Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 701,1

Zusammengesetzte Handschrift

Papier · 3, 216, 1 Bll. · 30 × 21,5 cm · Süddeutschland (?) / Italien (?) / Heidelberg (?) · 1460er Jahre / um 1419


Schlagwörter (GND)
Beichte / Traktat / Predigt / De civitate dei / Formularsammlung / Urkunde / Königsurkunde / Papsturkunde.
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Papier.
Umfang
3, 216, 1 Bll.
Format (Blattgröße)
30 × 21,5 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
Hs. aus 3 Faszikeln zusammengesetzt (I. Bll. 1–120; II. Bll. 121–179; III. Bll. 180–215). (II-1)C + … + (I-1)216*. Vorderspiegel Gegenbl. von C, Hinterspiegel Gegenbl. von 216*. Zählfehler: auf 132 folgt 132a.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
Römische Foliierung des 17. Jhs. (1–215). Vorsatzbll. teilweise gez. (1 und C), Nachsatzbl. ungez. Bei ungez. Bll. folgt die Zählung dem Digitalisat (1a, 216*). Keinerlei Reklamanten oder Lagenzählung.
Zustand
Bll. teilweise gebräunt, teilweise stockfleckig. C-6 leichter Wasserschaden, zwischen 152v und 153r, 205v und 206r möglicherweise Schimmel, einige Flecken. Auf 1v Papier als Randverstärkung aufgeklebt, zahlreiche nachträgliche Falzverstärkungen aus Papier, 29r, 29v mit Klebeband restauriert.


Einband
Pappe mit weißem Pergament überzogen, auf Rücken rotes Schild und blaues aufgeklebtes Schildchen mit aktueller Signatur, ein geprägtes P. I, handgeschrieben: I, sowie Wappenstempel in Gold von Papst Pius IX. sowie Kardinal und Bibliothekar Jean-Baptiste Pitra (1812–1889). Angefertigt in Rom zwischen 1869 und 1878 (Schunke, Einbände 2.2, S. 848). Blau-schwarz-purpurfarbenes Kapital.
Provenienz
Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
Auf Vorderspiegel blaues Schildchen mit aktueller Signatur. Auf 1r aktuelle Signatur nebst Altsignatur 592 [durchgestrichen], auf Cr Capsa-Nummer C. 63., darunter Allacci-Signatur 1845 [durchgestrichen], ferner aktuelle Signatur und Altsignatur 594. Die Hs. besteht aus drei Faszikeln, wobei ein Teil des dritten Faszikels zwischen 1869 und 1878 als eigener, zweiter Band gebunden wurde (s. Pal. lat. 701 [Band 2]). Während die ersten beiden Faszikel wahrscheinlich in den 1460er Jahren entstanden, wurden die Texte des dritten Faszikels wohl um 1419 kopiert. Hermann Heimpel hat die Überlegung ins Spiel gebracht, ob Ludwig von Ast (um 1400–1455) die beiden Handschriftenteile verbunden haben könnte (Heimpel, Kanzlei, S. 130f.). Da der erste Teil allerdings nach dem Tod des Heidelberger Juristen und Bischofs von Worms entstanden sein dürfte, scheidet er dafür aus.

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_lat_701_1
Literatur
Hermann Heimpel, Aus der Kanzlei Kaiser Sigismunds (über den Cod. Pal. Lat. 701 der Vatikanischen Bibliothek), in: Archiv für Urkundenforschung 12 (1932), S. 111–180; OVL, Pal.lat.701; Petr, Soupis, S. 293–306; Schunke, Einbände 2.2, S. 848; Stevenson, Latini, S. 249f. (zur Formularsammlung 180r–215v s. Pal. lat. 701 [Band 2]).
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

Faszikel I (Bl. 1–120)

Sachtitel / Inhalt
Astesanus von Asti, Summa de casibus conscientiae.
Entstehungsort
Süddeutschland (?).
Entstehungszeit
1460er Jahre.
Typus (Überlieferungsform)
Faszikel.
Beschreibstoff
Papier.
Umfang
120 Bll.
Format (Blattgröße)
30 × 21,5 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
10 VI120 .
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
s. zum Codex.
Wasserzeichen
Dreiberg, darüber zweikonturige Stange mit einfachem lateinischen Kreuz, laut WZIS annähernd identisch mit Wzz. von Papieren, die 1462 in Göttingen (DE3285-PO-151534) und Braunschweig (DE1335-PO-151592) verwendet wurden.

