Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 723
Guillaume de Saint-Amour, Collectiones catholicae et canonicae scripturae
Pergament · 3, 169, 3 Bll. · 25 × 17 cm · Frankreich · um 1300
- Schlagwörter (GND)
- Mendikantenstreit / Bettelorden / Innerkirchlicher Konflikt.
- Entstehungsort
- Frankreich.
- Entstehungszeit
- um 1300.
- Typus (Überlieferungsform)
- Codex.
- Beschreibstoff
- Pergament.
- Umfang
- 3, 169, 3 Bll.
- Format (Blattgröße)
- 25 × 17 cm.
- Zusammensetzung (Lagenstruktur)
- (II-1)3a + (IV+I)10 + (VI+1)23 + (IV-2+1)30 + (IV-2+2)38 + (V-1+2)49 + IV57 + (V-1+1)67 + (IV-1)74 + (VI-1+1)86 + (VII-3+1)98 + V108 + 2 IV124 + (IV-1)131 + II135 + (IV-2)141 + 3 IV165 + II169 + (II-1)172*. Die jeweils eingefügten Bll. weisen helleres Pergament auf und sind jünger (2, 9, 17, 26, 31–32, 40, 42, 59, 81, 96, 132–135). Zur Überarbeitung des Textes s. u. zu Text 1, vgl. auch Geschichte der Handschrift. 3a bildet mit dem Vorderspiegel ein Doppelbl. 170* bildet mit dem Hinterspiegel ein Doppelbl.
- Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
- Tintenfoliierung, Rom 17. Jh. (1–169). Die Bezeichnung unfoliierter Bll. folgt dem Digitalisat (1a–3a; 170*–172*). Textreklamanten.
- Zustand
- Die älteren Pergamentseiten mit zahlreichen Fehlern, Löchern und unregelmäßigen Kanten. 1r Rubrik etwas abgerieben. Die letzten Seiten etwas fleckig.
- Schriftraum
- 18 × 11,4 cm.
- Spaltenanzahl
- 1 Spalte.
- Zeilenanzahl
- 32–33 Zeilen.
- Angaben zu Schrift / Schreibern
- Grundstock in Gotischer Minuskel von mindestens drei Händen im Wechsel geschrieben. Auffällig ist die häufige Verwendung des langen End-s. Eine Datierung in das ausgehende 13. oder das beginnende 14. Jh. erscheint wahrscheinlich. Gelegentlich verlängerte Oberlängen in der ersten Zeile der Seite (z. B. 158v, 159r). Die Nachträge in Humanistica cursiva, wohl des früheren 16. Jhs., einer Hand.
- Buchgestaltung
- Schriftraumbegrenzungen und Zeilenlinien in Metallstift. Zeilenraster am Seitenrand durchgenadelt. Rubriziert. Zitate und Belegstellen rot unterstrichen. Satzinitialen rot gestrichelt. Zählung der Distinctiones als laufender Seitentitel in Rot. Zwei- bis dreizeilige rote Lombarden zum Beginn von Textabsätzen (nicht durchgängig ausgeführt).
- Nachträge und Benutzungsspuren
- Hinweise auf Bibelstellen und Autoritäten auf den Seitenrändern, meist in abgekürzter Form, von wenig späterer Hand. Möglicherweise handelt es sich bei dem Exzerpt aus ‚De miseria humanae conditionis‘ (167v–168r) um einen frühen Nachtrag. Umfangreiche Ergänzungen auf Seitenrändern und auf eingefügten Pergamentbll. von einer Hand des 16. Jhs. Die Ergänzungen betreffen Erweiterungen des Textes in einer späteren Fassung (s. Text 1). 166v unten, Nachtrag in einer Kursiven des 14. Jhs. (s. Text 2).
- Einband
- Weißes Pergament auf Pappe. Rom, um 1780. Beide Deckel mit Spuren von je zwei textilen Schließenbändern (entfernt). Rücken mit drei erhabenen Doppelbünden, oben altes Signaturschild der BAV, Kupferstichkartusche mit roter Schrift 723. Darunter Rückenbeschriftung: Distinctiones praedicatorum ab hypocitis. Unten das blaue Signaturschild der BAV. Rücken im unteren Bereich teilweise abgelöst. Kapital mit farbigen Seidenfäden umwickelt (braun-gelb), oben gebrochen. Schunke, Einbände 2,2, S. 849, vgl. ebd. Bd. 1, S. 256.
- Provenienz
- Aigueperse (Dept. Puy-de-Dôme, Frankreich) / Heidelberg.
- Geschichte der Handschrift
- Der Grundstock des Textes wurde wohl um 1300 geschrieben, wahrscheinlich in Frankreich. 168v iste liber nuncupatus de periculis mundi michi pertinet Guillermo Gayandi decano Aquesparse cantori Belli Joci [Bellifoci?], 15. Jh. Der Besitzer der Hs. nennt sich als Dekan von Aquasparsa, heute Aigueperse, im frz. Dept. Puy-de-Dôme in der Region Auvergne-Rhône-Alpes. Dies dürfte auf die dortige Pfarr- und Kollegiatskirche zu beziehen sein. Als in deren unmittelbarer Nachbarschaft ab 1423 ein Klarissenkloster errichtet werden sollte, setzten sich die Kanoniker vehement zur Wehr (Antoine de Sérent, Aigueperse, in: Dictionaire d’Histoire et Géographie Ecclésiastiques, Bd. 1, Paris 1912, Sp. 1135). Möglicherweise ist das Interesse des Besitzers der Hs. Guillermus Gayandi an einer Polemik gegen Bettelorden im Zusammenhang mit diesem Konflikt zu sehen. Im früheren 16. Jh. wurde der Text überarbeitet und dafür Bll. ausgetauscht und zusätzliche eingefügt. 169r Ce livre est appelle des perilz du monde. 1r Capsa-Nummer: C. 128. Im Allacci-Register (Pal. lat. 1949, 11v: 286 Collectio catholicae et canonicae scripturae contra hypocritas et pseudopraedicatores. fol. C. 128). 2ar ältere Signaturen: 362 (gestrichen), 460 sowie aktuelle Signatur 723 Pal. Besitzstempel der BAV: 1r, 168r.
