Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 662

Nicolaus de Tudeschis, Lectura super tertio libro decretalium

Papier · 1, 378 Bll. · 38,2 × 28 cm · Pavia · um 1460


Schlagwörter (GND)
Kanonisches Recht / Dekretalensammlung / Dekretalen / Liber extra / Kommentar.
Entstehungsort
Pavia.
Entstehungszeit
um 1460.
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Papier (Bl. 1 Pergament).
Umfang
1, 378 Bll.
Format (Blattgröße)
38,2 × 28 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
(I-1)1a + 37 V368 + IV376*. Vorderspiegel Gegenbl. von 1a, hinteres Spiegelbl. auf Rückdeckel geklebt. Zählfehler: auf 47 und 114 folgen ungez. Bll. 47a und 114a.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
Römische Foliierung des 17. Jhs. (1–373). Vorsatzbl. ungez., weshalb hier, wie bei ungez. Bll. Zählung der Digitalisate übernommen wird (1a, 47a, 114a, 374*–376*). Reklamanten durchgängig auf der letzten Versoseite der Lage am Ende des Texts im rechten Winkel zu diesem geschrieben.
Zustand
Teilweise stockfleckig, v.a. an den Blatträndern, insbesondere an den oberen. Ab ca. Bl. 270 schlägt die Tinte teilweise durch und es finden sich zahlreiche Flecken. Auf 1av Abklatsch von 1r.
Wasserzeichen
Blume mit acht Blütenblättern, ohne Stängel, Blüte mit Stempel, in neun Varianten, Bll. 3-6, 9, 13-14, 19, 34, 39, 41, 48, annähernd identisch mit Wzz. von Papieren, die laut WZIS 1458 in Candia (Kreta) Verwendung fanden, DE4200-PO-126723, Bll. 7, 11, 16, 33, 35, 40, 43-46, ähnlich Wzz. von Papieren, die laut WZIS in Candia (Kreta) beschrieben wurden, DE4200-PO-126723, Bll. 21-24, 54, 67-69, 72-79, 88-94, 254-258, 290-291, 376*, vergleichbar mit Wzz. von Papieren, die laut WZIS 1458 in Candia (Kreta) beschrieben wurden, DE4200-PO-126724, Bll. 51, 59, 65, 104, 107-108, 117, 125-126, 133, 137, 139-142, 149, 162, 167-168, 173-178, 182-188, 191, 199, 202-206, ähnlich Wzz. von Papieren, die laut WZIS 1458 in Candia (Kreta) verwendet wurden, DE4200-PO-126724, Bll. 53, 106, 109-114, 120-123, 128-131, 135, 138, 143, 154-157, 164-166, 171-172, 180, 190, 192-198, 200, vergleichbar mit Wzz. von Papieren, die laut WZIS 1464 Verwendung fanden, DE8085-PO-126718, Bll. 66, 71, 80, 96-99, 363, ähnlich Wzz. von Papieren, die laut WZIS 1476 in Nürnberg beschrieben wurden, DE8100-PO-126679, Bll. 213-247, 272-273, vergleichbar mit Wzz. von Papieren, die laut WZIS 1458 in Candia (Kreta) verwendet wurden, DE4200-PO-126725, Bll. 279-283, 292-293, 303, 315-316, 322-326, 335-339, 344-353, 357-358, 370, ähnlich Wzz. von Papieren, die laut WZIS 1472/1473 Verwendung fanden, DE8100-IncFol1329_999e, Bll. 285-286, 299, 305-313, 318-320, 329-333, 340-341, 355, 359-361, 371-372, ähnlich Wzz. von Papieren, die laut WZIS 1476 in Nürnberg beschrieben wurden, DE8100-PO-126679; Blume mit sieben Blütenblättern, ohne Stängel, Blüte mit Stempel, ohne Beizeichen (oder mit Buchstabe M auf dem Stempel), Bl. 365, keine Übereinstimmung in WZIS.

