Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 655

Kanonistische Sammelhandschrift

Papier, Pergament · 1, 351, 3 Bll. · 33,6 × 23,5 cm · Padua / Padua · 1. Hälfte 14. Jh. / Mitte 15. Jh.


Schlagwörter (GND)
Kanonisches Recht / Dekretalensammlung / Dekretalen / Liber extra / Fragment / Liber sextus / Vorlesung.
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Pergament (I) und Papier (II).
Umfang
1, 351, 3 Bll.
Format (Blattgröße)
33,6 × 23,5 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
Hs. mit Fragment (I. Bl. A; II. Bll. 1–328). (I-1)1a + … + (I-1)331*. Vorderspiegel Gegenbl. von 1a, Hinterspiegel Gegenbl. von 331*. Zählfehler: nach 85 und 99 ungez. Bl., nach 176 sechs ungez. Bll., nach 183 drei ungez. Bll., nach 193 sechs ungez. Bll., nach 282 fünf ungez. Bll., nach 290 zwei ungez. Bll. 187, 189, 191, 192, 193a, 193c wohl nachträglich eingefügt.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
Vorrömische Foliierung (A, 1–328). Vorsatzbl. und Nachsatzbll. ungez., weshalb, wie auch bei ungez. Bll., Zählung der Digitalisate übernommen wird (1a, 85a, 99a, 176a–176f, 183a–183c, 193a–193f, 282a–282e, 290a–290b). Reklamanten auf der letzten Versoseite der Lage auf dem Fußsteg rechts, zuweilen durch Beschnitt verloren gegangen.
Zustand
Wenige Stockflecken, meist am oberen Blattrand. Einige Flecken. Löcher in 35, 166. Fraßspuren auf den letzten Bll. Schrift scheint zuweilen durch. Auf A Schrift stark ausgeblichen.


Einband
Römischer Einband, Pappe mit weißem Pergament überzogen, in Rom um 1780 gefertigt (Schunke, Einbände 2.2, S. 847). Gelb-kupferfarbenes Kapital. Auf dem Rücken zwei blaue aufgeklebte Schildchen mit aktueller Signatur. Rückentitel: DE CONSTITVTIONIBVS ET CETERA.
Provenienz
Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
Blaues Schildchen mit aktueller Signatur auf Vorderspiegel. Auf 1a neben der aktuellen Signatur Altsignatur 752 [durchgestrichen], weitere auf 1r 584 und 330*v 1650. Das vorgebundene Fragment aus einer Liber-sextus-Hs. scheint in Padua entstanden zu sein. Darauf verweist die Grußadresse aus der Promulgationsbulle, der Duktus der Schrift, wie auch die Miniatur. Es folgen Vorlesungen zum Liber extra, in denen sich ebenfalls einige Hinweise auf Padua finden lassen. Diese dürften zur Mitte des 15. Jhs. entstanden sein, als auch Antonio Roselli seinen auf 173r–176r eingefügten Traktat eben in Padua vollendete, wofür auch die Wzz. der verwendeten Bll. sprechen.

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_lat_655
Literatur
Arturo Bernal Palacios, Repertorio del Comentario de Inocencio IV a las Decretales de Gregorio IX, in: Escritos del Vedat, Anuario 17 (1987), S. 143-172, hier S. 168; OVL, Pal.lat.655; Schunke, Einbände 2.2, S. 847; Stevenson, Latini, S. 232.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

Fragment (Bl. A)

Sachtitel / Inhalt
Liber sextus cum Glossa ordinaria (Fragment).
Entstehungsort
Padua.
Entstehungszeit
1. Hälfte 14. Jh.
Typus (Überlieferungsform)
Fragment.
Beschreibstoff
Pergament.
Umfang
1 Bl.
Format (Blattgröße)
33 × 23 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
1A.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
s. zum Codex.

