Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 687

Sammelhandschrift zum Prozessrecht

Pergament · 3, 131, 3 Bll. · 21 × 14,5 cm · Frankreich · 1. Hälfte 14. Jh.


Schlagwörter (GND)
Kanonisches Recht / Römisches Recht / Prozessrecht / Kanonischer Prozess / Vorlesung / Rechtsfall.
Entstehungsort
Frankreich.
Entstehungszeit
1. Hälfte 14. Jh.
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Pergament.
Umfang
3, 131, 3 Bll.
Format (Blattgröße)
21 × 14,5 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
(II-1)3a + 7 IV56 + (V-1)65 + IV73 + 4 VI121 + V131* + (II-1)134*. Vorderspiegel Gegenbl. von 3a, Hinterspiegel Gegenbl. von 132*.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
Römische Foliierung des 17. Jhs. (1–130). Bei ungez. Bll. folgt die Zählung dem Digitalisat (1a–3a, 131*–134*). Durchgängig verzierte Reklamanten auf der letzten Versoseite der Lage auf dem Fußsteg rechts (fehlt auf 65v). Ab 67r Lagenfoliierung in Minuskeln.
Zustand
Pergament teilweise gebräunt. Zahlreiche Flecken und Benutzungsspuren, Schrift leicht verblasst. 1r relativ stark abgenutzt, mit zahlreichen Flecken, abgeriebener Farbe und verblichener Tinte. Auf den ersten Bll. leichter Wasserschaden an oberer Ecke des Seitenstegs. 8, 16, 101 Teile des Bls. abgeschnitten.

Schriftraum
16,2 × 11 cm.
Spaltenanzahl
2 Spalten.
Zeilenanzahl
37–41 Zeilen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Der gesamte Codex wurde von einer Hand ausgeführt, mit Ausnahme von 64ra–65vb, was von einer zeitgenössisch arbeitenden Hand in Textualis geschrieben wurde. Die vom Hauptschreiber verwendete Textualis nähert sich den Kursiven an, so sind zahlreiche Ligaturen, hin und wieder auch Schleifen an den Oberlängen, sichtbar. Überhaupt ist der Duktus relativ rund, ohne dass die Schrift sich als Rotunda zu erkennen geben würde, vielmehr ist ihr ein dezidiert senkrechter Charakter zu eigen. In den ersten Zeilen finden sich mitunter Litterae elongatae.
Buchgestaltung
Schriftraum mit Metallstift vorgezogen (64r–65v vorgezogenes Zeilengerüst). Bis 63ra Rubriken im Fließtext. Im gesamten Codex alternierend blaue und rote Lombarden über zwei bis drei Zeilen (bis 65vb mit grafischer Verzierung in Gegenfarbe), wie auch blaue und rote Paragrafenzeichen. Angaben für Rubrikator selten noch vorhanden.
Buchschmuck
Auf 1ra blau-gold gespaltene Fleuronnéinitiale mit blau-rotem Fleuronnébesatz mit Froschlaichmotiv und ablaufendem Fleuronnéstab. Das Fleuronné wird auf dieser Seite noch einmal bei einer Lombarde auf 1rb aufgegriffen, verliert sich dann aber wieder, um auf 109va noch einmal zu erscheinen. Auf 66ra historisierte Initiale, im purpurfarbenen Binnenfeld kniet ein in Grün gehüllter Mann vor der in Rosa mit einem blauen Mantel gekleideten und rot bekrönten Muttergottes, das rot angetane Jesuskind auf dem Schoß, welches die Hand zum Segensgestus erhoben hat. Umgeben ist die Szene vom Buchstabenkörper in Blau, Gold und Rosa, der sich über den gesamten Bundsteg erstreckt und auf dem Fußsteg ausläuft, worauf sich ein hetzender Hase befindet, gefolgt von einem Windhund, beide symmetrisch um einen Baum angeordnet. Auf dem Kopfsteg Bordürenstab mit Drachenkopf (s. auch die Bildbeschreibung in heidICON).

Nachträge und Benutzungsspuren
Fast ausschließlich und dennoch selten Korrekturen des Hauptschreibers auf den Rändern. Ansonsten kaum Anmerkungen und Verweise von anderen Händen. Wenige grafische Verweiszeichen in Form von Zeigehänden. 73v groteske Figur, 118rb Lilienverzierung der Initialen mit Metallstift.

