Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 73

Biblia, Vetus Testamentum: Willirami Ebersbergensis Expositio in Cantica Canticorum et poemata

Pergament, Papier · 2, 66, 1 Bll. · 28,0–28,5 × 19,8–20,5 cm · Süddeutschland · Ende 11. Jh., nicht vor 1080


Schlagwörter (GND)
Bibel, Altes Testament / Liturgie / Glossen / Gedichte.
Entstehungsort
Süddeutschland. (Umfeld der Freisinger Malerschule?)(Gärtner, Handschriften, S. 20f.).
Entstehungszeit
Ende 11. Jh., nicht vor 1080 . (Gärtner, Handschriften, S. 20).
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Pergament (Vor- und Nachsatzbll. aus Papier).
Umfang
2, 66, 1 Bll.
Format (Blattgröße)
28,0–28,5 × 19,8–20,5 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
Codex, nicht vollständig. (I-1)1a + (II+1)4 (mit Bl. 2a) + 7 VI60 + III66 + (I-1)67*. - 1a bildet mit dem Vorderspiegel ein Doppelbl., 67* bildet mit dem Hinterspiegel ein Doppelbl. Die Lagenstruktur gibt den derzeitigen Zustand der Hs. wieder. Die erste Lage war ursprünglich ein Sexternio, aus dessen Bestand heute nur die Bll. 2, 3 und 4 erhalten sind. Das äußere Doppelbl. der Lage fehlt vollständig, ebenso das mittlere, mit größerem Textverlust verbunden; das Gegenbl. zu Bl. 4 ist verloren, an seine Stelle wurde zu einem späteren Zeitpunkt das heutige Bl. 1 geklebt (zur Stabilisierung wurde nach Bl. 4 eine Falzverstärkung aus beschriebenem Pergament eingebracht), das eine Ergänzung des frühzeitig verlorenen Prologs enthält (wohl 12. Jh. Anfang?) und dessen Versoseite zunächst leer war, wohl in der 2. Hälfte des 12. Jhs. (?) aber mit einer ‚Interpretatio nominum‘ beschrieben wurde. Zusätzlich wurde im 17. Jh. bei der Neubindung der Hs. in Rom das Bl. 2a vorgeschaltet, das auf der Rectoseite den verlorenen Anfang des Williram-Prologs bringt und damit den erneuten (Teil-)Verlust des Prologs behob. Der letzten Lage, heute ein Ternio, fehlt das dritte Doppelbl. zwischen den Doppelblln. 62/65 und 63/64, daher Textverlust in der Expositio und den Gedichten Willirams. Darüber hinaus wurde das Doppelbl. 40/41, das Mittelbl. der 6. Lage, nach seinem Verlust zeitnah ergänzt. Vgl. Bohnert, Textkritik, S. 223f.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
Römische Foliierung des 17. Jhs. (1–66); Vor- und Nachsatzbl. sowie das erste Bl. sind nicht gezählt, daher wird hier bei der Beschreibung die Zählung der Digitalisate übernommen.
Zustand
Der Codex ist nicht vollständig, verschiedene Bll. fehlen (s. Zusammensetzung); obwohl Bl. 66 zu etwa drei Vierteln abgetrennt wurde, scheint damit kein weiterer Textverlust verbunden; vgl. Dittrich, Gedichte, S. 48. Leichter Feuchtigkeitsschaden am Falz; im Wesentlichen sonst gut erhalten: im Gelenk gelockert, mit wenigen Fehlstellen, minimales Durchschlagen der Farben. Tinte und Farben vereinzelt leicht verblasst und berieben; Tintenfraß bei Bl. 2a, zum Teil mit kleineren Ausbrüchen. Einband mit leichteren Schäden.

