Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 667

Juristische Sammelhandschrift

Papier, Pergament · 2, 203, 2 Bll. · 21,5 × 30,3 cm · Mitteleuropa · um 1433


Schlagwörter (GND)
Kanonisches Recht / Dekretalensammlung / Dekretalen / Liber extra / Vorlesung / Fragment.
Entstehungsort
Mitteleuropa.
Entstehungszeit
um 1433.
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Papier (Bl. 203 Pergament).
Umfang
2, 203, 2 Bll.
Format (Blattgröße)
21,5 × 30,3 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
(II-1)2a + II4 + III10 + V20 + 6 VI92 + VII106 + 8 VI202 + 1203 + 1204* + (I-1)205*. Vorderspiegel Gegenbl. von 2a, Hinterspiegel Gegenbl. von 205*.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
Römische Foliierung des 17. Jhs. (1–203). Vor- und Nachsatzbll. ungez., weshalb hier Zählung der Digitalisate übernommen wird (1a–2aq, 204*–205*). Ab 32v durchgängig Reklamanten auf der letzten Versoseite der Lage auf dem Fußsteg rechts, teilweise durch Beschnitt beeinträchtigt bzw. verloren gegangen.
Zustand
Papier teilweise leicht stockfleckig, phasenweise ausgeprägte Benutzungsspuren, recht viele Flecken. Beschriebenes Pergament als Falzverstärkung.
Wasserzeichen
Ochsenkopf mit Augen, zweikonturiger Stange mit Blume mit sechs Blütenblättern und einkonturigem Stern als Oberzeichen, in drei Varianten, Bl. 1, ähnlich Wzz. von Papieren, die laut WZIS 1439 in Braunschweig Verwendung fanden, DE1335-PO-70506, Bl. 3, ähnlich Wzz. von Papieren, die laut WZIS 1438 in Braunschweig beschrieben wurden, DE1335-PO-70505, Bl. 16, ähnlich Wzz. von Papieren, die laut WZIS zwischen 1396 und 1455 in Schwaben verwendet wurden, DE0510-CodII12_177_57; Ochsenkopf mit Augen, mit zweikonturiger Stange mit siebenblättriger Blume als Beizeichen, Stangenende zweikonturig, in vier Varianten, Bll. 6, 17, 20, ähnlich Wzz. von Papieren, die laut WZIS 1431 in Braunschweig Verwendung fanden, DE1335-PO-70061, Bll. 8-12, 18, ähnlich Wzz. von Papieren, die laut WZIS 1431 in Thorn beschrieben wurden, DE4620-PO-70063, Bll. 25-27, 34-39, 48, annähernd identisch mit Wzz. von Papieren, die laut WZIS im 15. Jh. in Augsburg oder Umgebung verwendet wurden, DE3270-theol285_II, Bll. 42-47, ähnlich Wzz. von Papieren, die laut WZIS um 1430 in Ostdeutschland oder Polen (?) Verwendung fanden, DE0960-Mtlf662_136; Ochsenkopf mit Augen, zweikonturige Stange mit lateinischem Kreuz, Kreuzbalken mit Einkerbungen, als Oberzeichen, Bll. 23, 29, ähnlich Wzz. von Papieren, die laut WZIS 1434 beschrieben wurden, DE8100-PO-68693; Ochsenkopf mit Augen, zweikonturige Stange mit lateinischem Kreuz, Kreuzbalken gerade / dreieckig als Oberzeichen, in drei Varianten, Bll. 31-32, ähnlich Wzz. von Papieren, die laut WZIS im 15. Jh. in Augsburg oder Umgebung verwendet wurden, DE3270-theol285_220, Bll. 49-51, 70, ähnlich Wzz. von Papieren, die laut WZIS zwischen 1425 und 1433 in Wien oder Umgebung (?) Verwendung fanden, DE5580-Clm14301_121, Bl. 71, ähnlich Wzz. von Papieren, die laut WZIS 1433 in Schwäbisch Gmünd beschrieben wurden, DE6300-PO-68640; Ochsenkopf mit Augen, Kinn rund, einkonturige Stange mit sechsblättriger Blume als Beizeichen, in zwei Varianten, Bll. 59-61, 68, 74-82, 88, 97, 106, 111-112, 126-130, 135-142, 149-152, 165, 171, 175-179, 185-188, 197-201, ähnlich Wzz. von Papieren, die laut WZIS 1432 in Opoczno verwendet wurden, DE4620-PO-65483, Bll. 62-67, 73, 83-86, 89-96, 100-101, 107-109, 115-124, 132, 144, 154-163, 167-169, 172, 182-183, 189-194, ähnlich Wzz. von Papieren, die laut WZIS 1434 in Wallerstein Verwendung fanden, DE6300-PO-65461.