Schriftraum
24 × 15 cm.
Spaltenanzahl
2 Spalten.
Zeilenanzahl
38–51 Zeilen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
1ra–108rb wurde von einer Hand in einer relativ flüchtig ausgeführten Bastarda geschrieben, bei der gleichwohl immer wieder die Schlaufen an den Oberlängen von b, d, h und l weggelassen wurden. Dasselbe lässt sich für die zweite Hand konstatieren, die den Faszikel vollendete.
Buchgestaltung
Von 1v–108r jeweiliges Buch und jeweiliger Titel abgekürzt als Seitentitel in Rot. Büchern Initiale im profilierten Rahmen vorangestellt, mit Blattapplikation und ablaufender Akanthusranke. Tituli mit Rubrik und darauffolgender roter Lombarde eingeleitet (109r–120v nicht ausgeführt). Weitere Unterteilungen anhand von roten Paragrafenzeichen und Strichelungen, Hervorhebungen durch rote Unterstreichungen. Inhaltsverzeichnis des ersten Buchs auf 109r mit grüner Fleuronnélombarde eingeführt.
Buchschmuck
s. Buchgestaltung.

Nachträge und Benutzungsspuren
Lediglich wenige Korrekturen, wohl von jener Hand, die auch den Text schrieb.

Provenienz
Heidelberg.
Geschichte des Faszikels
Auf 1r von Hand des 17. Jhs.: Summa diuersorum casuum fratris Astexani de ciuitate Astensi cum alijs varijs tractatibus. Buchschmuck und Wzz. lassen an eine Entstehung der Hs. in den 1460er Jahren denken. Obwohl die Wzz. nach Niedersachsen verweisen, spricht der Buchschmuck eher für eine Entstehung in Süddeutschland (so die dankenswerterweise vorgenommene Einschätzung von Dr. Margit Krenn, s. auch heidICON).

1) 1ra–120vb Digitalisat

Verfasser
Astesanus von Asti (GND-Nr.: 100969763).
Titel
Summa de casibus conscientiae.
Angaben zum Text
Endet in Buch 2, Titulus 9, Articulus 2: (1ra–2rb) Vorrede; (2rb–2vb) Inhaltsverzeichnis von Buch 1; (2vb–109rb) Buch 1; (109rb–109vb) Inhaltsverzeichnis von Buch 1; (109vb–120vb) Buch 2 (Text bricht ab).
Rubrik
1ra ›Ad super benedicte trinitatis patris et filij et spiritus sancti precipuum laudis preconium gloriose virginis Marie beati Francisci et tocius curie triumphantis gloriam et honorem ad edificacionem ecclesie dei militantis signantis studiosorum, religiosorum ordinis fratrum Minorum summa perutilis diuersorum casuum per venerabilem valde virum fratrem Astexanus de ciuitate Astensi est compilata‹.
Incipit
1ra ›Reuerendoin Cristo patri et domino domino Johanni Gaytano …
Explicit
120vb … cum ordinent ad diuersa ut visum est et huius sentencie fuerunt Tho. Rich. secundum… [Text bricht ab].
Edition
Summa Astensis […], Bd. 1, Rom 1728, S. 1–174.

Faszikel II (Bl. 121–179)

Sachtitel / Inhalt
Theologische Schriften und Predigten.
Entstehungsort
Italien (?).
Entstehungszeit
1460er Jahre.
Typus (Überlieferungsform)
Faszikel.
Beschreibstoff
Papier.
Umfang
Bll. 121–179.
Format (Blattgröße)
30 × 21,5 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
6 V179.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
s. zum Codex.
Wasserzeichen
Wahrscheinlich ein Greif, der allerdings kaum zu erkennen ist, weshalb ein genauer Abgleich mit anderen Wzz. schwierig ist. Allerdings kommen vom Typus ähnliche Wzz. bei Papieren vor, die in den 1460er Jahren in Ober- und Mittelitalien verwendet wurden. Zwischen 162 und 166 Dreiberg mit Kreuz an einkonturiger Stange, laut WZIS annähernd identisch mit Wzz. von Papieren, die im 15. Jh. in Italien Verwendung fanden (DE4860-Ms1179_160).