- Literatur
- OVL,
Pal.lat.723; Stevenson, Latini, S. 266.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur
1) 1r–166r
- Verfasser
- Guillaume de Saint-Amour (GND-Nr.: 11910797X).
- Titel
- Collectiones catholicae et canonicae scripturae.
- Angaben zum Text
- Umfangreiche Ergänzungen auf Seitenrändern und auf eingefügten Pergamentbll. von einer Hand des 16. Jhs. Die Ergänzungen betreffen Erweiterungen des Textes in einer späteren Fassung, wie sie auch der Druck bietet. Polemische Schrift gegen Bettelorden und ihre Predigttätigkeit, entstanden 1266 im Zusammenhang des Mendikantenstreites Mitte des 13. Jhs. Jean-Yves Tilliette, Art. Guillelmus de Sancto Amore, in: CALMA, Bd. 5, Florenz 2017, S. 172–176, zu den Collectiones: S. 173, Nr. 1.
- Rubrik
- 1r ›Collectio catholice et canonice scripture. Ad instructionem et preparationem simplicium fidelium Christi contra pericula imminentia ecclesie generali per ypocritas pseudo predicatores et penetrantes domos et ociosos et curiosos et gerovagos‹ [!].
- Incipit
- 1r Sapienciam antiquorum omnium exquiret sapiens …
- Explicit
- 166r … data est omnis potestas in celo et in terra, ut legitur Matheo ultimo. Per infinita secula seculorum. Amen.
- Edition
- Magistri Guillielmi de Sancto Amore opera omnia quae reperiri potuerunt, Constantiae [i.e. Paris?] 1632, S. 487–490 (VD17 7:708082Z), online unter: http://resolver.sub.uni-goettingen.de/purl?PPN81241960X.
2) 166v–167r
- Verfasser
- Guillaume de Saint-Amour (GND-Nr.: 11910797X).
- Titel
- Tabula de signis per quae pseudo-praedictores discerni possunt a veris.
- Angaben zum Text
- Auflistung von 50 Zeichen, an denen sich falsche Prediger von echten unterscheiden lassen. Es handelt sich um einen Anhang zu den Collectiones des Guillaume de Saint-Amour (s. o.), der sich auch in der Druckausgabe findet. Nachtrag: 166v De istis qui non sunt missi dicit Jeronimus in quarto prologo evangeliorum: dominus in evangelio Johannis loquitur omnes qui ante me veniunt fures sunt et latrones [Io 10,8] qui veniunt non qui missi sunt, in venientibus presumptio temeritatis, in missis obsequium est servitutis. Nur wenig umformuliert nach: Hieronymus, in evangelium Matthaei ad Eusebium, Prolog (Migne PL 26, Sp. 17). S. Nachträge und Benutzungsspuren.
- Rubrik
- 166v ›Hec sunt signa quibus pseudopredicatores a veris predicatoribus possunt discerni‹.
- Incipit
- 166v Quod predicant non missi vel non canonice missi …
- Explicit
- 167r … epistolas commendari contra doctrinam et exemplum apostoli.
- Edition
- Magistri Guillielmi de Sancto Amore opera omnia quae reperiri potuerunt, Constantiae [i.e. Paris?] 1632, S. 487–490 (VD17 7:708082Z), online unter: http://resolver.sub.uni-goettingen.de/purl?PPN81241960X.
3) 167v–168r
- Verfasser
- Innozenz III. (GND-Nr.: 118555642).
- Titel
- De miseria humanae conditionis, lib. 2, cap. 26–29.
- Angaben zum Text
- Der Textausschnitt umfasst die Kapitel 26–29 vollständig. Marie-Luise Heckmann, Lebensentwurf, Mahnschrift oder Zeitklage? Die Abhandlung De miseria conditionis humanae Lothars von Segni (Papst Innozenz’ III.), in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 154 (2018), S. 243–257; s. auch: https://www.geschichtsquellen.de/werk/3021.
- Rubrik
- 167v ›De ambiciosis‹.
- Incipit
- 167v Opes itaque cupidus congregat et avarus conservat …
- Explicit
- 168r … hoc sententiam sapientis, omnis potentatus brevis vita.
- Edition
- Michele Maccarrone, Lotharii cardinalis (Innocentii III) De miseria humane conditionis, Luzern 1955 (Thesaurus mundi 7); Migne PL 217, Sp. 701–746.
- Bearbeitet von
- Dr. Wolfgang Metzger, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2024.
Zitierempfehlung:
Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 723. Beschreibung von: Dr. Wolfgang Metzger (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2024.
- Katalogisierungsrichtlinien
- Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.
Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.