Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 65

Zusammengesetzte Handschrift

Pergament · 1, 201, 1 Bll. · 30,7–31,6 × 21,8–23,0 cm · Schottland · um 1170


Schlagwörter (GND)
Psalter / Glossen.
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Pergament.
Umfang
1, 201, 1 Bll.
Format (Blattgröße)
30,7–31,6 × 21,8–23,0 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
Hs. aus zwei Faszikeln zusammengesetzt (I. Bl. 1–197; II. Bl. 198–201). (I-1)1a (mit Spiegel) + 2II + 6 V60 + (III-1)65 + 6 V125 + IV133 + 4 V173 + I175 + III181 + VI193 + 2 II201 + (I-1)202* (mit Spiegel).
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
Römische Foliierung des 17. Jhs. (1–200); moderne Foliierung (I-II, 201); Vor- und Nachsatzbl. nicht gezählt, daher wird hier bei der Beschreibung die Zählung der Digitalisate übernommen. Vielleicht Reste einer Lagenzählung: vereinzelt Buchstaben auf dem ersten Bl. der Lage oben links.
Zustand
Pergament mit teilweise starken Verfärbungen und Flecken (Feuchtigkeitsschäden?) sowie vereinzelten Fehlstellen (zum Teil ausgebessert); stellenweise durchscheinend und faltig. Tinte teilweise leicht berieben und verblasst, v. a. die Rubrizierung der Psalm-Überschriften mehr oder weniger stark verblasst. Bll. im Falz (wohl bei einer Restaurierung) verstärkt bzw. hinterklebt. Einband mit leichten Schäden.

Buchgestaltung
Die Psalmtexte werden eingeleitet mit der Magna Glossatura des Petrus Lombardus, die in einem kleineren Schriftgrad den Psalmen vorangeht, in der Regel mit Überschriften in Rot oder in roter Rahmung. Der Text aus dem ‚Liber de divisione‘ des Boethius ist zweispaltig, die Q-Initiale am Anfang fehlt; größere Abschnitte werden durch Versalien aus der insularen Halbunzialis, Satzanfänge durch Satzmajuskeln gekennzeichnet. Linierungen in Blei- und Blindlinien (?) teilweise noch sichtbar, v.a. bei den nachgetragenen Gebeten und im zweiten Teil der Hs. bei dem Boethius-Text. Zirkellöcher zum Teil noch erhalten.

Nachträge und Benutzungsspuren
Die verschiedenen Besitzvermerke und Titel sowie auch die Federproben zwischen dem 13. und dem 15. Jh. eingetragen. Von einer Hand des 13. Jhs. wurden die bei der Kopie der Hs. ausgelassenen Gebete nachgetragen (133r und 197v). Vereinzelt Tintenskizzen auf den Freiflächen (14. Jh.?).

