Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 711

Kanonistische Sammelhandschrift

Papier · 1, 107, 1 Bll. · 15,3 × 10,5 cm · Italien · 1430er Jahre


Schlagwörter (GND)
Beichte / Buße / Handbuch / Moraltheologie / Laster.
Entstehungsort
Italien.
Entstehungszeit
1430er Jahre.
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Papier / Pergament (33, 38, 39, 44, 45, 50, 51, 56, 57, 62, 63, 68, 73, 74, 79–107*).
Umfang
1, 107, 1 Bll.
Format (Blattgröße)
15,3 × 10,5 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
(I-1)1a + 4 IV32 + 3 VI68 + 3 V98 + (V-1)107* + (I-1)108*. Vorderspiegel Gegenbl. von 1a, Hinterspiegel Gegenbl. von 108*.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
Zeitgenössische Foliierung mit roten arabischen Ziffern (1–32), daraufhin neue Foliierung begonnen (1–48), während die vorhergehende in Rom im 17. Jh. mit schwarzer Tinte fortgeführt wurde (33–102), die allerdings fehlerbehaftet war, weshalb diese mit Blei korrigiert wurde (38–103), nach der sich auch die Digitalisate und die Beschreibung richten. Bei ungez. Bll. folgt die Zählung dem Digitalisat (1a, 108*). Durchgehend meist verzierte Reklamanten auf der letzten Versoseite der Lage auf dem Fußsteg mittig (fehlen auf 32v, 78v).
Zustand
Papier stark gebräunt, zahlreiche Wasserschäden, teilweise stark stockfleckig, mitunter Schrift verblasst, kaum Textverlust. Immer wieder Bll. mit Papier angefasert.
Wasserzeichen
Aufgrund zu geringer Größe nicht aufgenommen.

Schriftraum
9,5 × 7–9,5 cm.
Spaltenanzahl
1 Spalte (1r–1v: 2 Spalten).
Zeilenanzahl
32–43 Zeilen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Die Texte wurden von wahrscheinlich zwei Händen in einer Rotunda geschrieben, die der Semitextualis im Derolezschen Sinn entspricht (Derolez, Palaeography, S. 118–121). Das für die Schrift charakteristische einstöckige a findet sich bei beiden Schreibern, darüber hinaus ein humanistischer Einfluss bei Gestaltung der Schlaufe des g bei einer Hand.
Buchgestaltung
Schriftraum mit Metallstift oder Tinte vorgezogen. Zur Strukturierung des Texts Rubriken innerhalb des Texts oder auf den Rändern, rote Lombarden (Angaben für Rubrikator teilweise noch vorhanden, auf 33r mit Knospenfleuronné im Binnenfeld), rote Paragrafenzeichen und Strichelungen.
Buchschmuck
s. Buchgestaltung.

Nachträge und Benutzungsspuren
Nur wenige grafische Verweiszeichen.

Einband
Pappe mit weißem Pergament überzogen, auf Rücken rotes und blaues aufgeklebtes Schildchen mit aktueller Signatur, oberhalb des roten Schildchens Wappenstempel in Gold von Papst Pius IX. , unterhalb von Kardinal und Bibliothekar Jean-Baptiste Pitra (1812–1889). Angefertigt in Rom zwischen 1869 und 1878 (Schunke, Einbände 2.2, S. 848). Blau-schwarz-purpurfarbenes Kapital.
Provenienz
Augsburg / Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
Eingeklebtes blaues Schildchen auf Vorderspiegel. Auf 1r neben aktueller Signatur Capsa-Nummer C. 133., darunter Allacci-Signatur 506 [?] [beide durchgestrichen], zudem Altsignatur 528 [durchgestrichen]. Wie das Schriftbild und der Text in italienischer Volkssprache suggerieren, dürfte die Hs. in Italien entstanden sein und zwar in den 1430er Jahren, wie der Kolophon auf 30v (Deo gracias. 1433.) und die Kalenderberechnungen auf 102v nahelegen. Dabei wurde in der Mitte der Hs. das Papier mit Pergament verstärkt; in der 5.–7. Lage besteht das erste und letzte Doppelbl. aus Pergament, in der 8. Lage nur das innere Doppelbl. Die 9.–11. Lage ist zur Gänze aus Pergament. Dabei wurde bei den Bll. zwischen 38–68 auf bereits beschriebenes Pergament zurückgegriffen. Unter der Rasur von 38 und 39 tritt eine Schrift, wahrscheinlich aus dem 14. Jh., zutage, auf 44 und 45 ist die Schrift kaum erkennbar, 50, 51, 57, 62, 63 und 68 verweisen wohl in das 12. Jh. wobei auf dem Palimpsest auch Neumen zu erkennen sind. Wenig aufschlussreich ist der Besitzeintrag auf 107*v, der unterhalb eines radierten Besitzeintrags steht: Hic liber est meus qui sum Petrus nomine vocor. Späterhin muss sich die Hs. im Eigentum des Augsburger Büchersammlers Ulrich Fugger (1526–1584) befunden haben, wie die Signatur 403 seors ausweist (nicht erwähnt in Lehmann, Fuggerbibliotheken, Bd. 2, S. 480). Fugger migrierte 1564 nach Heidelberg (s. Einleitung). Gemäß seinem letzten Willen ging sie schließlich nach seinem Tod in das Eigentum des Kurfürsten über.

