Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 704

Kanonistische Sammelhandschrift

Pergament · 4, 262, 3 Bll. · 30,2 × 20,5 cm · Mittel- / Westeuropa · Mitte 14. Jh.


Schlagwörter (GND)
Bußpraxis / Handbuch / Kanonisches Recht / Eherecht / Glosse / Interdikt.
Entstehungsort
Mittel- / Westeuropa.
Entstehungszeit
Mitte 14. Jh.
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Pergament.
Umfang
4, 262, 3 Bll.
Format (Blattgröße)
30,2 × 20,5 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
(II-1)3a + 14a + II3 + VI15 + I17 + 15 VI197 + (V-2)205 + 4 VI253 + IV261 + (II-1)264*. Vorderspiegel Gegenbl. von 3a, Hinterspiegel Gegenbl. von 262*.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
Römische Foliierung des 17. Jhs. (1–261). Vorsatzbll., Nachsatzbll. und erstes Bl. der ersten Lage ungez., weshalb in dieser Beschreibung Zählung der Digitalisate übernommen wird (1a–5a, 262*–264*). Durchgehend Reklamanten auf der letzten Versoseite der Lage auf dem Fußsteg rechts, teilweise durch Beschnitt beeinträchtigt, Reklamant fehlt auf 253v. Offenbar Lagen nach 161v und 197v verloren gegangen. Selten Lagenfoliierung auf den Rectoseiten auf dem Fußsteg mittig in roten Minuskelbuchstaben zu erkennen, z.B. zwischen 186r und 191r.
Zustand
Einige Flecken, dennoch im Wesentlichen gut erhalten. Wenige geflickte Risse oder Löcher. Ungeflickte Löcher in 5a. Riss auf 112 mit angefasertem Papier restauriert.

Schriftraum
19,9 × 14 cm.
Spaltenanzahl
2 Spalten (1r–3v, 250r–261r: 1 Spalte).
Zeilenanzahl
Legaltext: 6–40 Zeilen; Klammerglosse: 6–40 Zeilen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Alle hier versammelten Texte wurden in einer Textualis geschrieben. Auffallend an der Hand, die den Haupttext niederschrieb, ist die teils knapp oberhalb der Zeile, teils auf der Zeile angesetzte gedachte Grundlinie. Von anderer Hand und kalligraphisch nicht ganz so elaboriert ist der nachgetragene Text, in dem r, f und s eine Tendenz zur Unterlänge aufzeigen, wobei auch das einstöckige a und Ligaturen Verwendung finden, wodurch bereits eine gewisse Nähe zur gotischen Kursive gegeben ist.
Buchgestaltung
Zeilengerüst mit Metallstift, teilweise auch mit Tinte vorgezogen. Legaltext von Glosse in Klammerform umschlossen. Als Seitentitel auf der Versoseite ein rotes L als Abkürzung für ‚Liber‘, auf der Rectoseite die Zahl des entsprechenden Buches, ebenfalls als Seitentitel in Rot. Ziffern der Tituli nachgetragen. Jedes Buch und jeder Titulus beginnt mit reich verzierten blauen und roten Lombarden mit Fleuronné in Gegenfarbe, teils mit Aussparungen, teils mit ablaufenden Leisten. Rote Zwischenüberschriften, alternierend blaue und rote Paragrafenzeichen, rote Strichelungen. Verweise zwischen Legaltext und Glosse anhand von roten Unterstreichungen. Bearbeitung des ‚De modo observandi interdictum‘ kommt alleine mit roten Lombarden und Paragrafenzeichen aus.
Buchschmuck
s. Buchgestaltung.

Nachträge und Benutzungsspuren
Anmerkungen, Korrekturen und Verweise von mehreren Händen in unterschiedlichen Schriften. Manche Anmerkungen teilweise stark verblasst, manche durch Beschnitt teilweise verloren gegangen. Zahlreiche grafische Verweiszeichen. Bearbeitung des ‚De modo observandi interdictum‘ nachträglich angefügt.