Schriftraum
26,5 × 19 cm.
Spaltenanzahl
2 Spalten.
Zeilenanzahl
59 Zeilen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Der Schreiber des Texts bediente sich einer italienischen Semitextualis im Derolezschen Sinn (vgl. Derolez, Palaeography, S. 119–121), wobei im Fortgang des Schreibens die Buchstaben immer stärker legiert wurden, sodass die Schrift mitunter wie eine schleifenlose Bastarda erscheint, bei der f und s keine Unterlängen aufweisen. Der Schreiber dürfte höchstwahrscheinlich im Familiarenkreis Ruprechts von Pfalz-Mosbach zu suchen sein (s. Geschichte der Handschrift). Im Gegensatz zu Johannes Stetzenbach, der die gewichtigsten Teile von Pal. lat. 654, 660 und 661 abschrieb und dieselbe Schrift verwendete, setzte dieser Schreiber gedachte Grundlinie knapp oberhalb der Zeile an. Ferner fällt bei ihm die Schaftmitbenutzung bei d und e auf, das fast schon 8-förmige g sowie das extrem in die Breite gezogene Majuskel-S zu Beginn eines Satzes. Nur sehr selten trug der Schreiber Korrekturen am Seitenrand oder im Interkolumnium nach. Dieselbe Hand schrieb auch Pal. lat. 657 (1ra–317vb), 665, 666 (11ra–77vb, 167ra–192va), 788 (1ra–58va) und 807 (101ra–220vb, 275ra–293vb). Die Auszeichnungsbuchstaben hingegen sind in gotischer Minuskel geschrieben.
Buchgestaltung
Zeilengerüst mit Metallstift und Tinte vorgezogen. Tituli in der rechten oberen Ecke abgekürzt wiedergegeben, teilweise durch Beschnitt verloren gegangen. Vor jedem neuen Titulus sechs Zeilen für Rubrik frei gelassen, die nicht ausgeführt wurde. Zu Beginn eines jeden Capitulums Initialmajuskeln mit Schaftaussparungen, alternierend in Blau und Rot über sechs bis acht Zeilen, die übrigen Buchstaben der Capitulumsanfänge in gotischer Minuskel vergrößert dargestellt, über vier Zeilen. Kommentare zu Abschnitten innerhalb des Capitulums mit Paragrafenzeichen und vergrößerten gotischen Minuskeln hervorgehoben. Alternierend blaue und rote Paragrafenzeichen zur Unterteilung der Sinnabschnitte.
Buchschmuck
Auf 1r Eingangsminiatur, golden gerahmt: Apostel Jakobus steht Apostel Philippus gegenüber. Beide sind durch Beischrift ausgezeichnet, rot und purpurn gewandet, mit einem Heiligenschein ausgestattet und halten ein Buch in Händen, Jakobus zudem einen Palmzweig. Darunter Initiale mit Blättern im Binnenfeld, ablaufende Ranken in Grün, Purpur und Rot. Diese werden auf den anderen Rändern wiederholt. Auf dem Fußsteg zudem ein Engel im weißen Gewand mit blondem Haupthaar und blau-gelben Flügeln als Schildhalter. Im heraldisch rechten Schild in Rot ein silberner Schrägbalken, im heraldisch linken Schild in 1 und 4 ein rot gekrönter und bewehrter goldener steigender Löwe in Schwarz, 2 und 3 blau-silbern geweckt (s. auch die Bildbeschreibung in heidICON).

Nachträge und Benutzungsspuren
Wenige Anmerkungen von einer in etwa zeitgenössischen Hand in jüngerer gotischer Kursive, die von Ruprecht von Pfalz-Mosbach als Bischof von Regensburg stammen könnte, da auf 327rb in einer Anmerkung auf eine in der Regensburger Diözese gepflegte Gewohnheit Bezug genommen wird: similiter in festo Walffgangi Ratispponensi diocesi. Ferner grafische Verweiszeichen.

