Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 654
Nicolaus de Tudeschis, Lectura super secundo libro decretalium, Pars II
Papier · 1, 450, 2 Bll. · 40 × 27,2 cm · Pavia · 1460
- Schlagwörter (GND)
- Kanonisches Recht / Dekretalensammlung / Dekretalen / Liber extra / Kommentar.
- Entstehungsort
- Pavia.
- Entstehungszeit
- 1460.
- Typus (Überlieferungsform)
- Codex.
- Beschreibstoff
- Papier (fol. 1 Pergament).
- Umfang
- 1, 450, 2 Bll.
- Format (Blattgröße)
- 40 × 27,2 cm.
- Zusammensetzung (Lagenstruktur)
- (I-1)1a + 9 V90 + (VI-1)101 + 35 V453* + (I-1)454*. Vorderspiegel Gegenbl. von 1a, Hinterspiegel Gegenbl. von 454*. Zählfehler: 167 und 168 übersprungen.
- Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
- Römische Foliierung des 17. Jhs. (1–452). Bei ungez. Bll. wird die Zählung der Digitalisate übernommen (1a, 453*–454*). Reklamanten durchgängig auf der letzten Versoseite der Lage am Ende des Texts im rechten Winkel zu diesem geschrieben.
- Zustand
- Etwas stockfleckig vor allem an den Blatträndern, insbesondere an den oberen. Textblock gebräunt. Auf 1av Abklatsch von 1r.
- Wasserzeichen
- Krone ohne Bügel, Mittelzinken blattförmig, mit Kreis darunter, um 90° gedreht. Derzeit keine Übereinstimmung mit WZIS.
- Schriftraum
- 26,8 × 18 cm.
- Spaltenanzahl
- 2 Spalten.
- Zeilenanzahl
- 60 Zeilen.
- Angaben zu Schrift / Schreibern
- Der Schreiber des Texts, Johannes Stetzenbach aus Eberbach (s. Geschichte der Handschrift), der auch Pal. lat. 660 (1ra–218vb), 661, 666 (1ra–10vb, 81ra–84vb, 116ra–165vb) kopierte, bediente sich einer italienischen Semitextualis im Derolezschen Sinn (vgl. Derolez, Palaeography, S. 119–121), wenngleich langes s auch am Wortende erscheint oder nicht nur das runde r Verwendung findet. Überhaupt erscheint die Schrift mit ihren zahlreichen Ligaturen wie eine schleifenlose Bastarda, bei der f und s keine Unterlängen aufweisen. Die Auszeichnungsbuchstaben hingegen sind in gotischer Minuskel geschrieben.
- Buchgestaltung
- Zeilengerüst mit Metallstift und Tinte vorgezogen. Tituli in der rechten oberen Ecke abgekürzt wiedergegeben, teilweise durch Beschnitt verloren gegangen. Raum vor den Tituli freigelassen. Zu Beginn eines jeden Capitulums Initialmajuskeln mit Schaftaussparungen alternierend in Blau und Rot über sieben bis acht Zeilen (57v Initialmajuskel nicht ausgeführt), die übrigen Buchstaben der Capitulumsanfänge in gotischer Minuskel vergrößert dargestellt, über drei Zeilen. Alternierend blaue und rote Paragrafenzeichen zur Unterteilung der Sinnabschnitte.
- Buchschmuck
- Auf 1r Anbetung der Könige, ausgeführt in Blau, Braun, Gold, Grün und Purpur, umgeben von einer goldenen Leiste und Blattranken in Blau, Gold, Grün und Purpur. Text beginnt mit einer Initiale mit Rankenornament im Binnenfeld. Im Bas-de-page zwei Wappen, von Ranken umgeben. Das erste Wappen zeigt in Rot einen silbernen Schrägbalken, das zweite in 1 und 4 einen rot bekrönten goldenen steigenden Löwen in Schwarz, 2 und 3 blau-silber geweckt (s. auch die Bildbeschreibung in heidICON).