Schriftraum
25,6 × 16,8–18,2 cm.
Spaltenanzahl
1 Spalte (8v: 3 Spalten; 20r–20v: 2 Spalten).
Zeilenanzahl
54–60 Zeilen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Mehrere Hände. Jüngere gotische Kursive, Bastarda und seltener auch schleifenlose Bastarda wechseln sich recht häufig ab.
Buchgestaltung
Schriftspiegel mit Metallstift vorgezogen. Bei manchen Texten Initialen vorgesehen, aber nicht ausgeführt. Vorgaben für Rubrikator noch vorhanden. Im Haupttext (21r–193r, Vorlesung zum 4. Buch des Liber extra) Tituli mit vergrößerten Buchstaben in gotischer Minuskel, ebenso am Capitulumsanfang das Anfangswort / die Anfangsworte nach der nicht ausgeführten Initiale. 21r–38r Seitentitel auf Kopfsteg rechts. Zahlreiche Unterstreichungen, selten rote Paragrafenzeichen und Strichelungen.
Buchschmuck
s. Buchgestaltung.

Nachträge und Benutzungsspuren
Viele Anmerkungen und Verweise auf den Rändern, darunter auch von Händen, die den eigentlichen Text ausführten. Zahlreiche grafische Verweiszeichen, v.a. in Form von Zeigehänden. Mannigfaltige Benutzungsspuren, z.B. in Form von Tintenflecken.

Einband
Römischer Einband, Pappe mit weißem Pergament überzogen, in Rom um 1780 gefertigt (Schunke, Einbände 2.2, S. 847). Gelb-kupferfarbenes Kapital. Auf dem Rücken zwei blaue aufgeklebte Schildchen mit aktueller Signatur, das obere z.T. abgerissen, dazwischen Rückentitel: Lectura in 4. decretalium, darüber in Blau: Pal.
Provenienz
Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
Blaues Schildchen mit aktueller Signatur auf Vorderspiegel. Neben der aktuellen Signatur auf 1ar Altsignatur 782 [durchgestrichen], auf 2ar Capsa-Nummer C. 77. und Altsignatur 487, ferner von Hand des 17. Jhs. Formæ Libellorum. Weitere Altsignatur auf 204*v: 1633. Den Inhalten der Sammelhs. entsprechend dürfte sie von einem oder mehreren Studenten bzw. Hochschullehrer oder -lehrern angefertigt worden sein. Einer der Schreiber, der die Vorlesung zum 4. Buch des Liber extra vollendete, stammte offenbar aus Niederdeutschland, wie der sprachliche Befund des Kolophons auf 193r ausweist: Ach wat was ik des vro dat ik saeff finito libro. Gleichzeitig gibt der Schreiber noch das Datum der Niederschrift an: anno domini mo cccco 33 in vigilia sancti Francisci. Aufgrund der Übereinstimmung der Schreiberhände dürften die anderen Texte der Hs. ebenfalls um 1433 entstanden sein. Als Entstehungsort ist eine der mitteleuropäischen Universitäten anzunehmen. Im Katalog von 1555/1560 zu den Hss., die unter Ottheinrich aus der Heidelberger Schlossbibliothek in die Heiliggeistkirche transferiert wurden, findet sich der oben genannte Titel: Formae libellorum, alt geschriben auff papir (Pal. lat. 1944, 123r).