Einband
Römischer Einband zwischen 1623 und 1626: rotes Leder über Holzdeckel mit Rollenstempelverzierungen (Blumenmauresken) und Streicheisenlinien, in den Ecken goldgeprägte Bienen, Vorder- und Hinterdeckel mit Wappensupralibros, goldgeprägt: Papst Urban VIII. (reg. 1623–1644) und Kardinalbibliothekar Scipione Cobelluzzi (amt. 1618–1626); Rücken mit goldgeprägten Bienen zwischen den Bünden, querrechteckiges, blaues Signaturschildchen der BAV am Kopf: Pal. lat. 65. Vgl. Schunke, Einbände 2.2, S. 815 (mit falscher Zuweisung des Wappenstempels auf dem Hinterdeckel an Francesco Barberini und damit verbunden eine falsche Datierung).
Provenienz
Schottland (Zisterzienserabtei Coupar-Angus) / Heidelberg / Rom.
Geschichte der Handschrift
Vorderspiegel mit einem aufgeklebten, blauen querrechteckigen Signaturschildchen der BAV: Pal. lat. 65, darunter ein weiteres älteres Schildchen: 65.; weitere Signaturen: Ir: P. 65 [?]; C∙ 59 [: Capsa-Nummer], darunter die Allacci-Signatur 1305, [römische Signaturen:] 35 [?, gestrichen], Pal. 65., Pal. Palat. 65 Pal., 19, 46 [die letzten beiden Einträge gestrichen], darüber hinaus auf dieser Seite noch weitere verderbte (Signaturen-)Reste; IIv: 65. Besitzeinträge bzw. Titel aus dem 13. und 14. bzw. 15. Jh. (?): Ir: liber [sanctae] Marie de Cupre [?]; IIr: Liber sancte Marie De Cupro; IIv: psalterium intigrum [!] cum canticis. continetur gradu 5. [?] C.; 1r: Liber sancte Marie de Cupre, Liber Liber sancte Marie de [Besitzeintrag eher in Form einer Federprobe], Psalterium glossatum, psalterium [?, Federprobe?]. 1r, 197v, 198r und 200v Stempel der BAV. Der Codex sei eine Kopie des hohen Mittelalters, entstanden in der 2. Hälfte des 12. Jhs. um 1170, und gehe letztlich wohl auf ein Stück des 8. Jhs. aus einem nordenglischen Skriptorium zurück, wie paläographische Hinweise zeigten (so Bannister, Irish Psalters, S. 281). McNamara, Psalter text, S. 250, sieht allerdings einen Werkzusammenhang mit nordirischen Hss. des 12. Jhs., beispielsweise mit einem um 1140 im Kloster Bangor entstandenen Codex (Oxford, Corpus Christi Ms 122: Corpus Irish Gospels). Der Entstehungsort bleibt unsicher; Bannister, Pagine scelte, S. 11f., schließt das Skriptorium des Klosters Coupar-Angus nicht gänzlich aus; dem schließt sich Berschin, Palatina, S. 30, an. Henry, Irish Art, S. 47f., zieht dagegen das 1148 gegründete Zisterzienserkloster Soulseat (Viride Stagnum), das durch hl. Malachias mit Mönchen aus der nordirischen Bangor Abbey besiedelt wurde, in Betracht. Nach der baldigen Übertragung von Soulseat an die Prämonstratenser seien die Hss. der Abtei nach Coupar-Angus übertragen worden. Sicher ist jedoch, dass der Codex seit dem 13. Jh. in der Bibliothek dieses Klosters aufbewahrt wurde, wie das Exlibris aus der Zeit beweist. Hanselmann, Bücherschenkung, S. 121, weist darauf hin, dass die siebte theologische Hs. der Schenkung Kurfürst Ludwigs III. ein glossierter Psalter sei. Da dieser jedoch die Glossa ordinaria enthalte und nicht die ‚Magna glossatura‘ des Petrus Lombardus - wie Pal. lat. 65 - könne es nicht dieselbe Hs. sein. Der Codex muss also von Coupar-Angus vor 1622 auf bislang unbekanntem Weg nach Heidelberg in die Palatina gelangt sein, von wo sie dann mit der gesamten Bibliothek nach Rom verbracht wurde (vgl. McNamara, Psalter text, S. 250).

Faksimile
http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_lat_65
Literatur
Henry M. Bannister, Pagine scelte di due codici appartenuti alla Badia die S. Maria di Cuopar-Angus in Scozia. Contributo alla storia della scrittura insulare (Codices e Vaticanis selecti phototypice expressi, Series minor 2), Rom 1910; Henry M. Bannister, Irish Psalters, in: The Journal of Theological Studies 12, 1910/11, S. 280–284; Berschin, Palatina, S. 30f.; Catherine R. Borland, A descriptive catalogue of the Western mediaeval manuscripts in Edinburgh University Library, Edinburgh 1916, Appendix III; Margret T. Gibson (Hg.), The Eadwine Psalter: Text, image, and Monastic Culture in the Twelfth-Century Canterbury, Leeds 1992, S. 90; Hanselmann, Bücherschenkung, S. 121; F. Henry, Irish Art in the Romanesque Period (1020–1170 A.D.), London 1970; Stephen M. Holmes, Catalogue of liturgical books and fragments in Scotland before 1560, in: The Innes Review 62.2, 2011, S. 137f.; Martin McNamara, Psalter text and Psalter study in the Early Irish Church (A.D. 600–1200), in: Proceedings of the Royal Irish Academy C 73 (1973), S. 201–298, hier S. 249f. (mit älterer Literatur); OVL, Pal.lat.65; David McRoberts, A ‘Continuatio Bedae’ from Whithorn?, in: The Innes Review 24 (1973), S. 69–71.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