Schriftraum
33 × 22 cm.
Spaltenanzahl
4 Spalten.
Zeilenanzahl
Legaltext: 57–60 Zeilen; Klammerglosse: 91–107 Zeilen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Den Legaltext schrieb in der ersten Hälfte des 14. Jhs. eine Hand, die der Textura verpflichtet ist, wie sie nördlich der Alpen gepflegt wurde. Dafür sprechen die Brechungen, insbesondere der Schäfte, oder der unter die Grundlinie gezogene Bogen des h. Dennoch sieht man die Beeinflussung durch die italienische Rotunda im Duktus. Womöglich lernte der Schöpfer dieser Zeilen das Schreiben nördlich der Alpen und kopierte den Legaltext an der Universität Padua, worauf die Grußadresse in der Promulgationsbulle hinweisen könnte. Die Klammerglosse hingegen wurde von mehreren Händen geschrieben. Das Spektrum der verwendeten Schriftarten reicht von der in etwa zeitgleich geschriebenen Textualis über die Bastarda bis hin zur gotischen Kursive.
Buchgestaltung
Seitentitel mit einem L als Abkürzung für ‚Liber‘ auf der Versoseite und einem VI für ‚sextus‘ auf der Rectoseite. Mittig und zweispaltig angelegter Legaltext von Klammerglosse umflossen. Im Legaltext Tituli rubriziert. Jedem Capitulum alternierend blaue oder rote Lombarde mit Fleuronné in Gegenfarbe vorangestellt. Im Satz zuvor Anfangsbuchstabe jener Person mit blauer oder roter Satzmajuskel hervorgehoben, welche die Dekretale formulierte. Paragrafenzeichen in Blau und Rot alternierend.
Buchschmuck
Auf Arb historisierte Initiale mit Person im Schulterstück, durch Mitra als Bischof gekennzeichnet. Ablaufende Ranken in Blau, Grau, Rosa und Rot.

Nachträge und Benutzungsspuren
Während ein Teil der Glosse in etwa zeitgleich entstanden sein dürfte, wurden später noch weitere Glossen hinzugefügt und Anmerkungen im Interkolumnium angebracht.

Provenienz
Heidelberg.

1) Ara–Avd Digitalisat

Beteiligte Personen
Bonifaz VIII. (GND-Nr.: 118513257) / Johannes Andreae (GND-Nr.: 119244071).
Titel
Liber sextus cum Glossa ordinaria.
Angaben zum Text
Auf Veranlassung Papst Bonifaz VIII. kompilierte Dekretalensammlung mit der Glossa ordinaria des Johannes Andreae (um 1270-1348) und Grußadresse an die Universität Padua, hier als Fragment überliefert: (Arb–c) Bulle ‚Sacrosanctae Romanae ecclesiae‘; (Arc–Avc) VI 1.1.1–1.3.6.
Rubrik
Arb ›Jncipit Liber sextus decretalium domini Bonifacii pape octaui‹.
Incipit
Arb ›Bonifatiusepiscopus seruus seruorum dei dilectis filijs doctoribus et scolaribus uniuersis Padue commorantibus salutem et apostolicam benedictionem.SacrosancteRomane ecclesie …
Explicit
avc … si ille, anteaquam [!] resignet, rebus eximatur humanis …
Edition
Corpus iuris canonici 2, Sp. 929–939. Zur Glossa ordinaria des Johannes Andreae existiert keine moderne Edition, sie ist aber bereits in zahlreichen Inkunabeln seit 1465 überliefert (GW 4848–4905).