Schriftraum
15,5–20,6 × 14,3–15,0 cm.
Spaltenanzahl
3 Spalten.
Zeilenanzahl
unterschiedliche Zeilenzahl, je nach Gestaltung der Seite.
Angaben zu Schrift / Schreibern
karolingische Minuskel von einer Haupt- (Ende 11. Jh.) und wohl drei Nebenhänden (12. Jh., Anfang-2. Hälfte); Kapitalis rustica als Auszeichnungsschrift.
Buchgestaltung
Drei-Spalten-Form, mit Arkaturen versehen, die äußeren mit Rundbogen, die mittlere mit einem Spitzgiebel überwölbt. In der mittleren Spalte steht der Bibeltext, in der linken der metrische lateinische Kommentar (Hexameter) und rechts dessen deutsch-lateinische Übertragung; der Text der Gedichte ist dagegen nur auf die beiden äußeren Spalten geschrieben, die mittlere bleibt leer. Unterteilung des Bibeltextes in 149 Kommentareinheiten, deren Anfänge durch rote Spaltleisteninitialen oder durch rote Initialen sowie Majuskelschrift markiert sind, Initialen in der Regel auf grünem oder grün-gelbem Grund. Der lateinische Kommentar gliedert sich in eine Hexameterparaphrase (leoninisch) des Bibeltextes und den sich anschließenden Kommentar in ebenfalls leoninischen Hexametern; so ist auch der deutsche gegliedert: einer genauen Bibelübersetzung ins Deutsche schließt sich der Kommentar in einer deutsch-lateinischen Mischsprache an. Beide Teile sind durch rote Initialen, auf grünem oder auch grün-gelbem Grund, sowie Majuskelschrift markiert. Die einzelnen Hexameter des metrischen lateinischen Kommentars werden durch schwarze Satzmajuskeln kenntlich gemacht. Der deutsche Text enthält zur Anzeige der Längen systematisch gesetzte Akzente (Akut für betonte kurze und Zirkumflex für betonte lange Vokale); jedoch nicht immer exakt gesetzt. Damit entspricht die Enrichtung der Hs. den Vorgaben Willirams, die dieser im Prolog formuliert hatte. Vgl. zur Beschreibung ausführlich Gärtner, Handschriften, S. 8–12, 20f.; Schützeichel / Meineke, Älteste Überlieferung, S. 30f. Das frühzeitig verlorene und zeitnah ersetzte Doppelbl. 40/41 ahmt die Textaufteilung und Schriftgestaltung allerdings in (stark) reduzierter Form nach. Die Anfänge der Gedichte sind durch rote Spaltleisteninitialen oder durch rote Initialen, beide auf grünem oder grün-gelbem Grund, sowie Majuskelschrift hervorgehoben; die einzelnen leoninischen Hexameter werden durch schwarze Satzmajuskeln gekennzeichnet.
Buchschmuck
s. Buchgestaltung.

Nachträge und Benutzungsspuren
s. Zusammensetzung; vereinzelt Korrekturen und Ergänzungen.

Einband
Leicht beschädigter römischer Einband zwischen 1626 und 1633: grünes Pergament über Pappe, Vorder- und Hinterdeckel mit Wappensupralibros: Papst Urban VIII. und Kardinalbibliothekar Francesco Barberini; Rücken zwischen 1846 und 1853 erneuert: Wappen Papst Pius IX. und Kardinalbibliothekar Luigi Lambruschini, schwarz-grünem Signaturschild und Signaturschildchen am Schwanz. Vgl. Schunke, Einbände 2.2, S. 815.
Provenienz
Süddeutschland / (Freising?) / Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
Vorderspiegel mit Signaturschildchen. 2ar und 1r mit wiederholter aktueller Signatur; 1r Capsa-Nummer: C . 176., darunter die Allacci-Signatur: 1749 [beide Einträge gestrichen], ältere römische Signaturen: 54, 72, 2111 [?, alle gestrichen]. Geschrieben Ende des 11. Jhs., nicht vor 1080, in Süddeutschland, vielleicht in Freising, worauf laut Gärtner, Handschriften, S. 20f. (dort nach H. Köllner), der mit Clm 12201a vergleichbare Initialschmuck und die verwandte Schrift hinweisen, von Ernst F. Bange, Eine bayerische Malerschule des XI. und XII. Jahrhunderts, München 1923, S. 88–92, der Freisinger Schule zugeschrieben. Die Hs. gelangte zu einem späteren nach Heidelberg in die Bibliotheca Palatina, mit deren Beständen sie 1622/23 nach Rom kam. Menrad Molther, der die Expositio Willirams erstmals drucken ließ, war zwischen 1526 und 1532 Student in Heidelberg, möglicherweise nutzte er die Hs. als Vorlage für seinen Druck; vgl. Bohnert, Textkritik, S. 154–159. Vorausgesetzt diese Annahme stimmt, müsste der Codex spätestens 1525/26 in Heidelberg gewesen sein. 1r trägt am oberen Rand noch Schriftreste, die nahezu gänzlich erloschen sind, so dass es nicht möglich ist, zu entscheiden, ob es sich eventuell um einen früheren Besitzeintrag handelt, geschweige denn einen möglichen Vorbesitzer zu ermitteln.