Schriftraum
24 × 15 cm.
Spaltenanzahl
2 Spalten.
Zeilenanzahl
45–55 Zeilen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Mehrere Hände schrieben die Texte in schleifenlosen Bastarden, wobei sich die jeweilige Bastarda bei einer Hand der Textura annähert, bei anderer Hand Elemente humanistischer Schriften aufweist.
Buchgestaltung
Zeilengerüst mit Metallstift vorgezogen. Zu Beginn eines jeden Abschnitts rote Lombarde, teils mit Aussparungen, teils mit Fleuronné verziert. Ferner Rubriken, rote Paragrafenzeichen, Strichelungen oder Unterstreichungen zur Strukturierung des Texts.
Buchschmuck
s. Buchgestaltung.

Nachträge und Benutzungsspuren
Wenige Korrekturen und Anmerkungen von mehreren Händen. Wenige grafische Verweiszeichen.

Provenienz
Heidelberg.
Geschichte des Faszikels
Auf 121r von Hand des 17. Jhs.: ἀνόνυμος de praedicando et cetera. Die Wzz. und auch die in das Textkorpus aufgenommene Predigt des Roberto Caracciolo sprechen für eine Entstehung des Faszikels in Italien.

2) 121ra–131va Digitalisat

Titel
Traktat über das Predigen.
Angaben zum Text
132r–132ar leeres Zeilengerüst.
Rubrik
121ra ›Qualiter debet predicarj et qualiter audirj et de fructibus audiencium‹.
Incipit
121ra ›Declaracioseruorum tuorum illuminat et intellectum dat paruulis ps. Inter cetera caritatis officia …
Explicit
131va … quod erat causa tanti fletus.

3) 132ava–135va Digitalisat

Verfasser
Roberto Caracciolo (GND-Nr.: 10093885X).
Titel
Sermo de spe bona.
Incipit
132ava ›Gwstate et videte quoniam suauis est dominus beatus vir, qui sperat in eo‹, Ps 31. Statuerunt multi errore ceco ducti nihil autem querere …
Explicit
135va … qui est benedictus in secula seculorum.Amen‹.
Edition
Der Text liegt in keiner modernen Editon vor, erschien aber bereits 1479 als Wiegendruck (GW 6039–6044).

4) 135va–169vb Digitalisat

Verfasser
François de Meyronnes (GND-Nr.: 118692488).
Titel
Flores ex libro Augustini ‚De civitate dei‘.
Angaben zum Text
(135v–167rb) Text; (167rb–169vb) Register. S. Stegmüller, RB, Nr. 2319; Heribert Roßmann, Die Quodlibeta und verschiedene sonstige Schriften des Franz von Meyronnes, in: Franziskanische Studien 54 (1972), 1–76, hier S. 49 A. 138; Bartholomäus Roth, Franz von Mayronis O.F.M. Sein Leben, seine Werke, seine Lehre vom Formalunterschied in Gott, Werl 1936 (Franziskanische Forschungen 3), S. 163.
Rubrik
135va ›Jncipit quedam veritates cum dubijs et questionibus incidentalibus super libro beati Augustini de ciuitate dei multum vtiles ad intelligendum prefatum librum, edite a venerabili patre magistro Francisco de Maiaronis ordinis Minorum‹.
Incipit
135vb ›Inprimo libro prima veritas est ista, quod illa disciplina que a tenerum annis est inbuta est magis diuturna …
Explicit
167rb … ubi sic concludit vacabimus, vedebimus, amabimus et laudabimus. Amen.Expliciunt veritates omnium librorum Augustini de civitate dei et cetera‹.
Edition
Der Text liegt in keiner modernen Edition vor, erschien aber bereits um 1475 als Wiegendruck (GW M22439, M22446).

5) 170ra–174rb Digitalisat

Titel
Predigt über die Barmherzigkeit Gottes.
Rubrik
170ra ›De misericordia dei‹.
Incipit
170ra Reuertere, reuertere sonamitis reuertere, ut intueamur te, Can. 60. Superat omnem sermonem [durchgestrichen: altido] altitudo clemencie dej …
Explicit
174rb … et uobis concedat per in sancta secula seculorum. Amen. Ad honorem Philippi et cetera.

6) 174rb–178va Digitalisat

Titel
Predigt über die Seele.
Rubrik
174rb ›Predicacio de anima‹.
Incipit
174rb ›Qvidprodest homini si totum vniuersum mundum lucretur anime uero sue detrimentum paciatur, Mt. 16. Miserabiles uocari possunt, qui sponte et sua malicia rationalem animam cognoscere nolunt …
Explicit
178va … in qua anime sancte viuunt cum angelis uidentes faciem dei in perpetuum. Amen. [Von anderer Hand nachgetragen:] Deo.