(Bl. 1–328)

Sachtitel / Inhalt
Lectura decretalium Gregorii IX.
Entstehungsort
Padua.
Entstehungszeit
Mitte 15. Jh.
Typus (Überlieferungsform)
Faszikel.
Beschreibstoff
Papier.
Umfang
350 Bll.
Format (Blattgröße)
33,6 × 23,5 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
10 V99 + 7 VI176f + 2 V193f + 2 VI217 + 2 V237 + IV245 + 3 V275 + VI282e + 5 V330*.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
s. zum Codex.
Wasserzeichen
Dreiberg, einkonturige Stange mit einkonturigem Kreuz als Beizeichen, in acht Varianten, Bll. 3, 6, 9, 13, 16–17, 21–22, 28, 32–33, 36, 40, 47–50, 56, 58–61, 65, 68, 71–73, 75, 87, 89, 96–97, 99, 106–107, 109, 177, 179–181, 263, 267, 269, 279, 281, 282a, 282c, 289, 290b, 293, 295, 302–303, 306–307, 317–320, 325, 327–328, annähernd identisch mit Wzz. von Papieren, die laut WZIS 1444 und um 1450 in Padua Verwendung fanden, DE5580-Clm6572_284, bzw. DE5580-Clm6585_I, Bll. 4, 19–20, 26–27, 37, 45, 54, 62, 67, 77, 82, 84–85, 91, 94, 316, 321–322, annähernd identisch mit Wzz. von Papieren, die laut WZIS im zweiten Drittel des 15. Jhs. in Oberitalien, vielleicht in Padua, beschrieben wurden, DE5580-Clm6718_58, Bll. 10, 101, 104, 184–186, 188, 193, 285, 287, 290a, 291, 297, 299, 301, annähernd identisch mit Wzz. von Papieren, die laut WZIS um 1444/1449 in Padua verwendet wurden, DE5580-Clm6573_192, Bl. 99a, ähnlich Wzz. von Papieren, die laut WZIS 1494 in Verona Verwendung fanden, DE5580-Clm6580_2, Bl. 183b, annähernd identisch mit Wzz. von Papieren, die laut WZIS 1446–1447 in Padua Verwendung fanden, DE5580-Clm6674_259, Bl. 192, ähnlich Wzz. von Papieren, die laut WZIS 1447 in Vicenza beschrieben wurden, IT8430-PO-150618, Bll. 193a, 193c, vergleichbar mit Wzz. von Papieren, die laut WZIS 1447 in Vicenza verwendet wurden, IT8430-PO-151071, Bll. 259–260, 264–265, 270, 273, 275, 282d, 282e, annähernd identisch mit Wzz. von Papieren, die laut WZIS 1444 in Padua Verwendung fanden, DE5580-Clm6572_193; Dreiberg mit einkonturiger Stange und Querstrichen als Beizeichen, in drei Varianten, Bll. 112, 116, 118, 134, 170, ähnlich Wzz. von Papieren, die laut WZIS im zweiten Viertel des 15. Jhs. in Oberitalien beschrieben wurden, DE4860-Ms1167_6, Bll. 119–120, 122, 128, 130, 133, 144–146, 149–150, 157, 165–169, 172, 174, 176b, 176d, 176f, 195, 197, 203, 213, 215, 219, 221, 225, 228–229, 232, 242, 246, 250, 253–254, ähnlich Wzz. von Papieren, die laut WZIS um 1450 in Padua verwendet wurden, DE5580-Clm6585_48, Bll. 125–126, 138–140, 151–152, 158, 176, 198–199, 205–207, 212, 214, 218, 222, 234–235, 238–240, 249, annähernd identisch mit Wzz. von Papieren, die laut WZIS Mitte des 15. Jhs. in Italien, vielleicht in Padua, Verwendung fanden, DE5580-Clm27042_202.