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_lat_711
Literatur
Pierre Michaud-Quantin, La „Summula in foro poenitentiali“ attribuée à Bérenger Frédol, in: Collectanea Stephan Kuttner, Bd. 1 (=Studia Gratiana 11 [1967]), S. 145–167, hier S. 167; Kaeppeli, Scriptores OP 1, S. 98; OVL,Pal.lat.711; Schunke, Einbände 2.2, S. 848; Stevenson, Latini, S. 254; Amédée Teetaert, Quelques „Summae de paenitentia“ anonymes dans la Bibliothèque Nationale de Paris, in: Miscellanea Giovanni Mercati, Bd. 2, Letteratura medioevale, Vatikanstadt 1946 (Studi e testi 122), S. 311–343, hier S. 342; Sever J. Voicu, Note sui palinsesti conservati nella Biblioteca Apostolica Vaticana, in: Miscellanea Bibliothecae Apostolicae Vaticanae 16 (2009), S. 445–454, hier S. 453.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

1) 1r–30v Digitalisat

Verfasser
Bérenger Frédol d. Ä. (GND-Nr.: 100968961).
Titel
Summula in foro poenitentiali.
Angaben zum Text
Nach der Systematik Mazzantis kommt der Text Typ B am nächsten (Giuseppe Mazzanti, A proposito della Summula in foro poenitentiali di Bérenger Frédol e di due opere sulla confessione attribuite a Giovanni da Legnano e ad Antonio da Budrio, in: Historia et ius – rivista di storia giuridica dell’età medievale e moderna 10 [2016], paper 19): (1r–1v) Inhaltsverzeichnis; (2r–30v) Text.
Incipit
1r ›Qvoniamcirca confessiones pericula animarum et difficultates quandoque emergunt …
Weiteres Initium
2r In primis sacerdos debet interrogare poenitentem utrum sciat pater noster.
Explicit
30v … non potest contrahi matrimonium.Amen. Explicitsumma penitencie.Deo gracias. 1433‹.
Edition
Der Text liegt in keiner modernen Edition vor, erschien aber bereits 1476 als Wiegendruck (GW 5828–5830, hier noch als Werk des Antonio da Budrio angegeben, wenngleich die Autorschaft bereits angezweifelt wird. Der eigentlich von Bérenger Frédol geschaffene Text liegt in zwei unterschiedlichen Versionen vor, weshalb die Druckausgabe vom handschriftlichen Text abweicht. Im GW wird auf die Abweichungen hinsichtlich vorliegender Hs. hingewiesen, mehr dazu bei Mazzanti).

2) 30v Digitalisat

Titel
Merkverse theologischen Inhalts.
Angaben zum Text
31r–32v leeres Zeilengerüst.

3) 33r–79r Digitalisat

Verfasser
Antoninus von Florenz (GND-Nr.: 118897489).
Titel
Confessionale ‚Omnis mortalium cura‘.
Angaben zum Text
Text auf Italienisch, Rubriken auf Latein. – 79v Kurzes Exzerpt von einem Werk des Augustinus von Hippo.
Rubrik
33r ›Christus et Maria‹.
Incipit
33r ›Omnis mortaliumcura quam multiplitium studiorum labor exercet …
Explicit
79r … ma non da poj la detta etta.
Edition
Der Text liegt in keiner modernen Edition vor, erschien aber bereits um 1470 als Wiegendruck (GW 2152–2177).

4) 80r–99r Digitalisat

Verfasser
Antonio da Budrio (GND-Nr.: 100968899).
Titel
Directorium confitendi.
Angaben zum Text
Anfang des Texts fehlt, beginnt im Kapitel ‚De secundo effectu superbie‘.
Incipit
80r … cipaui consulendo, suaden[d]o, fauendo aut cooperando …
Explicit
99r … rogo legentes ut dicant. Miserere mei deus aut pater noster pro remissione innumerabilium peccatorum meorum.Deo gracias. Amen‹.
Edition
Der Text liegt in keiner modernen Edition vor, erschien aber bereits um 1474 als Wiegendruck (GW 5827, 5831).

5) 99v–101v Digitalisat

Verfasser
Antonio da Budrio (GND-Nr.: 100968899).
Titel
Modus confitendi.
Incipit
99v [D]›octrina quomodo confessor debeat docere confitentem …‹.
Explicit
101v … aut in infirmitatibus expendentur.Etsic est finis. ›Deo gracias. Amen. Facto fine pia laudetur virgo Maria‹.
Edition
Der Text liegt in keiner modernen Edition vor, erschien aber bereits um 1474 als Wiegendruck (GW 5827).

6) 102r–102v Digitalisat

Titel
De festivitatibus anni.
Incipit
102r ›Notaquod omnes festiuitates totius anni diuiduntur in tres partes principales …
Explicit
102v … ›defesto trium lectionum secundum mandatum pape Johannis fiant nouem lectiones que festa erantsancte Bibiane, Emerentiane, Scolastice et Romanj‹.
Edition
Marc Dykmans, Le cérémonial papal de la fin du moyen âge à la Renaissance, Bd. 4, Le retour à Rome ou le cérémonial du patriarche Pierre Ameil, Brüssel / Rom 1985 (Bibliothèque de l’Institut historique Belge de Rome 27), S. 272–274.

7) 102v Digitalisat

Titel
Regula ad inveniendum Pascha.
Angaben zum Text
103r Tabelle zur Kalenderberechnung. – 105*r mit Metallstift vorgezeichnete leere Tabelle. – 105*v–107*r leer. – 107*v Notizen. – 108*r–108*v leer.
Rubrik
102v ›Hec est regula ad inueniendum Pascha et cetera‹.
Incipit
102v ›Hecest paschalis tabula in qua enim invenire potes, quo die veniat …
Explicit
102v … ›Etsic procedit usque 19, postea reincipe adj. Etsic usque in infinitum.


Bearbeitet von
Dr. Thorsten Huthwelker, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2024.


Zitierempfehlung:


Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 711. Beschreibung von: Dr. Thorsten Huthwelker (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2024.


Katalogisierungsrichtlinien
Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.