Faszikel I (Bl. 1–197)

Sachtitel / Inhalt
Psalterium glossatum.
Entstehungsort
Schottland. Zisterzienserabtei Coupar-Angus [Coupar Angus, Perthshire]? oder Kl. Soulseat [bei Stranraer, Wigtownshire]?).
Entstehungszeit
um 1170.
Typus (Überlieferungsform)
Faszikel.
Beschreibstoff
Pergament.
Umfang
197 Bll.
Format (Blattgröße)
31,4–31,6 × 22,0–23,0 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
2II + 6 V60 + (III-1)65 + 6 V125 + IV133 + 4 V173 + I175 + III181.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
S. zum Codex.

Schriftraum
21,0–21,5 × 12,3–12,5 cm.
Spaltenanzahl
66r–v 2 Spalten, sonst ein geschlossener Schriftraum.
Zeilenanzahl
12–22, meist 18–22 Zeilen, bei den Glossen bis zu 43 Zeilen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Texte der beiden Teile wohl von einer Hand in einer eckigen insularen Minuskel in unterschiedlichen Schriftgraden: die Einleitung der Psalmen von Petrus Lombardus in einem kleineren Schriftgrad und größer der Psalmtext selbst. Als Auszeichnungsschrift findet die insulare Halbunzialis Verwendung (die jeweils erste Seite der Psalm-Gruppen bzw. die Versalien der Versikel). Sowohl die nachgetragenen Gebete als auch die Titel und Exlibris in gotischer Minuskel bzw. einer gotischen Kursiven von verschiedenen Händen.
Buchschmuck
Leuchtend mehrfarbige Flechtbandinitialen (meist blau, rot, braun, gelb und gelegentlich auch grün), große für die Anfänge der drei Psalmen-Gruppen und kleinere für die Anfänge der einzelnen Psalmen. Die Leerräume der Zeilen werden durch gelb und rot unterlegte Spiralbänder gefüllt. Versikel der Psalmen mit farbig ausgefüllten Versalien, meist zwei- oder dreifarbig (verwendete Farben s. o.). Auf der jeweils ersten Seite der Psalmen-Gruppen sind die Majuskel-Buchstaben ebenfalls (mehr-)farbig gefüllt. Auf verschiedenen Seiten sind die Majuskeln mit senkrechten Linien in rot, gelb oder blau bzw. mit rot-gelben Linien verziert.

Provenienz
Heidelberg.
Geschichte des Faszikels
S. Geschichte der Handschrift.
Besonderheiten
Nach Bl. 65 wurde ein Bl. herausgeschnitten, so dass an dieser Stelle das Canticum Ezechiae verstümmelt ist. Ob noch weiterer Text verloren ist, lässt sich bislang nicht festellen. Das Bl. fehlte bereits zwischen 1623 und 1626 bei der Neubindung des Codex in Rom, wie die durchlaufende römische Foliierung zeigt.