Schriftraum
24,5 × 14 cm.
Spaltenanzahl
1 Spalte.
Zeilenanzahl
41–52 Zeilen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Der Schreiber, der sein Metier in Mitteleuropa gelernt haben dürfte, bediente sich einer schleifenlosen Bastarda, die sich in ihrer raschen Ausführung in einem Grenzbereich zur gotischen Kursiven bewegt, nicht umsonst schleichen sich immer wieder Schleifen beim d ein. Korrekturen trug er am Seitenrand nach. Wahrscheinlich eine weitere Hand schrieb 285v–286v, 288r–288v in einer humanistischen Minuskel, freilich nicht in einer Reinform; sie ist gleichwohl durchmischt mit Elementen gotischer kursiver Buchschriften.
Buchgestaltung
Schriftraum mit Metallstift vorgezogen. Platz für Initialen ausgespart. Capitulumsanfänge mit vergrößerten Buchstaben in gotischer Minuskel hervorgehoben, Zwischenüberschriften mit Paragrafenzeichen und vergrößerten gotischen Minuskeln. Ab 111r Tituli abgekürzt als Seitentitel auf dem Kopfsteg rechts und als Überschriften mit vergrößerten Buchstaben, zudem bis 172v Rubrizierungen und rote Paragrafenzeichen zur Unterteilung der Sinnabschnitte.
Buchschmuck
Initialen nicht ausgeführt, Anweisungen für Rubrikator vorhanden.

Nachträge und Benutzungsspuren
Von anderer Hand nachträglich eingelegte Bll. Ferner Unterstreichungen und grafische Verweiszeichen.

Provenienz
Heidelberg.

2) 1r–172v Digitalisat

Titel
Lectura decretalium Gregorii IX.
Angaben zum Text
Vorlesungen zu Passagen des ersten Buchs des Liber extra: (1r–99v) X 1.2.1–1.6.42; (99ar–av) leer; (100r–110r) X 1.6.42–1.6.60; (110v) leerer Satzspiegel; (111r–172v) X 1.34.1–1.43.14.
Rubrik
1r ›De constitutionibus. Rubrica‹.
Incipit
1r Continuatur hec rubrica posito fundamento fidei …
Explicit
172v … quod ipsorum mutua visio sit in patria. Iohannes Andree.

3) 173r–176r Digitalisat

Verfasser
Antonio Roselli (GND-Nr.: 100968872).
Titel
Tractatus super arbore consanguinitatis.
Angaben zum Text
Text, hier als ‚Declaratio arboris consanguinitatis‘ bezeichnet. – 176v–176fv leerer Satzspiegel.
Rubrik
173r ›Sequitur declaratio arboris consanguinitatis‹.
Incipit
173r Primo ponit glo. i. qualiter se antiqui habuerunt presertim Iohannes de Deo in lectura arboris usque ibi attendens …
Explicit
176r … et ita consuluit Bartolus [durchgestrichen: consi] consilio […] xxxv., quod incipit Queritur utrum gradus.

4) 177r–183r Digitalisat

Titel
Inhaltsverzeichnis zum 1. Buch des Liber extra.
Angaben zum Text
Inhaltsverzeichnis zu verschiedenen Tituli des ersten Buchs des Liber extra. – 183v–183cv leerer Satzspiegel.
Incipit
177r Constitucio publice promulgata non ligat ignorantes …
Explicit
183r … De alienacione mutandi iudicij causa facta. Rubrica.

5) 184r–327v Digitalisat

Titel
Lectura decretalium Gregorii IX.
Angaben zum Text
Vorlesungen zu Passagen des Liber extra: (184r–193r) beginnend X 1.30.1; (193v–193fv) leerer Satzspiegel; (194r–282v) Fortsetzung der Vorlesung (von 235v bis 239r X 2.22.4–2.22.14); (282ar–282ev) leerer Satzspiegel; (283r–290v) X 3.31.13–3.14.4; (290ar–290bv) leerer Satzspiegel; (291r–327v) X 4.1.1–4.21.5. – 328r Kleintext.
Rubrik
184r ›Jn nomine domini. Amen. Ihesus. Maria‹.
Incipit
184r Cvm mecum ipse viri eruditissimi summo studio maximaque cura diligenter conspicio …
Explicit
327v … et capitulo Sponsam cum Si. Amen.Finis libri. Laus deo‹.


Bearbeitet von
Dr. Thorsten Huthwelker, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2024.


Zitierempfehlung:


Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 655. Beschreibung von: Dr. Thorsten Huthwelker (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2024.


Katalogisierungsrichtlinien
Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.