- Nachträge und Benutzungsspuren
- Selten Text neben dem Textblock nachgetragen. Außer wenigen Anmerkungen von der Hand Stetzenbachs nur sehr selten zeitgenössische Notizen. Nur wenige grafische Verweiszeichen.
- Einband
- Römischer Einband, Pappe mit weißem Pergament überzogen, in Rom um 1780 gefertigt (Schunke, Einbände 2.2, S. 847). Gelb-kupferfarbenes Kapital. Auf Rücken zwei blaue aufgeklebte Schildchen mit aktueller Signatur. Rückentitel: PANORMITANI Super II. DECRETALIUM, darunter schemenhaft P, vielleicht auch L zu erkennen. Vorderdeckel z.T. vom Buchrücken abgelöst.
- Provenienz
- Regensburg / Neumarkt / Heidelberg.
- Geschichte der Handschrift
- Blaues Schildchen mit aktueller Signatur auf Vorderspiegel. Durchgestrichene und unleserliche Altsignatur auf 1ar neben der aktuellen Signatur. Auf 1r Capsa-Nummer C. 102. Die Hs. ist Teil einer mehrbändigen Reihe, welche die Vorlesung des Nicolaus de Tudeschis zum Liber extra vereint (s. Pal. lat. 660, 661, 662, 665, 666). Über den Entstehungskontext gibt uns der Kolophon auf 452va genauen Aufschluss: Explicit lectura super 2a parte et sic super toto 2o libro decretalium reuerendj domini Nicolaj episcopi Panormitani et cetera, jn vigilia natiuitatis domini nostri Ihesu Christi anno 1460 per me, Iohannem Stetzenbach de Eberbach familiarem domini illustrissimi principis et domini domini Ruperti Comitis palatini Reni ac Bauarie ducis administratoris ecclesie Ratispanensis et illustrissimorum fratrum suorum Alberti et Iohannis Papie tunc studencium ad gloriam et laudem eterni dei. Amen. Die Stetzenbach gehörten zu den einflussreichsten Familien der Stadt Eberbach (Hansmartin Schwarzmaier, Geschichte der Stadt Eberbach am Neckar bis zur Einführung der Reformation 1556, Bd. 1, hrsg. von der Stadt Eberbach am Neckar, Sigmaringen 1986, S. 125), die bei der kurpfälzischen Teilung von 1410 an Otto I. von Pfalz-Mosbach (1390–1461) ging. Johannes Stetzenbach aus Eberbach, als Würzburger Kleriker bezeichnet, immatrikulierte sich im Juni 1450 an der Universität Heidelberg (Toepke, Matr. Heidelberg, S. 264). Hier dürfte er mit den Söhnen Ottos I., Ruprecht (1437–1465), Albrecht (1440–1506) und Johann (1443–1486), in Kontakt getreten sein, die sich am 15. Juli 1454 ebenfalls an besagter Hochschule immatrikulierten. Als Familiar Ruprechts immatrikulierte sich Johannes Stetzenbach mit zwei weiteren Familiaren und seinem Herrn am 19. Oktober 1454 an der Universität Köln (Die Matrikel der Universität Köln, Bd. 1, 1389-1475, bearb. von Hermann Keussen, 2. Auflage, Bonn 1928 [Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 8], S. 580). Wahrscheinlich begleitete er die drei Brüder, als deren Familiar er hier bezeichnet wird, bei deren Aufenthalten in den Jahren 1458 und 1460/61 an die Universität Pavia. Hier dürfte er vorliegende Hs. für Ruprecht angefertigt haben, wie die Wappen (Bistum Regensburg sowie Haus Wittelsbach) auf 1r klar erkennen lassen. Bereits 1457 war dieser zum Bischof von Regensburg gewählt worden, hatte sich dann aber vor Antritt seines neuen Amtes zur Vertiefung seines Wissens nach Pavia begeben. Erst nach Ende seines Studiums nahm er im