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_lat_667
Literatur
Geoffrey Barraclough, Praxis Beneficiorum. A Contribution to the History of Practical Legal Literature in the Later Middle Ages, in: ZRG KA 27 (1938), S. 94–134, hier S. 112 A. 3; Manuscripta juridica, Pal.lat.667; OVL, Pal.lat.667; Schunke, Einbände 2.2, S. 847; Stevenson, Latini, S. 235f.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

1) 1r–4r Digitalisat

Titel
Alphabetisches Register zum Decretum Gratiani.
Incipit
1r Aliquis potest jeiunare pro alio et votum alterius adimplere XXIIJ q. ij Anime defunctorum …
Explicit
4r … admonere de testi licet ex quadam.

2) 4v Digitalisat

Titel
Quaestionen über Benefizienvergabe, Wahl und Exkommunikation.
Incipit
4v Dubium an collacio beneficii uel electio ad illud uel inpetricio rescripti ab occulto excommunicato valet …
Explicit
4v … in capitulo magne de voto et [… Text unleserlich].

3) 5r–6r Digitalisat

Titel
Repetitio zu ‚Omnis utriusque‘ (X 5.38.12).
Angaben zum Text
Parallelüberlieferung wahrscheinlich in der Greifswalder Hs. 18.C.I., 189v–190v (Mittelalterliche Handschriften in Greifswalder Bibliotheken. Verzeichnis der Bestände der Bibliothek des Geistlichen Ministeriums [Dombibliothek St. Nikolai], der Universitätsbibliothek und des Universitätsarchivs, bearb. von Jürgen Geiß, Wiesbaden 2009, S. 42).
Incipit
5r [C]irca c. Omnis, De penitenciis et remissionibus, nota quod peccatum actuale est quod in penitencia deletur uel quod actu nostre voluntatis committitur …
Explicit
6r … olim alia pena inponebatur de penitenciis di. vj Si sacerdos et cetera.

4) 6r–7r Digitalisat

Titel
De sortilegis.
Incipit
6r Queritur utrum carminatores et carminatrices qui carminaverunt infirmos uel pueros uel animalia peccent mortaliter …
Explicit
7r … ad quem nos perducat dominus noster Ihesus Christus Marie filius. Amen.

5) 7r Digitalisat

Beteiligte Personen
Johannes Bonaventura (GND-Nr.: 118513176).
Titel
Exzerpt aus einem Text des Bonaventura.

6) 7v Digitalisat

Titel
De orationibus servandis.
Angaben zum Text
8r Juristische Notizen.
Rubrik
7v Nota de orationibus seruandis.
Incipit
7v In c. De hijs distinctione XIJ dicitur et cauetur quod clericus tenetur diuinum officium seruare …
Explicit
7v …viuit alias desidiosus est xli di. c. i et cetera.

7) 8r Digitalisat

Titel
Juristische Notizen.

8) 8va–19r Digitalisat

Titel
Brocarda („Palatina“).
Angaben zum Text
Der Anfang gleicht den Brocarda des Damasus Hungarus (um 1210/20). Ab der zweiten Seite weicht der Text allerdings von diesen ab und fährt ohne Solutiones fort (Kuttner, Repertorium, S. 421 A. 2). Große Übereinstimmung mit Ms Freiburg 163, 362v–372v (Kataloge der Universitätsbiblitohek Freiburg im Breisgau, Bd. 1, Teil 1, Die lateinischen mittelalterlichen Handschriften der Universitätsbibliothek [Hs. 1–230], beschr. von Winfried Hagenmaier, Wiesbaden 1974, S. 148).
Incipit
8va Iuris positiui ignorancia excusat in hiis que sunt positiui …
Explicit
19r … sit mortale peccatum non tamen celare veritatem.
Edition
Die Brocarda des Damasus Hungarus sind in der Bearbeitung von Bartholomäus von Brescia (um 1200–1258) gedruckt in: Brocarda Damasi, correcta per D. Bartholomeum Brixiensem, in: Tractatvs illvstrivm in vtraqve tvm pontificii, tvm cæsarei iuris facultate iurisconsultorum, de varijs verbis iuris, Bd. 18, Venedig 1584, 506r–512v.

9) 19v Digitalisat

Titel
Formular zur Abfassung eines Testaments.
Rubrik
19v ›Forma bona testamenti‹.
Incipit
19v Jn nomine domini. Amen. Per hoc presens publicum jnstrumentum cunctis pateat manifeste …
Explicit
19v … fecerat seu ordinauerat super quibus omnibus et cetera acta scilicet et cetera.