Einband
Römischer Einband, Pappe mit weißem Pergament überzogen, in Rom um 1780 gefertigt (Schunke, Einbände 2.2, S. 847). Gelb-kupferfarbenes Kapital. Auf Rücken zwei blaue aufgeklebte Schildchen mit aktueller Signatur. Rückentitel: ABBAS super 3m. Darunter schemenhaft Pal zu erkennen.
Provenienz
Regensburg / Neumarkt / Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
Blaues Schildchen mit aktueller Signatur auf Vorderspiegel. Auf 1ar neben der aktuellen Signatur kleiner Notizzettel, der zwischen 271 und 272 einlag. Ferner Altsignatur 773, weitere Altsignaturen auf 1r: 569 [durchgestrichen], 572, von einer Hand des 17. Jhs.: Panormitanus super tertia parte. Die Hs. ist Teil einer mehrbändigen Reihe, welche die Vorlesung des Nicolaus de Tudeschis zum Liber extra vereint (s. Pal. lat. 654, 660, 661, 665, 666). Während Pal. lat. 654, große Teile von 660 und 661 wieder zur Gänze von Johannes Stetzenbach aus Eberbach für Ruprecht von Pfalz-Mosbach (1437–1465) , designierten Bischof von Regensburg, 1460 in Pavia kopiert wurden (s. Pal. lat. 654, 660, 661), stammt diese Hs. von einer anderen Hand. Die Miniatur und die Wappen auf 1r, das Layout sowie die Ähnlichkeit der Schrift sprechen dafür, dass der Schreiber dieser Zeilen mit Johannes Stetzenbach in Pavia zusammengearbeitet haben dürfte. Dafür könnten Zeisolf von Adelsheim und Gerhard von Ehrenberg (†1498) in Frage kommen, die sich als Familiaren des Ruprecht von Pfalz-Mosbach mit diesem und besagtem Johannes Stetzenbach am 19. Oktober 1454 an der Universität Köln als Zesolphus de Adlachem und Ger. de Erenberch immatrikulierten (Die Matrikel der Universität Köln, Bd. 1, 1389-1475, bearb. von Hermann Keussen, 2. Auflage, Bonn 1928 [Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 8], S. 580). Die drei Familiaren könnten Ruprecht in den Jahren 1458 und 1460/61 auch an die Universität Pavia begleitet haben. Schließlich lassen sich in dem fünfbändigen Kompendium drei Hände nachweisen, wovon Johannes Stetzenbach durch den Kolophon in Pal. lat. 654 zweifelsohne belegt ist. Noch vor dem Tod Ruprechts 1465 als Bischof von Regensburg muss Johannes Stetzenbach in die Dienste von dessen Bruder Albrecht von Pfalz-Mosbach (1440–1506) getreten sein, der mit einem weiteren Bruder Johann von Pfalz-Mosbach (1443–1486) bei genanntem Studienaufenthalt in Pavia belegt ist. Denn am 9. Dezember 1464 immatrikulierte er sich als Familiar Albrechts, gemeinsam mit diesem, an der Universität Freiburg (Die Matrikel der Universität Freiburg i. Br. von 1460-1656, Bd. 1, Einleitung und Text, bearb. u. hrsg. von Hermann Mayer, Freiburg i. Br. 1907, S. 30). Vielleicht folgte ihnen Zeisolf von Adelsheim später nach, da in Straßburg, wo Albrecht 1478 Bischof werden sollte, ein Zeisolf von Adelsheim (†1505) eine reiche Witwe aus bürgerlichem Haus ehelichte (Gerd Wunder, Das Strassburger Landgebiet. Territorialgeschichte der einzelnen Teile des städtischen Herrschaftsbereiches vom 13. bis zum 18. Jahrhundert, Berlin 1967 [Schriften zur Verfassungsgeschichte 5], S. 133f.). Gerhard von Ehrenberg hingegen wandte sich nach Basel, wo er 1469 als Rektor der Universität vorstand. Er starb schließlich als Mainzer Domscholaster (RAG, Gerhard von Ehrenberg). Zum weiteren Schicksal dieser Hs. Ruprechts, der durch das Wappen auf 1r zweifelsfrei als Eigentümer nachweisbar ist, s. Geschichte der Handschrift in der Beschreibung zu Pal. lat. 654.