7) 178va–179ra Digitalisat

Titel
Predigt über die Bestrafung wegen Mordes.
Rubrik
178va ›De pena homicidij‹.
Incipit
178va Licet quidem omnibus homicidijs una sit temporalis pena communis …
Explicit
179ra … maledictione eripiat nos deus qui cum patre et spiritu sancto viuit et regnat in seculorum secula. Amen. [Von anderer Hand: Deo].

8) 179ra Digitalisat

Titel
Predigt über die selige Jungfrau Maria.
Angaben zum Text
179v leeres Zeilengerüst.
Rubrik
179ra ›Sermo de beata virgine et cetera‹.
Incipit
179ra Miraculum virginis Marie de citacione finalis tube ad iudicium …
Explicit
179rb … uixi per animam et cetera.

Faszikel III (Bl. 180–215)

Sachtitel / Inhalt
Formularsammlung.
Entstehungsort
Heidelberg (?).
Entstehungszeit
um 1419.
Typus (Überlieferungsform)
Faszikel.
Beschreibstoff
Papier.
Umfang
35 Bll.
Format (Blattgröße)
30 × 21,5 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
3 VI215.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
s. zum Codex.
Wasserzeichen
Frei hängende Glocke, Glockenkörper mit Schulter, Glockenmund zweikonturig, drei Glockenhenkel, laut WZIS große Ähnlichkeit mit Wzz. von Bll., die 1416 und 1417 in Aschaffenburg und Mergentheim Verwendung fanden (DE6405-PO-40026, DE4620-PO-40025).

Schriftraum
24 × 15 cm.
Spaltenanzahl
1 Spalte.
Zeilenanzahl
32–34 Zeilen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Der Faszikel wurde von einer Hand in einer gut lesbaren Kanzleibastarda geschrieben.
Buchgestaltung
Schriftraum mit Metallstift vorgezogen. Einzelne Urkunden und Briefe mit freiem Raum von ein bis ca. zwei Zeilen voneinander abgetrennt. Neuer Textabschnitt beginnt mit Initialmajuskel.
Buchschmuck
s. Buchgestaltung.

Nachträge und Benutzungsspuren
Kopfregesten, wenige Korrekturen und Anmerkungen von anderer Hand in zeitgenössischer Kanzleibastarda. Wenige grafische Verweiszeichen.

Geschichte des Faszikels
Auf 180r von Hand des 17. Jhs.: Liber formularum contractum et aliarum rerum. Faszikel durch Neubindung der einstmals zusammengehörenden 701 (Band 1) und 701 (Band 2) geteilt. Die Wzz. sprechen für eine Entstehung des Faszikels um 1416/1417, allerdings datiert die jüngste kopierte Urkunde aus dem dazugehörigen zweiten Teil (s. Pal. lat. 701,2) aus dem Jahr 1419, was sich in etwa mit der Einschätzung von Hermann Heimpel deckt, der die Vollendung jenes Teils vor 1424 ansetzte (Heimpel, Kanzlei, S. 118). Aufgrund der Auswahl der kopierten Briefe und Urkunden, dürften diese in der kurpfälzischen Kanzlei abgeschrieben worden sein. 1581 befand sich die Formelsammlung womöglich in der Heiliggeistkirche, im Katalog aus diesem Jahr findet sich zumindest ein passender Eintrag: Liber formularum contractum, in folio, geschrieben papir, bretter, schwartz leder, bucklen (Pal. lat. 1945, 9).

9) 180r–215v Digitalisat

Titel
Formularsammlung.
Angaben zum Text
Ausführlicher beschrieben bei Petr, Soupis, S. 297–306.
Rubrik
180r ›Qualiter cuidam conceditur honor et tytulus doctoratus et tribuitur sibi facultas kathedram doctoratus ascendendi‹.
Incipit
180r Sigismundus dei gracia Romanorum rex semper Augustus …
Explicit
215v … Gregorij duodecimi [Text bricht ab].
Edition
s. die Beschreibung von Petr, Soupis, S. 297–306.


Bearbeitet von
Dr. Thorsten Huthwelker, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2024.


Zitierempfehlung:


Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 701,1. Beschreibung von: Dr. Thorsten Huthwelker (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2024.


Katalogisierungsrichtlinien
Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.