1) 1r–197v Digitalisat

Titel
Psalterium glossatum.
Angaben zum Text
Psalter mit der ‚Magna Glossatura‘ des Petrus Lombardus und Cantica und Gebeten. Text der Psalmen nach der Septuaginta. (1. 1r–64r) Ps 1–50 mit Glossen. 64r–65v Gebet und Cantica. (Gebet) ›Deusaltissime rex angelorum … (Canticum trium puerum; Dn 3,57–88 und Doxologie mit Dn 3,56:) Benedicite omnia opera … 65r … exaltatus in sęcula. (Canticum Ysaiae; Is 12,1–6:) ›Confitebor tibi domine … 65v … in medio tui sanctus Israhel. (Canticum Ezechiae; Is 38,10–14:). ›Ego dixi in dimidiosunt oculi mei uscipientes in exc[elsum; hier bricht der Text mitten im Vers ab; es fehlt ein Bl., das mindestens noch den Schluss bis Is 38,20 umfasste; s. Besonderheiten]. (2. 66r–129v) Ps 51–100 mit Glossen. 129v–133v Cantica und Gebet. (Canticum Annae bzw. Simeonis; I Rg 2,1–10:) ›Exultauit cor meum … 130r … sublimabit cornu Christi sui. (Canticum Moysis; Ex 15,1–19:) ›CAntemus domino gloriose … 131v … per siccum in medio eius. (Canticum Habacuc; Hab 3,2–19:) ›Domine audiui … 133r … victori in psalmis canentem. (Gebet:) ›DEUSquem exercitus … [: nachgetragen von einer Hand des 13. Jhs.]. (3. 133v–194r) Ps 101–150 mit Glossen. 194r–197v Canticum und Gebete. (Canticum magnum Moysis; Dt 32,1–43:) ›Audite cęli quę loquor … 197v … erit terrę populi sui. (Gebete:) ›Te dominum de celis laudamus … ›Deus qui exeunti … [: beide Gebete nachgetragen von einer Hand des 13. Jhs.].
1ar–v leer.
Incipit
1r ›Beatusuir qui non abiit …
Explicit
197v saluator mundi qui regnas in secula seculorum amen.
Edition
Psalter, in: Biblia sacra iuxta Vulgatam versionem, hrsg. von Robert Weber / Roger Gryson, Stuttgart 5Auflage 2007, S. 770–954; Petrus Lombardus, Magna Glossatura, in: Migne PL 191, Sp. 31–1296.

Faszikel II (Bl. 198–201)

Sachtitel / Inhalt
Boethius, Liber de divisione.
Entstehungsort
Schottland. Zisterzienserabtei Coupar-Angus [Coupar Angus, Perthshire]? oder Kl. Soulseat [bei Stranraer, Wigtownshire]?).
Entstehungszeit
um 1170.
Typus (Überlieferungsform)
Faszikel.
Beschreibstoff
Pergament.
Umfang
4 Bll.
Format (Blattgröße)
30,7 × 21,8 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
VI193 + 2 II201.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
S. zum Codex.

Schriftraum
25,5–27,5 × 17,5–18,5 cm.
Spaltenanzahl
2 Spalten.
Zeilenanzahl
45 Zeilen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Texte der beiden Teile wohl von einer Hand in einer eckigen insularen Minuskel.

Provenienz
Heidelberg.
Geschichte des Faszikels
S. Geschichte der Handschrift.

2) 198r–200v Digitalisat

Verfasser
Boethius (GND-Nr.: 11851282X).
Titel
Liber de divisione.
Angaben zum Text
[Q]uam magnos studiosis afferat fructus scientia diuidendi … 200v … et secundum positionem [iungo] cum uoce [Text bricht an dieser Stelle ab]. – 201r, 201v bis auf Buchstabenreste, 202*r–v leer.
Explicit
200v et secundum positionem [iungo] cum uoce.
Edition
John Magee, Anicii Manlii Severini Boethii De divisione liber, Leiden/Köln 1998 (Philosophia antiqua 77), S. 1–36 (Z. 4); Migne PL 64, Sp. 875d–886d.


Bearbeitet von
Dr. Uli Steiger, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2024.


Zitierempfehlung:


Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 65. Beschreibung von: Dr. Uli Steiger (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2024.


Katalogisierungsrichtlinien
Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.