Faksimile
http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_lat_73
Literatur
Erminnie H. Bartelmez, The ‘Expositio in Cantica canticorum’ of Williram Abbot of Ebersberg 1048–1085. A critical edition (Memoirs of the American Philosophical Society 69), Philadelphia 1967 (nach Br); Bartsch, Handschriften, S. 182 (Nr. 334); Niels Bohnert, Zur Textkritik von Willirams Kommentar des Hohen Liedes. Mit besonderer Berücksichtigung der Autorvarianten (Texte und Textgeschichte 56), Tübingen 2006 (mit Auflistung der bekannten Hss. und Drucke, S. 14–16); Marie Luise Dittrich, Sechzehn lateinische Gedichte Willirams von Ebersberg, in: ZfdA 76 (1939), S. 45–63 (mit Edition nach Eb mit Varianten der übrigen Hss.); Kurt Gärtner, Zu den Handschriften mit dem deutschen Kommentarteil des Hoheliedkommentars Willirams von Ebersberg, in: Deutsche Handschriften 1100–1400. Oxforder Kolloquium 1985, hrsg. von Volker Honemann / Nigel F. Palmer, Tübingen 1988, S. 1–34; Kurt Gärtner, Williram von Ebersberg, in: 2VL 10, Sp. 1156–1170, bes. 1159–1166; Ernst Hellgardt, Die deutschsprachigen Handschriften im 11. und 12. Jahrhundert. Bestand und Charakteristik im chronologischen Aufriß, in: Deutsche Handschriften 1100–1400. Oxforder Kolloquium 1985, hrsg. von Volker Honemann / Nigel F. Palmer, Tübingen 1988, S. 35–81, hier S. 58 (Nr. 57); OVL, Pal.lat.73; Rudolf Schützeichel / Birgit Meineke, Die älteste Überlieferung von Willirams Kommentar des Hohen Liedes. Edition - Übersetzung - Glossar, Göttingen 2001 (Studien zum Althochdeutschen 39), bes. S. 30f. (mit älterer Literatur; Edition nach Eb unter Angaben der Lesarten von Br und Pal); Schunke, Einbände 2.2, S. 815; Stevenson, Latini, S. 13; Williram von Ebersberg, Expositio in Cantica Canticorum und das ‚Commentarium in Cantica Canticourm‘ Haimos von Auxerre, hrsg. und übers. von Henricke Lähnemann / Michael Rupp, Berlin/New York 2004 (nach Br mit kritischer Korrektur und Ergänzung nach Eb unter Heranziehung von Ley; mit Nennung der älteren Ausgaben und ausgewählter Forschungsliteratur).
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

1) 2ar, 1r, 2ra–64rc Digitalisat

Verfasser
Williram von Ebersberg (GND-Nr.: 118633406).
Titel
Biblia Expositio in Cantica Canticorum .
Angaben zum Text
2ar, 1r, 2ra–64rc EXPOSITIO IN CANTICA CANTICORUM. Ct; es fehlen Ct 1,3c-7a, 1,14–2,2a und 8,11b-8,12a sowie der zugehörige Kommentar. Stegmüller, RB 8378.
1ar–v, 2av leer.
Explicit
64rc … uńte dîe den odorem et famam uirtutum de se spargunt. álse dîe tûiren stánkuvúrze.
Edition
Edition nach Eb, mit Lesarten dieser Hs.: Rudolf Schützeichel/Birgit Meineke, Die älteste Überlieferung von Willirams Kommentar des Hohen Liedes. Edition - Übersetzung - Glossar, Göttingen 2001 (Studien zum Althochdeutschen 39); zu den anderen Editionen vgl. Literatur.

2) 1va–b Digitalisat

Verfasser
Alcuin (GND-Nr.: 118502026).
Titel
In genealogiam Christi .
Angaben zum Text
1va–b ALCUIN, INTERPRETATIONES NOMINUM HEBRAICORUM. Die ‚Interpretatio moralis‘ als Teil des Kommentars bzw. der Homilie Alcuins zum Matthäus-Evangelium. Stegmüller, RB 1094.
Incipit
1ra Moraliter quoque interpretationes nominum ad nostram edificationem pertinere multis modis noscuntur
Explicit
1vb … ab omni tristicia seculi liberati in eterna beatitudine regnabimus cum Christo. amen. [ohne die noch folgenden Verse: Suscipe, rex, parvum magni modo munus amoris … Hebrea, depromens ore latina tuo; am Rande Federprobe (?) von einer anderen Hand Scib’e].
Edition
Edition: Migne PL 100, Sp. 728D–733A.

3) 64v–66r Digitalisat

Verfasser
Williram von Ebersberg (GND-Nr.: 118633406).
Titel
Gedichte.
Angaben zum Text
64va–66ra GEDICHTE. Teilüberlieferung der Gedichte Willirams mit den Nrrn. 11, 5, 6, 8, 9 und 12, davon Nr. 6 und 8 nur fragmentarisch erhalten wegen des Verlusts eines Bls. vor Bl. 65, das auch Gedicht Nr. 7 enthielt.
66rc–66vc, 67*r–v leer.
Incipit
64va ›MISSVSin Ęgyptum Moyses cum coniuge secum
Explicit
66ra … non occurrere plenum.
Edition
Edition nach Eb, mit Lesarten der vorliegenden Hs.: Marie Luise Dittrich, Sechzehn lateinische Gedichte Willirams von Ebersberg, in: ZfdA 76 (1939), S. 51–63.


Bearbeitet von
Dr. Uli Steiger, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2024.


Zitierempfehlung:


Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 73. Beschreibung von: Dr. Uli Steiger (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2024.


Katalogisierungsrichtlinien
Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.