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_lat_662
Literatur
BioBib Jurists, Nicolaus de Tudeschis (r450); OVL, Pal.lat.662; Pennington, Lectura, S. 370; Pennington, Nicholaus, S. 20; Schunke, Einbände 2.2, S. 847; Stevenson, Latini, S. 234.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

1) 1ra–372vb Digitalisat

Verfasser
Nicolaus de Tudeschis (GND-Nr.: 118588028).
Titel
Lectura super tertio libro decretalium.
Angaben zum Text
Vorlesung zum 3. Buch des Liber extra: (1ra–12ra) Titulus 1; (12ra–17va) Titulus 2; (17va–23rb) Titulus 3; (23rb–34rb) Titulus 4; (34rb–65va) Titulus 5; (65va–68rb) Titulus 6; (68rb–74ra) Titulus 7; (74ra–89ra) Titulus 8; (89ra–91ra) Titulus 9; (91ra–98vb) Titulus 10; (99ra–102rb) Titulus 11; (102va–104ra) Titulus 12; (104ra–111va) Titulus 13; (111va–113va) Titulus 14; (113vb–114avb) Titulus 15; (114avb–117ra) Titulus 16; (117ra–123rb) Titulus 17; (123rb–128ra) Titulus 18; (128ra–132va) Titulus 19; (132va–134ra) Titulus 20; (134rb–140va) Titulus 21; (140va–144vb) Titulus 22; (144vb–148rb) Titulus 23; (148rb–156rb) Titulus 24; (156rb–159ra) Titulus 25; (159ra–185rb) Titulus 26; (185rb–188va) Titulus 27; (188va–201va) Titulus 28; (201va–204vb) Titulus 29; (205ra–226va) Titulus 30; (226vb–242va) Titulus 31; (242va–255rb) Titulus 32; (255rb–256va) Titulus 33; (256va–265ra) Titulus 34; (265ra–273ra) Titulus 35; (273ra–278va) Titulus 36; (278va–281ra) Titulus 37; (281ra–297ra) Titulus 38; (297rb–308vb) Titulus 39; (308vb–312vb) Titulus 40; (312vb–320ra) Titulus 41; (320ra–324ra) Titulus 42; (324ra–325ra) Titulus 43; (325ra–325va) Titulus 44; (325vb–326rb) Titulus 45; (326rb–328va) Titulus 46; (328va–b) Titulus 47; (328vb–332va) Titulus 48; (332va–357rb) Titulus 49; (357rb–372vb) Titulus 50. – 373r–376* leeres Zeilengerüst.
Incipit
1ra ›Redemptorispostulato suffragio vt ostendatur ordinem fuisse obseruatum in volumine continuanda est rubrica ad precedencia que per docto continuatur duobus modis …
Explicit
372vb … jn cuius finem altissimus nos et omnes alios tam presentes quam posteros sciencie insistentes dirigat per suam ineffabilem clemenciam causam. Nicolaus Ciculus doctor excellentissimus in monasterio sancte Marie de monachis in Sicilia. Finit ter Ciculus graphus non sit vesqua solutus. Kyria chere geran cuius philantropus est bar. Per te doxa theos vecten ac vranos ymas.
Edition
Die Vorlesung des Nicolaus de Tudeschis zum Liber extra ist bereits in zahlreichen Wiegendrucken seit 1476 überliefert (GW M47787-M47997). Die letzte Gesamtausgabe seiner Hauptwerke wurde 1617 in Venedig aufgelegt, darunter Commentaria in quinque decretalium libros, Venedig 1617.


Bearbeitet von
Dr. Thorsten Huthwelker, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2024.


Zitierempfehlung:


Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 662. Beschreibung von: Dr. Thorsten Huthwelker (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2024.


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Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.