarz in 1 und 4 sowie blau-silberne Wecken in 2 und 3, im heraldisch linken Schild ein silberner Balken auf rotem Grund. Darüber Quadratmuster in Rot-Gold, bzw. Blau-Gold. Von der Initiale gehen Leisten in Blau, Gold und Purpur mit Dornblattranken aus, die sich über das Interkolumnium bis auf den Fußsteg ausbreiten. Die Initialen zu den Tituli zeigen im goldenen Feld einen purpurnen Buchstaben, in dessen Binnenfeld sich Dornblattranken bzw. Akanthusblätter in Blau, Grün, Purpur und Rot befinden und der mit Akanthusrankenleisten in eben genannten Farben abläuft (s. auch die Bildbeschreibungen in heidICON).
- Nachträge und Benutzungsspuren
- Von zwei weiteren Händen wurden die Tituli als Kolumnentitel nachgetragen, wobei die Einträge von der einen Hand zuweilen durch Beschnitt verloren gegangen sind. Ansonsten lediglich kurze Nachträge von 3va–4vd.
- Einband
- Römischer Einband, Pappe mit weißem Pergament überzogen, in Rom um 1780 gefertigt (Schunke, Einbände 2.2, S. 847). Gelb-kupferfarbenes Kapital. Rückentitel: CLEMENTINÆ, ferner drei blaue aufgeklebte Schildchen mit aktueller Signatur.
- Provenienz
- Rottenburg am Neckar (?) / Heidelberg.
- Geschichte der Handschrift
- Blaues Schildchen mit aktueller Signatur auf Vorderspiegel. Altsignaturen auf 1ar 684 und 722 [beide durchgestrichen], 2ar 2003 [durchgestrichen], 1r 537 nebst Capsa-Nummer C. 100, darunter Allacci-Signatur 1783. Die in der Eingangsminiatur dargestellten Wappen der Häuser Wittelsbach und Habsburg sowie die Datierung im Kolophon auf 56vb, Papie. M°CCCC°LX°. XI°. Augusti, legen den Schluss nahe, dass die Hs. von Mechthild (1419–1482), geborene Pfalzgräfin bei Rhein und verheiratete Gräfin von Württemberg sowie Erzherzogin von Österreich, in Pavia in Auftrag gegeben wurde. Als Agenten könnten ihre Verwandten Ruprecht (1437–1465), Albrecht (1440–1506) und Johann (1443–1486) gedient haben, die drei Söhne Ottos I. von Pfalz-Mosbach (1390–1461). Sie hielten sich 1458 und 1460/61 an der Universität Pavia auf und ließen für den eigenen Gebrauch mehrere Hss. anfertigen (s. dazu die Einleitung). In zweiter Ehe mit Albrecht VI. von Österreich (1418–1463) verheiratet, hielt sich Mechthild offenbar bereits zu Lebzeiten ihres Gatten vornehmlich auf ihrem späteren Witwensitz in Rottenburg am Neckar auf. Hier etablierte sie einen humanistischen Musenhof, der sich zu einem literarischen Zentrum entwickelte. Sie selbst verfügte im Jahr 1462 über eine Bibliothek mit 94 Büchern, über deren Verbleib bisher nur spekuliert werden kann. Von den 21 bekannten Titeln aus der Sammlung tauchen einige in den Beständen der Bibliotheca Palatina auf. Zuletzt wies jedoch Backes nach, dass die meisten der genannten Werke, allesamt der deutschsprachigen höfischen Dichtung zuzuordnen, nicht aus dem Besitz Mechthilds stammen können. Ferner vermutet sie, dass Mechthilds Bibliothek in jener ihres Sohnes und Haupterben Eberhard im Bart (1445–1496) aufging, welche später zerstreut wurde (vgl. Backes, Leben, S. 185–190). Womöglich hatte Mechthild, die in Heidelberg verstarb, anlässlich des Aufenthalts in ihrer Geburtsstadt einige Hss., darunter auch vorliegenden Codex, bei sich, die dort nach ihrem Tod verblieben und über die kurfürstliche Bibliothek in die Bibliotheca Palatina gelangten. Allerdings ist auch nicht auszuschließen, dass dem Illustrator ein kleiner Fehler unterlief und er bei der Ausführung des Wappens einen waagrechten Balken anstelle eines Schrägbalkens darstellte. In diesem Fall würde es sich um das Wappen des oben genannten Ruprecht als designierter Bischof von Regensburg handeln, zu dessen Interessensprofil als Jurastudent eine solche Hs. besser passen würde.
- Literatur
- Emma Catarci, Le vicende di un testo relativo
all’incoronazione imperiale nel secolo decimoquarto, in: Cultura e
società nell’Italia medievale. Studi per Paolo Brezzi, Rom 1988
(Istituto Storico Italiano per il Medio Evo 1), S. 171–196, hier S. 180
A. 30; Kuttner, Date, S. 441; OVL,
Pal.lat.642; Schunke, Einbände 2.2, S.
847; Soetermeer, Origin, S. 109 A. 50,
111 A. 70; Stevenson, Latini, S. 229; Tarrant, Manuscripts, S. 116,
140.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur
1) 1ra–56vb
- Beteiligte Personen
- Clemens V. (GND-Nr.: 118723529) / Johannes XXII. (GND-Nr.: 118557912) / Johannes Andreae (GND-Nr.: 119244071).
- Titel
- Clementinae cum Glossa ordinaria.
- Angaben zum Text
- Von Papst Clemens V. kompilierte Konstitutionen, revidiert und promulgiert von Johannes XXII., mit der Glossa ordinaria des Johannes Andreae: (1rb–1vc) Bulle ‚Quoniam nulla iuris sanctio‘; (2rb–12vc) Liber I; (12vc–22vb) Liber II; (22vb–40rc) Liber III; (40rc–40vb) Liber IV; (40vb–52rc) Liber V; (52rc–56vb) Konstitution ‚Exivi de paradiso‘.
- Rubrik
- 1rb ›Jncipiunt constituciones Clementis pape quinti‹.
- Incipit
- 1rb ›Iohannes‹ episcopus seruus seruorum dei dilectis filiis doctoribus et scolaribus uniuersis Parisius commorantibus salutem et apostolicam benedictionem. Quoniam nulla iuris sanccio …
- Explicit
- 56vb … Si quis autem hoc attemptare presumpserit: indignacionem omnipotentis dei et beatorum Petri et Pauli apostolorum eius se nouerit incursurum. Deo gracias. Papie. M°CCCC°LX°. XI°. Augusti.
- Edition
- Corpus iuris canonici 2, Sp. 1125–1200. Zur Glossa ordinaria des Johannes Andreae existiert keine moderne Edition, sie ist aber bereits in zahlreichen Inkunabeln seit 1460 überliefert (GW 4864, 4888–4905, 7077–7117).
- Bearbeitet von
- Dr. Thorsten Huthwelker, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2024.
Zitierempfehlung:
Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 642. Beschreibung von: Dr. Thorsten Huthwelker (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2024.
- Katalogisierungsrichtlinien
- Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.
Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.