Einband
Römischer Einband, Pappe mit weißem Pergament überzogen, in Rom um 1780 gefertigt (Schunke, Einbände 2.2, S. 848), Löcher für Schließbänder noch vorhanden. Gelb-kupferfarbenes Kapital. Auf Rücken zwei blaue aufgeklebte Schildchen mit aktueller Signatur, dazwischen Rückentitel: Ægidij Summa, Brixiensis Quæstiones dominicales, darunter in Blau: Pal.
Provenienz
Zisterzienserkloster Schönau / Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
Blaues Signaturschildchen auf Vorderspiegel. Auf 1ar neben aktueller Signatur Altsignatur 634 [durchgestrichen]. Auf 1r Capsa-Nummer C. 64., darunter Allacci-Signatur 1689. [durchgestrichen]. Auf 1r Altsignatur 433 und 1999 [durchgestrichen]. Auf 1r von Hand des 17. Jhs.: Ordo judiciarius domini Egidij de Foscarijs. Die Hs. dürfte in der ersten Hälfte des 14. Jhs. in Frankreich entstanden sein. Geschrieben wurde der Großteil der Texte von einem gewissen Heinricus, wie wir auf 130v erfahren: Qui me [scri]bebat Heinricus nomen habebat, qui benedictus sit in secula seculorum. Amen. Ebendort ist auch ein Besitzer genannt, nämlich das unweit Heidelberg gelegene Zisterzienserkloster Schönau (ebenso auf 1r und 65v in leichten Abwandlungen): Et liber iste est Marie virginis in Schonagia Cisterciensis Wormaciensis diocesis. Der Schrift des Eintrags nach fand der Codex wohl im Jh. seiner Entstehung bereits den Weg in die Abtei im Odenwald. Mit deren Aufhebung während der Reformation ging die Hs. wahrscheinlich in die Bibliothek Kurfürst Ottheinrichs über.

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_lat_687
Literatur
Bertram, Kanonisten, S. 547; Der Ordo iudiciarius des Aegidius de Fuscarariis, hrsg. von Ludwig Wahrmund (Quellen zur Geschichte des römisch-kanonischen Processes im Mittelalter 3, 1), Innsbruck 1916 (ND Aalen 1962), S. XIX; Gugumus, Erforschung, S. 139; Krämer, Handschriftenerbe 1.2, S. 715; Manuscripta juridica, Pal.lat.687; OVL, Pal.lat.687; Stanislav Petr, Quaestiones dominicales et veneriales Bartoloměje z Brescie v rukopise knihovny piaristické koleje v Přiboře, in: Studie o Rukopisech 34 (2001), S. 169–213, hier S. 174; Schunke, Einbände 2.2, S. 848; Stevenson, Latini, S. 246.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

1) 1ra–63va Digitalisat

Verfasser
Egidio Foscarari (GND-Nr.: 102418454).
Titel
Ordo iudiciarius.
Rubrik
1ra ›Jncipit Ordo iudicarius editus per dominum Egidium doctorem decretorum, secundum consuetudinem Bononiensem in foro ecclesiastico approbatam‹.
Incipit
1ra ›Jnnomine domini nostri Ihesu Christi. Ego Egidius de Foscararijs, ciuis Bononie, doctor decretorum licet indignus …
Explicit
63va … ad laudem et gloriam trinitatis, cui sit honor et gloria in secula seculorum. Amen.Explicit Summa Egidii et cetera‹.
Edition
Der Ordo iudiciarius, hrsg. von Wahrmund, S. 1–270.

2) 64ra–65vb Digitalisat

Titel
Auszüge aus der Summa minorum des Adenulf von Anagni.
Incipit
64ra Prior sancti Iuliani Parisiensis unicus iudex a domino papa delegatus …
Explicit
65vb … et eciam nos minores debemus recurrere illuc ad inueniendum materiam super formacione libellorum et cetera [es folgt Rasur].
Edition
Quellen zur Geschichte des römisch-kanonischen Processes im Mittelalter. Bd. 1, Heft 2, Die Summa minorum des magister Arnulphus, hrsg. von Ludwig Wahrmund, Innsbruck 1905 (ND Aalen 1962), S. 9–20.

3) 66ra–130va Digitalisat

Verfasser
Bartholomäus von Brescia (GND-Nr.: 100937365).
Titel
Quaestiones dominicales et veneriales.
Angaben zum Text
Vom Autor selbst als ‚Brevis summula quaestionum dominicalium et brevior veneralium‘ bezeichnet. Ein Verzeichnis der Quaestionen mit Incipits, wobei auch vorliegende Hs. für den kritischen Apparat kollationiert wurde, bietet Petr, Quaestiones, S. 177–205: (66ra–109va) Quaestiones dominicales; (109va–130va) Quaestiones veneriales. – 130v Verse über die Teilnahme des Papstes an Disputationen, über die sieben Sakramente sowie Notizen über die Aufteilung des Liber decretorum.
Incipit
66ra ›Adhonorem omnipotentis domini et ecclesie Romane cui presidet Gregorius. IX. et ad utilitatem Bononie et alibi studencium, ego Bartholomeus Brixiensis, inter scolares minimus …
Explicit
130va … Sed certe contrarium uidetur per iura in prima parte allegata. ›Expliciunt questiones magistri Bartholomei Brixiensis‹.
Edition
Quaestiones iuris variae ac selectae, Lyon 1572, S. 89–164.


Bearbeitet von
Dr. Thorsten Huthwelker, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2024.


Zitierempfehlung:


Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 687. Beschreibung von: Dr. Thorsten Huthwelker (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2024.


Katalogisierungsrichtlinien
Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.