Oktober 1461 von seiner Diözese Besitz. Nur vier Jahre verblieben ihm in seinem Amt. Zuvor schon muss Johannes Stetzenbach aus seinem Dienstverhältnis mit Ruprecht ausgetreten sein, denn am 9. Dezember 1464 immatrikulierte er sich als Familiar Albrechts, gemeinsam mit diesem, an der Universität Freiburg (Die Matrikel der Universität Freiburg i. Br. von 1460-1656, Bd. 1, Einleitung und Text, bearb. u. hrsg. von Hermann Mayer, Freiburg i. Br. 1907, S. 30). Die Hss. Ruprechts gingen indessen nach seinem Tod offenbar an seinen Bruder Johann, nach dessen Hinscheiden an deren in Neumarkt residierenden Bruder Otto II. (1435–1499). Mit ihm endete die Linie Pfalz-Mosbach-Neumarkt, sein Land fiel an die Kurlinie zurück und seine Bibliothek dürfte in die Heidelberger Schlossbibliothek eingegangen sein (s. Einleitung). Offenbar befand sich späterhin diese Reihe mit der Vorlesung des Nicolaus de Tudeschis unter jenen Büchern, die Ottheinrich in die Bibliothek der Heiliggeistkirche transferieren ließ, alleine das vierte Buch fehlt im Katalog (Pal. lat. 1944, 157r), ebenso im Katalog der Bibliothek in der Heiliggeistkirche von 1581 (Pal. lat. 1945, 6).
- Literatur
- BioBib Jurists, Nicolaus de Tudeschis (r450); OVL,
Pal.lat.654; Pennington, Lectura, S. 370 A.
31; Pennington, Nicholaus, S.
20; Schunke, Einbände 2.2, S.
847; Stevenson, Latini, S. 232.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur
1) 1ra–452va
- Verfasser
- Nicolaus de Tudeschis (GND-Nr.: 118588028).
- Titel
- Lectura super secundo libro decretalium, Pars II.
- Angaben zum Text
- Vorlesung zum 2. Teil des 2. Buchs des Liber extra (zum 1. Teil des 2. Buchs s. Pal. lat. 661): (1ra–1vb) Vorrede; (1vb–44va) Titulus 19; (44va–112vb) Titulus 20 (95r leeres Zeilengerüst); (113ra–120ra) Titulus 21; (120ra–144va) Titulus 22; (144va–161va) Titulus 23; (161va–230rb) Titulus 24; (230rb–259rb) Titulus 25; (259rb–304va) Titulus 26; (304va–366vb) Titulus 27; (366vb–445vb) Titulus 28; (445vb–446va) Titulus 29; (446va–452va) Titulus 30. – 453*r–453*v leeres Zeilengerüst.
- Incipit
- 1ra ›Satis‹ continuata fuit supra in precedentj rubrica, sed magis specifice potest sic continuarj …
- Explicit
- 452va … Nam propter bonum conseruandum quisque debet se ipsum exponere maxime in fauorem animarum qui pro quibus saluandis deus aperiat intellectum studencium in hac compilacione ad honorem ipsius. Amen. [es folgt der Kolophon, s. Geschichte der Handschrift].
- Edition
- Die Vorlesung des Nicolaus de Tudeschis zum Liber extra ist bereits in zahlreichen Wiegendrucken seit 1476 überliefert (GW M47787–M47997). Die letzte Gesamtausgabe seiner Hauptwerke wurde 1617 in Venedig aufgelegt, darunter Commentaria in quinque decretalium libros, Venedig 1617.
- Bearbeitet von
- Dr. Thorsten Huthwelker, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2024.
Zitierempfehlung:
Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 654. Beschreibung von: Dr. Thorsten Huthwelker (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2024.
- Katalogisierungsrichtlinien
- Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.
Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.