Einband
Römischer Einband, Pappe mit weißem Pergament überzogen, in Rom um 1780 gefertigt (Schunke, Einbände 2.2, S. 848), Löcher für Schließbänder noch vorhanden. Gelb-kupferfarbenes Kapital. Auf dem an Kopf und Schwanz von Wurmfraß befallenen Buchrücken zwei blaue aufgeklebte Schildchen mit aktueller Signatur, dazwischen aktuelle Signatur und Rückentitel: Raymundi summa.
Provenienz
Servitenkloster Germersheim / Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
Eingeklebtes blaues Schildchen auf Vorderspiegel. Auf 1ar aktuelle Signatur nebst Altsignatur 357 [durchgestrichen], auf 4ar Capsa-Nummer C. 75. [durchgestrichen] und Altsignaturen 1889 und 472 [beide durchgestrichen]. Wo der Haupttext, die ‚Summa de poenitentia et matrimonio‘ des Raimund von Peñafort, entstanden ist, lässt sich nicht eindeutig entscheiden. Sicher ist, dass – wahrscheinlich nur wenig später – die Bearbeitung des ‚De modo observandi interdictum‘ nachgetragen wurde. Im Zuge einer zeitnahen Neubindung müssen die Lagen durcheinandergeraten sein, wie der Nachtrag auf 1r gleich zu Beginn des Textes suggeriert: altera pars in fine libri, wie auch jener am Ende des Textblocks auf 261r: quere in principio libri. Dabei dürften mehrere Lagen verloren gegangen sein, die heute im Lagenverbund fehlen. Später muss die Hs. nach Germersheim gelangt sein, wie der Eintrag aus dem 16. Jh. auf 1r ausweist: Ad bibliothecam ecclesie In Germersheym pertinet hic liber. Im Zuge der Reformation und der in der Kurpfalz damit einhergehenden Säkularisation des Kirchenguts wurde die Hs. wohl aus dem Germersheimer Servitenkloster in eine der Heidelberger Bibliotheken verbracht.

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_lat_704
Literatur
OVL, Pal.lat.704; Schunke, Einbände 2.2, S. 848; Stevenson, Latini, S. 251; Rudolf Weigand, Zur Lehre von der Dispensmöglichkeit des Gelübdes in den Pönitentialsummen, in: AfkKR 147 (1978), S. 7–34, hier S. 31.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

1) 1r–3v Digitalisat

Beteiligte Personen
Johannes Andreae (GND-Nr.: 119244071).
Titel
Bearbeitung des ‚De modo observandi interdictum‘ von Johannes Andreae.
Angaben zum Text
Fortsetzung des auf 261r endenden Textes.
Incipit
1r […] iiij proximis casibus ciuitates interdicte et pontificali dignitate priuate
Explicit
3v … quod est de iure naturali.
Edition
Der Text des Werks des Johannes Andreae liegt in keiner modernen Edition vor, erschien aber bereits 1483 als Wiegendruck (GW 1728).

2) 4rav–249vb Digitalisat

Verfasser
Raimund von Peñafort (GND-Nr.: 118787756).
Weitere beteiligte Personen
Guillaume de Rennes (GND-Nr.: 104099208).
Titel
Summa de poenitentia et matrimonio.
Angaben zum Text
(4ra–17rb) Register der Tituli; (17v) leer; (18ra–18vb) Vorrede; (18vb–81ra) Buch 1; (81vb–130ra) Buch 2; (130ra–205ra) Buch 3; (205v) leer; (206ra–249vb) Buch 4.
Rubrik
18r ›Incipit summa magistri Raimundi fratris ordinis Predicatorum‹.
Incipit
18ra ›Quoniam, ut ait Ieronimus‹, secunda post naufragiumtabulaest culpamsimpliciterconfiteri …‹.
Explicit
249vb … super operis imperfeccione veniam postulans a lectore et que corrigenda uiderit et addenda non invidenti animo sed benigno corrigat et emendet. Explicit summa fratris Raimundi de ordine Predicatorum.
Edition
Summa sancti Raymundi de Peniafort Barcinonensis ordinis Praedicatorum de poenitentia et matrimonio cum glossis Ioannis de Friburgo [i.e. Glossen des Wilhelm von Rennes], Rom 1603 (Neudruck Farnborough 1967).

3) 250r–261r Digitalisat

Beteiligte Personen
Johannes Andreae (GND-Nr.: 119244071).
Titel
Bearbeitung des ‚De modo observandi interdictum‘ von Johannes Andreae.
Angaben zum Text
Der Text folgt nur bis 252r dem Werk des Johannes Andreae.
Incipit
250r ›Sciendumquod quando uniuersitas populus ciuitas locus siue terra ecclesiastico supponitur interdicto secundum iura que vigent et uiguerunt, anno domini Mo CCCo Io
Explicit
261r … et in istis… [Text bricht hier ab und wird auf 1r weitergeführt].
Edition
Der Text des Werks des Johannes Andreae liegt in keiner modernen Edition vor, erschien aber bereits 1483 als Wiegendruck (GW 1728).


Bearbeitet von
Dr. Thorsten Huthwelker, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2024.


Zitierempfehlung:


Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 704. Beschreibung von: Dr. Thorsten Huthwelker (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2024.


Katalogisierungsrichtlinien
Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.