10) 20ra–20va Digitalisat

Titel
Juristische Rechtsgrundsätze.
Angaben zum Text
Rechtsgrundsätze, notiert in Form von Redewendungen.
Incipit
20ra Non dici factum quod non durat factum …
Explicit
20va … scilicet delegata ordinaria et prorogata.

11) 21r–193r Digitalisat

Titel
Lectura super quarto libro decretalium.
Angaben zum Text
(21r–23r) Vorrede; (23r–57v) 4.1.1–4.1.27; (58r–60v) 4.2.2–4.2.4; (61r–61v) 4.2.1; (62r–63r) 4.1.31–4.1.32; (63v–64r) leer; (64v) Nachtrag zu 4.1.32; (65r–67v) 4.1.28–4.1.30; (68r–80v) 4.2.5–4.2.14; (80v–84v) Titulus 3; (84v–88r) Titulus 4; (88r–95v) Titulus 5; (95v–102v) Titulus 6; (102v–109r) Titulus 7; (109v–111v) Titulus 8; (111v–115r) Titulus 9; (115r–116r) Titulus 10; (116r–123v) Titulus 11; (123v–125r) Titulus 12; (125r–134v) Titulus 13; (134v–143v) Titulus 14; (143v–152v) Titulus 15; (152v–155r) Titulus 16; (155r–171r) Titulus 17; (171r–176v) Titulus 18; (176v–184v) Titulus 19; (184v–191r) Titulus 20; (191r–193r) Titulus 21.
Rubrik
21r ›Lectura quarti‹.
Incipit
21r Hvjus libri continuacio ad precedentes colligitur supra in prohemio …
Explicit
193r … Et sic est finis quarti libri decretalium auxiliante domino nostro Ihesu Christo cui sit honor et gloria in […] secula seculorum. Amen. Ach wat was ik des vro dat ik saeff finito libro anno domini mocccco33 in vigilia sancti Francisci.

12) 193v Digitalisat

Titel
Verhaltensregeln während des Interdikts.
Angaben zum Text
Parallelüberlieferung womöglich in Berlin, SB, Ms. Magdeb. 192, 313r–314r (Die Manuscripta Magdeburgica der Staatsbibliothek zu Berlin Preussischer Kulturbesitz, Bd. 3, Ms. Magdeb. 170–286, beschr. von Ursula Winter und Kurt Heydeck, Wiesbaden 2008 [Kataloge der Handschriftenabteilung, Reihe 1, Handschriften 4], S. 100).
Rubrik
193v ›Nota quod tempore interdicti subscripta sunt prohibita‹.
Incipit
193v Primo licet matrimonium potest contrahi tempore interdicti tamen contrahens videlicet sponsa precipue non debet in ecclesiam introduci per presbyterum ut est moris …
Explicit
193v … sicut in vesperis completorium debet cantari cum vesperis.

13) 194r–197r Digitalisat

Titel
Über Verstöße gegen das Kanonische Recht, Amtsenthebung und Kirchenbann.
Incipit
194r Vjdendum est de materia irregularitatis, suspensionis et interdicti primo premitto distinccionem irregularitatis …
Explicit
197r … Et dicitur quod sic de hac in c. Si laycus de jure patronatus libero vjoin verbo semestre.

14) 197v–202v Digitalisat

Titel
Register von Rechtssätzen.
Angaben zum Text
Als Redewendungen formuliert, in alphabetischer Anordnung, zuerst S-V, darauf A-S. – 203r–203v Fragment eines grammatikalischen Traktats als Makulatur (ehemals Hinterspiegel).
Incipit
197v Simplici assercioni standum est in Cum olim, De dolo et contumacia et in c. Inter R de electione …
Explicit
202v … quod qui suspensus est in vna ecclesia uel interdictus in omnibus ecclesijs intelligitur interdictus ut in causa quasquas iii[… Textverlust].

15) 203r–203v Digitalisat

Titel
Fragment eines grammatikalischen Traktats als Makulatur (ehemals Hinterspiegel).


Bearbeitet von
Dr. Thorsten Huthwelker, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2024.


Zitierempfehlung:


Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 667. Beschreibung von: Dr. Thorsten Huthwelker (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2024.


Katalogisierungsrichtlinien
Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.